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E-Book

Lübeck

Kleine Stadtgeschichte

AutorKonrad Dittrich
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2014
ReiheKleine Stadtgeschichten 
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783791760308
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Lübeck, einst Hauptort des mächtigen Hansebundes, ist noch immer eine faszinierende Stadt. Die Gründung Heinrichs des Löwen und der Schauenburger Grafen war Ausgangs- und Stützpunkt der deutschen Ostkolonisation sowie Drehpunkt des Handels über die Ostsee. Kaiser Friedrich II. gewährte Lübecks Bürgern bereits 1226 die Reichsunmittelbarkeit. Im Rathaus, in dem die Mitglieder der Hanse tagten, wurde über Krieg und Frieden entschieden. Lübecker Recht hatte in rund 100 Städten Gültigkeit. Die Kleine Stadtgeschichte gibt Gästen einen raschen Einblick und erinnert Bewohner an die große Vergangenheit und kulturelle Verpflichtung, die auch in der Auszeichnung der Altstadt als Unesco-Welterbe zum Ausdruck kommt.

Konrad Dittrich B. A., geboren 1947, ist freiberuflich als Journalist und Autor tätig. Seit 1978 berichtet er aus Lübeck für Zeitungen und Agenturen. Er hat mehrere Bücher über Norddeutschland sowie über Griechenland verfasst.

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Leseprobe

Gründungen, Geburtswehen, Aufstieg


Alt-Lübeck in der Niederung


Jede Stadt, die etwas auf sich hält, ehrt ihren Gründer, feiert ihre Jubiläen. Lübeck kann gleich mit mehreren Gründungen aufwarten. Die einstige »Königin der Hanse« hat zudem nicht nur einen Stadtgründer, sondern deren zwei: Graf Adolf II. von Schauenburg und Welfenherzog Heinrich den Löwen. Graf Adolf gründete den wichtigen Ostseehafen im Jahre 1143, der Löwe 16 Jahre später zum zweiten Mal. Nicht genug damit: Wesentlich älter ist eine Siedlung, 7 km vom späteren Stadtzentrum entfernt, die in den Geschichtsbüchern »Alt-Lübeck« genannt wird. Von ihr übernahm die spätere Stadt den Namen, die eingedeutschte Form des slawischen Liubice.

Alt-Lübeck entstand als Siedlung mit Herrscherburg auf einer Landzunge am Zusammenfluss zweier Flüsse, der Trave, die den Zugang zur Ostsee herstellte, und der Schwartau. Hier wurde Handel getrieben, lebten Handwerker, bemühten sich christlich gesonnene slawische Fürsten um die Verbreitung des neuen Glaubens. Aber der Ort lag ungeschützt im flachen Land. Mehrere Male wurde Liubice von See her überfallen und geplündert.

Die politische Lage in Nordelbien, im Nordosten des deutschen Reiches, war über Jahrhunderte von blutigen Auseinandersetzungen zwischen heidnischen Slawen und christlichen Sachsen bestimmt. Karl der Große, der die Sachsen zum Christentum bekehrte, wollte die Grenzen durch neue Marken schützen. Spätere Herrscher verfolgten ähnliche Ziele. Die Grenzen waren offen, Kämpfe zwischen Sachsen, die mit den Deutschen gleichgesetzt wurden, und Slawen verwüsteten und entvölkerten weite Landstriche. Durcheinander geraten waren die Stämme bei der Völkerwanderung. Ostgermanen zogen nach Westen und Süden, Angeln und Sachsen zum Beispiel in das von den Römern aufgegebene Britannien. Slawische Stämme, die insgesamt auch als Wenden bezeichnet werden, rückten nach. Im westlichen Mecklenburg, bis zur Trave hin, siedelten die Obotriten (Abotriten). Rund um Oldenburg lag das Gebiet der Wagrier. Südlich Lübecks, in der Gegend von Ratzeburg, waren die Polaben sesshaft geworden. Als Grenzlinie nennt Erzbischof Adam von Bremen in seiner »Hamburgischen Kirchengeschichte« 1070 den Limes Saxoniae. Dieser Limes teilte das heutige Schleswig-Holstein in Nord-Süd-Richtung, führte vom Meer bis an die Elbe. Östlich dieser Linie siedelten die heidnischen Wenden, westlich des Limes die christlich gewordenen Stormarner, Holsten und Dithmarscher.

Der Limes Saxoniae war keine exakte Linie, schon gar keine Mauer. Es war ein nicht genau definierter Landstreifen, in dem und an dem die Geschicke hin und her wogten. In der erwähnten Chronik des Bremer Erzbischofs begegnet uns erstmals der Name Liubice (Alt-Lübeck). Der kleine Ort am Ende des Fernhandelsweges Lüneburg-Bardowick-Ratzeburg sollte Bedeutung für die Wendenmission bekommen. In der Burg von Alt-Lübeck residierte in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts, bis 1066, ein christlicher Obotritenfürst namens Gottschalk. An seinem Schicksal lässt sich die Situation des Christentums in Nordelbien gut aufzeigen.

Ein frühchristliches Familienschicksal


Gottschalks Vater Uto, slawisch Pribignew, wagte nicht, sich offen zum neuen Glauben zu bekennen. Seinen Sohn aber schickte er auf die Klosterschule im niedersächsischen Lüneburg. Als Uto um 1028 von einem sächsischen Adligen erschlagen wurde, vergaß Gottschalk seine christliche Erziehung und rief die Stammesgenossen zur Rache an den Christen auf. Gottschalks Mannen unternahmen grausame Streifzüge. Sachsenherzog Bernhard nahm Gottschalk gefangen, schenkte ihm aber das Leben. Gottschalk begleitete Dänenkönig Knut den Großen (1014–1035) auf dessen Feldzügen in England. Unter dem Einfluss der Dänen wandte Gottschalk sich wieder einer christlichen Politik zu. Mit Hilfe der Dänen wurden einige obotritische Stämme im Grenzland besiegt. Gottschalk wurde in die Rechte seines Vaters eingesetzt. Er schloss ein Bündnis mit dem seit 1043 amtierenden Erzbischof Adalbert von Bremen und Hamburg, der sich die Mission im Wendenland zum Ziel gesetzt hatte. Die von Gottschalk erweiterte Anlage Alt-Lübeck wurde Stützpunkt der Mission. Spätestens um 1050 wurde innerhalb des Ringwalls eine Feldsteinkirche errichtet, deren Grundmauern bei den seit 1852 erfolgten Ausgrabungen gefunden wurden.

Unter Gottschalks tatkräftiger Führung entwickelte sich der kleine Hafen zu einer Konkurrenz für Haithabu bei Schleswig. Am dänischen Hof genoss der Obotritenfürst Ansehen. König Sven Estridsen gab ihm seine Tochter Sigrid zur Frau. Gottschalk half um 1060 dem Erzbischof, das frühe, zwischenzeitlich von Slawen verwüstete Bistum Oldenburg neu zu errichten. In dem dünn besiedelten Gebiet hat sich die Diözese nie recht entfalten können. Größere Blüte erlangten die neuen Bistümer Ratzeburg und Mecklenburg. Im eigenen Volk stie-ßen Gottschalks Missionsbemühungen auf wenig Gegenliebe. Seine Stammesgenossen nahmen ihm ferner die guten Beziehungen zu Sachsen und Dänen übel.

Zu neuen Kämpfen kam es 1066. Hamburg wurde verwüstet, ebenso das Land um Oldenburg. Rund 1000 christliche Märtyrer starben in Wagrien, darunter 60 Priester, die verstümmelt und gefesselt durchs Land getrieben wurden. In Ratzeburg wurde am 15. Juli 1066 Abt Ansverus mit seinen Klosterbrüdern umgebracht. Der erneute Versuch einer Missionierung der Slawen endete wie ähnliche Bemühungen zuvor in einer Katastrophe. Während eines Gottesdienstes am 7. Juni 1066 in der Kirche zu Lenzen an der Elbe wurde Fürst Gottschalk ermordet. Die Siedlung Alt-Lübeck fiel den Flammen zum Opfer. Seine Frau Sigrid konnte sich mit den Söhnen Buthue (Bodivoj) und Heinrich nach Dänemark retten. Treibende Kraft hinter den Aufständen war Obotritenfürst Kruto, der in Oldenburg und auf dem späteren Lübecker Stadthügel Buku Burgen unterhielt. Von dort aus hatte er Alt-Lübeck in der Ebene gut im Blick. Kruto konnte seine Macht über weite Teile des Obotritenreiches ausdehnen.

Unterdessen wuchsen die Söhne Gottschalks am dänischen Hof heran. Natürlich war ihnen als Erziehungsziel vorgegeben, den Vater zu rächen und sein Erbe zu erringen. Buthue, der ältere Sohn, kam 1071 bei der Belagerung einer Burg Krutos ums Leben. Besser erging es seinem Bruder Heinrich zwei Jahrzehnte später: Er war zu einem Fest auf der Burg Plön geladen, an dem auch Kruto teilnahm. Angeblich wollte dieser sich des Konkurrenten durch List entledigen, da er ihn in offener Schlacht nicht besiegen konnte. Berauscht soll Kruto beim Fest aufs Lager gesunken sein, wo ein dänischer Knecht ihn mit der Streitaxt erschlug. Heinrich heiratete die junge Witwe des Obotritenfürsten, Slawina, die angeblich ihres wesentlich älteren Gatten überdrüssig war. Mit Unterstützung von Sachsenherzog Magnus und mit Hilfe der Holsten und Stormarner besiegte Heinrich die Anhänger Krutos 1093 bei Schmielau, unweit von Ratzeburg.

Heinrich errichtete die Residenz seines Vaters Gottschalk neu. Der alte Ringwall wurde durch einen höheren ersetzt und zusätzlich mit Palisaden verstärkt. Dieser Burgwall umschloss keine große Siedlung. Man schätzt das von ihm umschlossene Areal auf 100 m im Durchmesser. Nachgewiesen sind außer Burg und Kirche Blockbauten, Wege und Zäune.

Neue Erkenntnisse über Alt-Lübeck brachten in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Grabungen des dänischen Archäologen Hellmuth Andersen. Mit Hilfe der Dendrochronologie konnte er das Alter der verwendeten Hölzer bestimmen. Sie gehen zurück bis ins Jahr 817. Insgesamt lassen sich die Funde in Alt-Lübeck zwei Siedlungsperioden zuordnen, einer frühslawischen Siedlung des 9. und einer spätslawischen des 11. Jahrhunderts. Die Burg lag praktisch auf einer Insel, seit ein künstlich angelegter Graben die beiden Flüsse Trave und Schwartau verband. Außerhalb dieser Insel und zu Füßen der Burg hatten sich Handwerker, Fischer und Händler angesiedelt, die Waren von der See auf den Landweg umluden und umgekehrt. Zwischen 500 und 1000 Menschen mögen hier in ruhigen Zeiten gelebt haben. Nachdem Heinrichs Macht gefestigt war, nahm er die Missionspläne seines Vaters wieder auf. Erzbischof Adalbero II. (1123–1148) schickte den sächsischen Missionar Vicelin ins Land. Vicelin stammte aus Hameln an der Weser, 1126 besuchte er in Alt-Lübeck Heinrich, der sich inzwischen »König der Wenden« nannte. Aber die Pläne, Alt-Lübeck zum Ausgangspunkt neuer Missionsbemühungen zu machen, zerschlugen sich, als Heinrich am 22. März 1127 von heidnischen Priestern erschlagen wurde. Vicelin zog sich ins Kloster Faldera, das spätere Neumünster, zurück. Allerdings schickte er zwei seiner Mitbrüder als Priester nach Alt-Lübeck, wo Heinrichs Sohn Sventipolk die Nachfolge angetreten hatte.

 

HINTERGRUND

 

Ein slawischer Name

An der Stelle des heutigen Lübeck stand in slawischer Zeit die Burg Buku. Auf den neuen Ort an dieser Stelle wurde nach 1143 der Name des untergegangenen Alt-Lübeck, Liubice, übertragen, zunächst Lubeke geschrieben, später eingedeutscht. Der Name Liubice wird in älteren Geschichtswerken als »Die Liebliche« gedeutet. Neuere Forschungen weisen darauf hin, dass Liubice ebenso gut vom slawischen Vornamen Ljub oder Ljuba abgeleitet sein könnte, dem die deutsche Endung -ici oder -ice angehängt wurde. Dann würde der Siedlungsname die Nachfahren eines Stammesfürsten dieses Namens meinen oder, noch romantischer, die Angehörigen einer slawischen Fürstin. Die Schreibweisen Liubice, Lubike, Lubika, Lubeka ließen sich durch niederdeutschen Einfluss erklären, denn »bek« oder »beke« bedeuten Bach. Eine weitere Deutung, die im 15./16. Jahrhundert viele Befürworter fand, leitet sich vom polnischen Liubice = Krone her....

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