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E-Book

Mehr Geld als Gott

Hedgefonds und ihre Allmachtsphantasien

AutorSebastian Mallaby
VerlagFinanzBuch Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl602 Seiten
ISBN9783862486052
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Reiche, mächtige und womöglich gefährliche Hedgefonds-Magnaten sind die Stars des Kapitalismus im 21. Jahrhundert. Ihre Wochenendpaläste sind Futter für die Fotografen von Vanity Fair, und die Möglichkeit, sie könnten ein Chaos auslösen, beschäftigte die Aufsichtsbehörden schon vor dem jüngsten Zusammenbruch der Finanzmärkte. Auf der Grundlage des einzigartigen Wissens des angesehenen Finanzautors Sebastian Mallaby über diese Branche sowie von 300 Stunden Interviews und ungezählten internen Dokumenten erzählt Mehr Geld als Gott die Geschichte der Hedgefonds von den Anfängen in den 1960er- und 1970er-Jahren über die explosiven Schlachten mit den Zentralbanken in den 1980er- und 1990er- Jahren bis zu ihrer Rolle in der Finanzkrise von 2007 bis 2009. Das erste maßgebliche Buch über die Geschichte der Hedgefonds - von den rebellischen Anfängen bis zu ihrer Rolle bei der Definition des zukünftigen Finanzwesens.

Sebastian Mallaby ist Kolumnist der Washington Post und hat sich auf Themen rund um die Globalisierung spezialisiert. Zuvor hat er mehr als 13 Jahre für das Magazin Economist über internationale Finanzthemen berichtet und war Bürochef des Economist in Südafrika, Japan und Washington. Mallaby ist zudem Autor des US-Bestsellers 'The World's Banker', erschienen im Jahr 2004.

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Leseprobe

1. Big Daddy


Als sich das zweite goldene Zeitalter Amerikas dem Ende zuneigte und der erste Finanzcrash des 21. Jahrhunderts bevorstand, erwiesen sich die Manager einiger Dutzend Hedgefonds als inoffizielle Könige des Kapitalismus. Die Globalisierung führte zu noch nie da gewesenem Wohlstand; dieser Wohlstand schuf teilweise enormen Reichtum. Und dieser Reichtum wurde in ruhigen Fonds geparkt, deren Manager kräftig profitierten. Allein in den drei Jahren von 2003 bis 2006 verdoppelte sich das Kapital der 100 größten Hedgefonds auf 1 Billion Dollar1 – genug, um alle an der Börse Shanghai gelisteten Aktien oder die jährliche Wirtschaftsleistung Kanadas aufzukaufen. Niemand zweifelte daran, dass dieses Hedgefonds-Phänomen neu, noch nie da gewesen und ein Symbol der damaligen Ära war. Ein Zeitschriftenautor erklärte: »Es ist der große Traum an der Wall Street geworden, einen Hedgefonds mit einem Kapital von einigen hundert Millionen Dollar zu führen und dabei zweistellige Millionenbeträge für sich selbst einzustreichen.«2 Ein anderer schrieb: »Hedgefonds sind der letzte Schrei auf dem heutigen Markt – das logische Extrem des protzigen Erfolgskults.«3

Aber Hedgefonds sind nicht neu. Es gab sie auch früher schon. Die erste oben zitierte Zeile stammt aus einem 2004 im New York Magazine veröffentlichten Artikel. Die zweite stammt aus einem bemerkenswert ähnlichen Artikel im New York Magazine, der allerdings vier Jahrzehnte früher veröffentlicht wurde. Der Artikel von 2004 betonte, dass Hedgefonds-Manager »die Richtung des Markts 22 Tage hintereinander korrekt prognostizieren« können. In der Version von 1968 ging es um »den Hedgefonds-Typ, der sieben Wochen lang einen Gewinn von 20 Prozent pro Woche auf sein Kapital« erzielt hatte. Der Artikel von 2004 klagte über Hedgefonds, die »nicht nur arrogant und isoliert, sondern auch noch heimlich« agierten. In der Version von 1968 hieß es mürrisch, die »Menschen in der Hedgefonds-Branche« sprächen »nur zögerlich über ihre Erfolge«. Hätten sich die Hedgefonds-Manager als die Stars des neuen Jahrhunderts erwiesen – hätten sie also die Unternehmensaufkäufer-Barone der 1980er-Jahre und die Dotcom-Magier der 1990er-Jahre abgelöst –, dann sollte man sich daran erinnern, dass sie auch schon die Stars einer früheren Ära waren. In einem bekannten Bericht über den Boom der 1960er-Jahre heißt es: »Ein Hedgefonds-Manager kann sich vom Markt entfernen und dennoch wissen, wo dessen Rhythmus und sein eigener Rhythmus miteinander im Einklang sind.« »Wenn man wirklich weiß, was vor sich geht, muss man nicht einmal wissen, was vor sich geht, um zu wissen, was vor sich geht ... Man kann die Schlagzeilen ignorieren, weil man sie schon vor Monaten antizipiert hat.«4

Die größte Legende der ersten Hedgefonds-Ära war Alfred Winslow Jones, der Gründervater, von dem bereits die Rede war. Im New York Magazine wurde er 1968 als »Big Daddy« der Branche beschrieben. Allerdings war er ein sehr untypischer Wall-Street-Patriarch. Wie viele der Hedgefonds-Titanen späterer Zeiten veränderte er die Finanzbranche und hielt sich dennoch in gewisser Weise von ihr fern. 1949, als Jones seinen »abgesicherten Fonds« erfand, wurde der Berufsstand der Vermögensverwalter von steifen, konservativen Typen dominiert, die man bezeichnenderweise »Treuhänder« nannte. Ihre Aufgabe bestand lediglich darin, das Kapital zu bewahren, statt es zu mehren. Die führenden Unternehmen der Branche trugen Namen wie Fidelity und Prudential – und sie verhielten sich auch so. Der Autor John Brooks beschrieb einen guten Treuhänder wie folgt: »Er ist ein Muster unnahbarer Ehrlichkeit und Nüchternheit. Sein weißes Haar ist streng, aber auch nicht zu streng gescheitelt – und seine blauen Yankee-Augen zwinkern niemals.«5 Aber Jones war aus völlig anderem Holz geschnitzt. Als er sich dem Finanzbereich zuwandte, hatte er bereits rastlos mit anderen Karrieren experimentiert. Er pflegte Freundschaften zu Schriftstellern und Künstlern, die nicht alle ständig nüchtern waren. Und obwohl er der Begründer der hyperkapitalistischen Hedgefonds werden sollte, hatte er in seiner Jugend heftig mit dem Marxismus sympathisiert.

Jones wurde in der neunten Stunde des neunten Tages des neunten Monats des Jahres 1900 geboren – eine Tatsache, mit der er noch viele Jahre später seine Familie langweilte.6 Er war der Sohn eines Amerikaners, der die Geschäfte von General Electric in Australien leitete. Nach einer Familienlegende besaßen die Jones das erste Auto in Australien. Ein Familienfoto aus dieser Zeit zeigt den dreijährigen Alfred, der eine weiße Matrosenmütze und eine weiße Jacke trägt. Neben ihm sitzt seine Mutter mit einem aufwendigen, federgeschmückten Hut. Nachdem die Familie zum Stammsitz von GE in Schenectady, New York, zurückgekehrt war, ging Alfred dort zur Schule und studierte, der Familientradition folgend, in Harvard. Aber als er 1923 sein Studium abgeschlossen hatte, wusste er nicht, was er tun sollte. Ihm gefiel keiner der typischen offensichtlichen Karrierewege für einen begabten Absolventen einer Elite-Universität. Allmählich begann das Jazz-Zeitalter. F. Scott Fitzgerald beschrieb die ziellosen Antihelden in seinem Roman Der große Gatsby: schlank, groß gewachsen, mit weichen Gesichtszügen und dichtem Haarwuchs. Jones hätte problemlos in Fitzgeralds Welt gepasst. Aber Jones hatte andere Pläne für sein Leben. Er hatte die Wanderlust seines Vaters geerbt und heuerte als Zahlmeister auf einem Trampdampfer an, wo er ein Jahr damit verbrachte, in der ganzen Welt herumzureisen. Später nahm er einen Job in der Exportbranche und dann einen als Statistiker bei einem Investmentberater an. Nachdem er noch eine ganze Weile ziellos gelebt hatte, absolvierte er die Prüfung für den Auslandsdienst und erhielt eine Anstellung im Außenministerium.7

Jones wurde sofort als Vizekonsul der USA nach Berlin versetzt und kam im Dezember 1930 dort an. Die Wirtschaft Deutschlands befand sich im freien Fall: Die Produktion war in diesem Jahr um 8 Prozent geschrumpft und es gab 4,5 Millionen Arbeitslose. Bei den Wahlen drei Monate zuvor hatte die kaum bekannte nationalsozialistische Partei von der im Volk verbreiteten Wut profitiert und 107 Sitze im Reichstag erreicht.8 Jones Aufgaben brachten ihn in unmittelbaren Kontakt mit den Problemen Deutschlands. Er verfasste zwei Studien über die Lebensbedingungen der deutschen Arbeiter. Eine befasste sich mit deren Zugang zu Nahrungsmitteln, die andere mit der Wohnsituation. Seine Beziehung zu Deutschland wurde intensiver, als er Anna Block kennenlernte, eine sozialistische Aktivistin gegen die Herrschaft der Nazis. Anna war die Tochter einer jüdischen Bankiersfamilie – attraktiv, kokett und wohlhabend. Für eine Weile entkam sie der Entdeckung durch die Nazis, indem sie ihre Aktionen von der Geburtsabteilung einer Berliner Klinik aus durchführte. Jahre später, als sie in Paris für die Widerstandsbewegung tätig war, wettete sie darauf, dass sie sich nur mit einer Pappschachtel als Gepäck im besten Hotel von London einmieten könne. Als Jones Anna 1931 kennenlernte, arbeitete sie für eine Gruppe, die sich als Leninistische Organisation bezeichnete, und war darauf aus, ihren dritten Ehemann zu finden. Jones war fasziniert von Annas Mischung aus sozialistischem Engagement und großbürgerlichem Charme. In persönlicher und politischer Hinsicht wurde er zu ihrem Erfüllungsgehilfen.9

Jones heiratete Anna heimlich, aber diese Verbindung wurde von seinen Kollegen in der Botschaft schnell entdeckt. Dieser Bruch führte zu seinem Abschied aus dem auswärtigen Dienst im Mai 1932, nur anderthalb Jahre nach seinem Eintritt. Aber dies war nicht das Ende seiner Verbindung zu Deutschland. Im Herbst 1932 kehrte er unter dem Pseudonym »Richard Frost« nach Berlin zurück und arbeitete heimlich für die Leninistische Organisation.10 Im folgenden Jahr vertrat er die Gruppe in London, wobei er den Decknamen »H. B. Wood« annahm und versuchte, die britische Labour Party, die pazifistisch gesinnt war, davon zu überzeugen, dass militärische Aktionen gegen Hitler erforderlich seien. Den britischen Behörden wurden Jones’ Aktivitäten allmählich verdächtig; vor allem als sie erfuhren, dass er die marxistische Arbeiterschule in Berlin besucht hatte, die unter der Verwaltung der deutschen kommunistischen Partei stand. Ein Offizieller des Außenministeriums schrieb in einer Antwort auf eine dringende Anfrage aus London11: »Es ist bekannt, dass Mr. Jones während seiner Tätigkeit im auswärtigen Dienst Interesse für den Kommunismus gezeigt hat.«

Der deutsche Widerstand gegen Hitler erwies sich eher als romantisch denn als praktisch wirksam. Dasselbe hätte man auch über Jones’ Beziehung zu Anna sagen können. Das Paar ließ sich nach wenigen Monaten scheiden und Jones ging 1934 von London nach New York. Dort schrieb er sich als Student der Soziologie an der Columbia University ein und heiratete Mary Elisabeth Carter, ein Mädchen aus der Mittelschicht, deren Eltern eine Plantage in Virginia hatten.12 Jones’ Leben schien nun in konventionellen Bahnen zu verlaufen, aber der Wechsel war nicht vollständig. Er erhielt seine Verbindungen zu linken Gruppierungen in Deutschland in den 1930-er und in den frühen 1940er-Jahren aufrecht. Und...

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