Sie sind hier
E-Book

Nachfolge Christi leben

Schritte des Vertrauens wagen

AutorBernd Liebendörfer
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl149 Seiten
ISBN9783170326057
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Nachfolge ist für viele ein faszinierender, aber oft unklarer Begriff: Was genau heißt es, Nachfolge Christi zu leben? Gedanken von Thomas von Kempen, Dietrich Bonhoeffer und aus Taizé können erste Anregungen geben. Im Anschluss daran und auf Grundlage biblischer Texte entfaltet der Autor Nachfolge als einen speziellen Begriff des Glaubens und zeigt das Verhältnis zu anderen wichtigen theologischen Grundgedanken auf. Er beschreibt ausführlich, wie Nachfolge heute verstanden und gelebt werden kann: in engem Kontakt mit Gott Schritte des Vertrauens wagen. Gut verständlich und nahe an biblischen Texten zeichnet der Autor ein fundiertes Bild von Nachfolge, das den Blick ganz auf Gott richtet und zugleich die Mündigkeit des modernen Menschen bewahrt.

Bernd Liebendörfer, evangelischer Dekan in Böblingen, hat über dieses Thema seine Doktorarbeit verfasst.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Nachfolge als Bildwort und Metapher des Glaubens


Um nun zu klären, was man unter Nachfolge heute verstehen kann, also unter Nachfolge Christi, wird hier als Einstieg zunächst ein völlig neuer Ansatz gewählt, auch wenn später wieder die Gedanken anderer Denker aufgegriffen werden. Der Schlüssel zum Verständnis liegt zunächst in ein paar rein sprachlichen Beobachtungen. Linguistik ist die Wissenschaft, die sich solche Beobachtungen zum Thema macht. Unter dem Stichwort der Semantik fragt diese Wissenschaft nach der Bedeutung von Worten oder Texten.

Eine erste Beobachtung zeigt, dass zwischen zwei Vorstellungen von Nachfolge unterschieden werden muss. Es gibt nämlich einen allgemeinen und einen spezifischen Sprachgebrauch von Nachfolge.

Der allgemeine Sprachgebrauch kennt das Wort Nachfolge im Sinne einer zeitlichen Abfolge. Für einen Top-Manager, einen Spitzenpolitiker oder einen Fußball-Trainer wird ein Nachfolger gesucht. Dabei geht es manchmal ausdrücklich darum, dass dieser Nachfolger seine Aufgabe gerade nicht so wahrnimmt wie sein Vorgänger, sondern dass er es anders, nämlich möglichst besser machen soll. Nachfolge wird dabei tatsächlich rein zeitlich verstanden.

Davon zu unterscheiden ist der spezifische Begriff der Nachfolge. Um diesen geht es bei den Überlegungen, die hier angestellt werden. Nachfolge im spezifischen Sinne meint, dass sich der Nachfolger inhaltlich an seinem Vorgänger ausrichtet. Er grenzt sich gerade nicht von seinem Vorgänger ab. Der Nachfolger ist vielmehr bemüht, das Werk dessen fortzusetzen, dem er nachfolgt. Er will dabei die vorgefundene Art und Linie des Werkes beibehalten und pflegen. Wenn das geschieht, dann ist Nachfolge auf einmal in einer sprachwissenschaftlichen Betrachtung nichts anderes als ein Bildwort, oder mit dem Fachbegriff der Linguistik gesagt, nichts anderes als eine Metapher. Hier liegt jetzt tatsächlich der Schlüssel für die Überlegungen, was Nachfolge als Redeweise vom christlichen Glauben ist.

Metapher nennt man schon seit den alten griechischen Philosophen, genauer gesagt seit Aristoteles (384–322 v. Chr.), eine bildhafte Ausdrucksweise. Sie lässt innere Bilder entstehen und erblüht gerade so in ihrem Reichtum. Sie lässt Assoziationen und Emotionen aufkommen und sie spricht die Menschen auf ganz verschiedenen Ebenen an. Dabei bleibt sie deutungsoffen. Das meint, sie kann nie ganz abschließend ausgeleuchtet werden. Metaphern und Bilder spielen heute in Linguistik, Literaturwissenschaft, Philosophie und Theologie in vielfältiger Weise eine wichtige Rolle. Wenn wir zum Beispiel davon reden, dass Gott die Welt in Händen hält, dann ist das natürlich nichts anderes als eine bildhafte Redeweise, also eine Metapher. Wir gehen selbstverständlich mit solchen Metaphern um, so selbstverständlich wie mit den Gleichnissen Jesu, die ebenso bildhafte Redeweise darstellen. Man kann die Gleichnisse als ausführliche Metaphern ansehen. Wenn Jesus sagt, das Himmelreich gleiche einer großen Hochzeitsfeier (Mt 22,1–14), dann ist das ein Bild oder ein Vergleich. Die Sachebene des Reiches Gottes wird dabei nicht exakt beschrieben. Deutlich wird, dass das Himmelreich etwas überwältigend Schönes sein wird. Dort wird Freude herrschen. Genauso ist es, wenn Jesus das Reich Gottes mit einem Senfkorn oder mit Sauerteig vergleicht (Lk 13,18–21). Auch hier wird die Sachebene, das Reich Gottes, nicht konkret in seinen Einzelheiten beschrieben. Es wird der eine Aspekt stark betont, dass das Reich Gottes riesig wird, auch wenn es ganz klein anfängt und dass es sich erst allmählich entwickelt. In allen diesen Fällen sagt Jesus selbst sogar, dass es sich um einen Vergleich handelt. Es ist aber gerade die Eigenart eines Vergleiches, dass er das Eigentliche nicht präzise und unmittelbar beschreibt, oft weil es gar nicht beschrieben werden kann, z. B. weil es unsere Vorstellung und unser Fassungsvermögen völlig übersteigt.

Wenn dies der Ausgangspunkt für die Überlegungen zum Thema Nachfolge ist, dann wird schnell offenbar, dass der Begriff Nachfolge unter strenger Betrachtung ebenfalls keinen präzise gefassten Sachverhalt oder keine eindeutige Tatsache beschreibt. Dies mag noch dadurch unterstrichen werden, dass der Begriff Nachfolge zunächst einmal einfach ein deutsches Wort ist. Es stellt insoweit eine Besonderheit dar, weil es sich nicht unmittelbar z. B. in die englische oder französische Sprache präzise übersetzen lässt. Wir können also im Deutschen mit einem einzigen Wort etwas ausdrücken, was in anderen Sprachen mit mehreren Worten umschrieben werden muss. Um es hier gleich vorneweg zu sagen: Die deutsche Sprache kann sich freuen, dass sie dieses Privileg hat und von Nachfolge reden kann.

Um von dieser Voraussetzung aus zu einem Verständnis von Nachfolge im spezifischen Sinne zu kommen, muss nun Nachfolge als Metapher näher betrachtet werden. Dazu gehört es, die verschiedenen Aspekte dieses Bildwortes – oder um es wieder mit einem Fachwort zu sagen: die Implikationen dieser Metapher – zu erfassen und ans Licht zu heben. Dies soll zunächst im Bereich des alltäglichen Sprachgebrauchs geschehen, also noch ohne Zuspitzung auf den Glauben. Es wird sich aber zeigen, dass diese Implikationen sich dann wie von selbst auf den christlichen Glauben übertragen lassen. Die Metapher Nachfolge birgt viele wichtige Aspekte des christlichen Glaubens in sich, die oftmals unbewusst schon erfasst werden, wenn der Begriff gebraucht wird.

Die These ist, dass sich mit dieser einen Metapher viel Wichtiges und Wesentliches in einer sehr kompakten und komprimierten Form einem breiten Kreis von interessierten Menschen verständlich machen lässt. Dies gelingt gerade wegen der Bildhaftigkeit des Begriffes über alle Bildungsschichten hinweg. Eine Metapher wird sehr spontan und intuitiv verstanden. Das liegt in der Sache selbst. Es muss nicht erst alles durchdacht werden, bis man weiß, was gemeint ist. Das wird durch die Beobachtung bestätigt, dass viele Menschen sofort auf den Begriff Nachfolge positiv reagieren und vorgeben zu wissen, wovon die Rede sei, auch wenn sich dies bei gezieltem Nachfragen in keiner Weise erhärten lässt. Sie haben vielmehr in der Regel keine bewusste und differenzierte Vorstellung von dem, was Nachfolge sein soll. Dass sie vieles, was die Redeweise von Nachfolge meint, intuitiv richtig erfassen, macht die Metapher Nachfolge so wertvoll.

Die Metapher »Nachfolge« entfaltet sich von selbst


In diesem Abschnitt gilt es nun, die Metapher »Nachfolge« zu entfalten. Dabei gehört es zur Natur einer Metapher, dass die Aspekte, die Implikationen und die Assoziationen, die sie enthält, sowie die Bilder, die sie in uns entstehen lässt, nicht vollzählig aufgelistet werden können. Eine Metapher lebt geradezu von der Unschärfe, die darin liegt, dass sie nicht bis ins Letzte ausgeleuchtet werden kann. Man kann immer noch mehr in ihr entdecken. Trotzdem wird es zentrale oder randständigere Aspekte geben. Das muss ebenfalls nicht im Einzelnen bewertet werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass zumindest alle im Folgenden erwähnten Aspekte zum Gesamtbild ihren Beitrag leisten und es abrunden.

Von Nachfolge kann man nur sprechen, wenn man an mindestens zwei Personen denkt. Es gibt einen, der vorausgeht und einen, der eben dieser vorausgehenden Person nachfolgt. Damit ist aber bereits auf ein weiteres Kennzeichen von Nachfolge hingewiesen. Zwischen diesen beiden Personen muss eine Beziehung bestehen. Ohne solche Beziehung kann es keine Nachfolge geben. Diese setzt ein Mindestmaß an Kommunikation zwischen beiden voraus. Diese Beziehung kann deswegen noch genauer bestimmt werden in dem Sinne, dass der Erste vorausgeht, also die Richtung angibt, und der Nachfolgende sich an diesem Vorausgehenden orientiert. Somit schenkt der Erste die Orientierung, der Nachfolgende lässt sich von ihm leiten. Im Zentrum steht damit der Erste, der vorausgeht. Bei ihm bleibt die maß-, richtungs- und orientierungsgebende Rolle. Er bestimmt das Ziel, macht die Vorgaben, verfügt über die Kriterien. Auf ihn muss der Nachfolgende achten, wenn Nachfolge gelingen soll.

Ein weiterer Aspekt ist, dass Nachfolge eine Aktion beschreibt. Es geht also um etwas Aktives, um ein Tun. Einen rein passiven Nachfolgenden kann man sich nicht vorstellen. Vielmehr gilt, wer rein passiv ist, kann eben nicht nachfolgen, er schließt sich selbst damit bereits aus. Nachfolge trägt schon als Metapher immer einen starken Bezug zu Tun und Handeln in sich. Nachfolge impliziert, noch einmal mit anderen Worten gesagt, dass der Nachfolgende – bei aller Orientierung, die er durch den Vorausgehenden bekommt – nicht getragen wird. Die einzelnen Schritte in der Nachfolge muss er selbst gehen.

Als eine nächste Implikation der Metapher wird sofort, wenn vielleicht auch unbewusst, wahrgenommen, dass Nachfolge den ganzen Menschen meint. Es ist völlig undenkbar, dass nur ein Teil eines Menschen nachfolgt. Das geht gar nicht. Es wird sofort erspürt, dass Nachfolge die ganze Person, den ganzen Menschen meint. Drunter geht es nicht.

Nachfolge bezeichnet zudem nicht nur eine einmalige oder kurze Aktion. Nachfolge gibt es nicht auf einen Moment oder auf eine Situation beschränkt. Vielmehr bezeichnet dieser Begriff in sich schon einen längeren Prozess, besser einen Weg, der zu gehen ist. Es muss nicht gleich ein lebenslanger Prozess sein, aber eine gewisse Dauer ist eine Voraussetzung dafür, dass von Nachfolge gesprochen werden kann.

Nachfolge bezeichnet somit ein dynamisches Geschehen. Nachfolge ist als Begriff nicht geeignet für ein statisches Verständnis. Der Nachfolgende lässt sich ein auf einen Weg, den er nicht kennt. Er weiß nicht, was auf ihn alles zukommen wird. Nachfolge muss nicht einmal bedeuten, dass einem der Weg gebahnt wird...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Theologie

Sich verzehrender Skeptizismus

E-Book Sich verzehrender Skeptizismus
Läuterungen bei Hegel und Kierkegaard - Kierkegaard Studies. Monograph SeriesISSN 12 Format: PDF

The study focuses on the sceptical forms of thought and expression with which Hegel and Kierkegaard link the claim for absolute truth. With his 'self-completing scepticism' (Phenomenology of…

Sich verzehrender Skeptizismus

E-Book Sich verzehrender Skeptizismus
Läuterungen bei Hegel und Kierkegaard - Kierkegaard Studies. Monograph SeriesISSN 12 Format: PDF

The study focuses on the sceptical forms of thought and expression with which Hegel and Kierkegaard link the claim for absolute truth. With his 'self-completing scepticism' (Phenomenology of…

500 Jahre Theologie in Hamburg

E-Book 500 Jahre Theologie in Hamburg
Hamburg als Zentrum christlicher Theologie und Kultur zwischen Tradition und Zukunft. Mit einem Verzeichnis sämtlicher Promotionen der Theologischen Fakultät Hamburg - Arbeiten zur KirchengeschichteISSN 95 Format: PDF

This essay collection presents a multi-facetted overview of five centuries of cultural history and the history of Christianity in Hamburg; at the same time, it places local historical aspects…

Werner Elerts apologetisches Frühwerk

E-Book Werner Elerts apologetisches Frühwerk
- Theologische Bibliothek TöpelmannISSN 142 Format: PDF

This study opens up a hitherto neglected chapter in the history of theology that at the same time reconstructs exemplars of problem complexes and lines of argumentation which are of present-day…

Werner Elerts apologetisches Frühwerk

E-Book Werner Elerts apologetisches Frühwerk
- Theologische Bibliothek TöpelmannISSN 142 Format: PDF

This study opens up a hitherto neglected chapter in the history of theology that at the same time reconstructs exemplars of problem complexes and lines of argumentation which are of present-day…

Albrecht Ritschl: Vorlesung 'Theologische Ethik'

E-Book Albrecht Ritschl: Vorlesung 'Theologische Ethik'
Auf Grund des eigenhändigen Manuskripts - Arbeiten zur KirchengeschichteISSN 99 Format: PDF

This first published edition of his lectures on ethics reflects the theology of Albrecht Ritschl (1822-1889) at a time when he advanced to become the most significant Protestant theologian in…

Die Welt der Götterbilder

E-Book Die Welt der Götterbilder
- Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche WissenschaftISSN 376 Format: PDF

Divine images create their own world of theological reflection and religious practice. Pictorial representations have to reduce complexity, yet at the same time they create their own complexity.…

Die Welt der Götterbilder

E-Book Die Welt der Götterbilder
- Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche WissenschaftISSN 376 Format: PDF

Divine images create their own world of theological reflection and religious practice. Pictorial representations have to reduce complexity, yet at the same time they create their own complexity.…

Die Welt der Götterbilder

E-Book Die Welt der Götterbilder
- Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche WissenschaftISSN 376 Format: PDF

Divine images create their own world of theological reflection and religious practice. Pictorial representations have to reduce complexity, yet at the same time they create their own complexity.…

Weitere Zeitschriften

FESTIVAL Christmas

FESTIVAL Christmas

Fachzeitschriften für Weihnachtsartikel, Geschenke, Floristik, Papeterie und vieles mehr! FESTIVAL Christmas: Die erste und einzige internationale Weihnachts-Fachzeitschrift seit 1994 auf dem ...

Ärzte Zeitung

Ärzte Zeitung

Zielgruppe:  Niedergelassene Allgemeinmediziner, Praktiker und Internisten. Charakteristik:  Die Ärzte Zeitung liefert 3 x pro Woche bundesweit an niedergelassene Mediziner ...

AUTOCAD & Inventor Magazin

AUTOCAD & Inventor Magazin

FÜHREND - Das AUTOCAD & Inventor Magazin berichtet seinen Lesern seit 30 Jahren ausführlich über die Lösungsvielfalt der SoftwareLösungen des Herstellers Autodesk. Die Produkte gehören zu ...

BIELEFELD GEHT AUS

BIELEFELD GEHT AUS

Freizeit- und Gastronomieführer mit umfangreichem Serviceteil, mehr als 700 Tipps und Adressen für Tag- und Nachtschwärmer Bielefeld genießen Westfälisch und weltoffen – das zeichnet nicht ...

dental:spiegel

dental:spiegel

dental:spiegel - Das Magazin für das erfolgreiche Praxisteam. Der dental:spiegel gehört zu den Top 5 der reichweitenstärksten Fachzeitschriften für Zahnärzte in Deutschland (laut LA-DENT 2011 ...

DGIP-intern

DGIP-intern

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Individualpsychologie e.V. (DGIP) für ihre Mitglieder Die Mitglieder der DGIP erhalten viermal jährlich das Mitteilungsblatt „DGIP-intern“ ...

Euro am Sonntag

Euro am Sonntag

Deutschlands aktuelleste Finanz-Wochenzeitung Jede Woche neu bietet €uro am Sonntag Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den Themen Geldanlage und Vermögensaufbau. Auch komplexe Sachverhalte ...