Das bereits in Kapitel 2.2 erwähnte dynamische Wachstum nachhaltiger Geldanlagen wird im folgenden Kapitel näher untersucht und die rasante Entwicklung nachhaltiger Geldanlagen in verschiedenen Regionen mit Zahlen unterlegt. Darüber hinaus wird ein Überblick über die am Markt auftretenden Akteure gegeben. Untersuchungsgegenstand sind hier auf der einen Seite die Anbieter, also Kreditinstitute und Finanzdienstleister, sowie auf der anderen Seite die Investoren, die Nachfrager für nachhaltige Geldanlagen.
Aufgrund des enormen Wachstums nachhaltiger Geldanlagen und des damit verbundenen Interesses existieren mittlerweile zahlreiche Erhebungen über den
Markt nachhaltiger Investments.[78] Trotz des vielfältigen Angebots bleibt die Schwierigkeit, aktuelle und verlässliche Zahlen zu finden.[79] Die kursierenden Zahlen weisen teilweise erhebliche Differenzen auf, die meist auf den unterschiedlichen Umfang der einbezogenen Produktkategorien sowie die unklare Zuordnung der Investitionsvolumen einzelner Länder zurückzuführen sind.[80] Dennoch lassen sich klare Tendenzen und Aufteilungen hinsichtlich der einzelnen Märkte und Marktkategorien ableiten, wie die folgenden Ausführungen und Abbildungen zeigen werden.
Da die verschiedenen internationalen Dachverbände nachhaltiger Geldanlagen unabhängig voneinander agieren und bisweilen noch keine gemeinsame Koordination stattfand, beziehen sich die folgenden Zahlen auf unterschiedliche Zeitpunkte und Grundgesamtheiten.[81]
Abb. 4: ,Volumen des nachhaltig investierten Kapitals in Regionen'[82]
Schätzungen zufolge sind demnach global ca. 5.000 Milliarden Euro (oder 7%) des Gesamtvolumens an Kapitalanlagen unter Berücksichtigung von sozialen und/ oder ökologischen Gesichtspunkten investiert. Allerdings unterscheiden sich die Marktanteile in den einzelnen Ländern teilweise signifikant.
„Nearly one out of every nine dollars under professional management in theUnited States today (...) is involved in socially responsible investing[83]. Die Vereinigten Staaten von Amerika nehmen seit dem frühen Bestehen die Vorreiterrolle bei nachhaltigen Investments ein. Diese Entwicklung wird deutlich, wenn man sich die Zuwächse des gesamten investierten Kapitals in Socially Responsible Investments in den letzten 15 Jahren vor Augen führt:
Abb. 5: ,Entwicklung des Socially Responsible Investing in den USA 1995 - 2009'[84]
Die kurzzeitigen Rückgänge von 2001 auf 2003 und von 2007 auf 2009 sind auf die jeweiligen Krisen an den Börsen zurückzuführen. Von Bedeutung bei der Analyse der Entwicklung ist die Tatsache, dass in den USA teilweise andere Methoden bei der Berechnung des gesamten nachhaltig investierten Kapitals zugrunde liegen. Demnach zählen drei Bereiche zum Spektrum nachhaltigen Investierens:[85]
Zum einen die konventionelle Anlageform (,Social Screening') mittels Positivbzw. Negativ-Selektion (siehe dazu auch Kapitel 4.2.1 und 4.2.2 Aktiver und passiver Ansatz) wie z.B. Fonds, die sowohl institutionelle wie auch private Anleger nutzen. Diese Klasse macht mit knapp 2 Billionen Dollar ca. 73,5% des gesamten Kapitals aus, wobei der Großteil auf institutionelle Investoren und auf sog. ,high-net-worth individual clients', also sehr vermögende Privatkunden und Familien, zurückzuführen ist.
Die zweite Kategorie, die unter den Begriff Socially Responsible Investment fällt, ist die des ,Shareholder Advocacy', das aktive Aktionärstum, das bereits im Kapitel 2.2 erwähnt wurde. Die Anteilseigner amerikanischer Firmen versuchen durch aktive Wahrnehmung ihres Mitspracherechtes Ausdruck Einfluss auf die Geschäftspolitik des Unternehmens zu nehmen und das Management zu verantwortlicher und ökologischer Unternehmensführung zu bringen. Die numerischen Auswirkungen sind nicht exakt zu beziffern, machen laut Studie aber ca. 26% des Gesamtanteils aus.
Die dritte Klasse, die im europäischen Raum bislang kaum in Erscheinung getreten ist, nennt sich ,Community Investing'. Hierbei werden einzelne Kommunen von interessierten Investoren finanziell unterstützt und dabei von professionellen Finanzinstituten überwacht. Mit dem zur Verfügung gestellten Geld können einzelne Projekte gefördert werden, für die normalerweise kein Geld vorhanden wäre. Ähnlich dem System von Mikrokrediten wird somit der Start von kleinen Geschäftsideen oder lokalen wirtschaftlichen Organisationen ermöglicht und der Kredit über deren erwirtschaftete Erträge zurückgeführt. Diese Form des nachhaltigen Investierens macht lediglich knapp 1% des Gesamtanteils aus, ist jedoch der Bereich mit den größten Zuwachsraten im Segment der Socially Responsible Investments (SRI). Waren 2005 gerade einmal 4 Milliarden USD in Communities investiert, stiegen diese bis Ende 2007 schon auf 25,8 Mrd. USD.[86]
Trotz des kürzlich ökonomischen Abschwungs nachhaltiger Geldanlagen in den USA ebenso wie in anderen Teilen der Erde, hervorgerufen durch die Finanzmarktkrise, bleiben nachhaltige Finanzprodukte mit ca. 10% weiterhin ein fester Bestandteil des gesamten Anlagemarktes in den Vereinigten Staaten. Der positive Trend der letzten Jahre wird Prognosen zufolge auch künftig anhalten, unterstützt durch einen gesteigertes öffentliches und mediales Interesse an Umweltfragen und einem jetzt schon boomenden Markt für EE.
Während sich nachhaltige Investments in den USA bereits großer Popularität erfreuen und auf kontinuierliche Wachstumsraten zurückblicken können, stellt sich die Lage in Europa differenzierter dar. Obwohl der Euro-Raum gerne als einheitlicher und nach dem US-Markt als zweitgrößter Finanzraum weltweit betrachtet wird, ergeben sich innerhalb der einzelnen Länder große Divergenzen, was Marktanteile und Wachstumsraten betrifft. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Entwicklung der nachhaltigen Publikumsfonds[87] in Gesamteuropa:
Abb. 6: ,Entwicklung Anzahl und Volumen nachhaltiger Publikumsfonds in Europa 1999 - 2009'[88]
Wie die Abbildung deutlich macht, weist auch Europa konstante Wachstumsraten auf, die ähnlich wie in den USA nur durch die Börsencrashs von 2003 und 2000 kurzzeitige Rückschläge erleiden mussten. Mit 603 zugelassenen Fonds und einem Volumen von über 53 Mrd. Euro wurden am 30.06.2009 wieder neue historische Höchststände erreicht.[89] Die obige Abbildung spiegelt jedoch nur die Nachfrage der privaten Investoren, der sog. Retail SRI Investors, wider. Diese sind EU-weit jedoch nur für knapp 6% der gesamten SRI-Gelder verantwortlich, den Hauptanteil machen nach wie vor die institutionellen Anleger aus (94%).[90] Bezieht man neben den privaten auchGegenwärtige Marktanalyse und Akteure | 25noch die institutionellen Investoren mit ein, so ergibt sich zum 01.01.2008[91] ein Gesamtvolumen der in nachhaltigen Anlagen investierten Gelder von 2.665 Mrd. Euro. Diese Summe entspricht einem Marktanteil von 17,6%. Mehr als jeder sechste Euro bezogen auf das Gesamtanlagekapital in der EU ist also in nachhaltigen Geldern investiert.[92] Die Entwicklung der gesamten (privat und institutionell) auf Nachhaltigkeitsziele ausgerichteten Gelder verlief in etwa parallel zu der der Publikumsfonds. Von diesen 17,6% waren knapp über 3% im engeren Sinne nachhaltig investiert, was die Anwendung strenger Ansätze wie z.B. Best-in-class-Ratings (siehe dazu Kap. 4.2.3 Best-in-class-Ansatz) zur Bedingung macht.[93] Die übrigen etwa 14% arbeiteten mit einfacheren Ansätzen wie Ausschlusskriterien und berücksichtigten Nachhaltigkeit im erweiterten Kontext.
Von den 2.665 Mrd. Euro waren ca. 50% in der Anlageklasse ,Equity' investiert, also Beteiligungen, aber auch Aktien. Knapp 40% fiel unter die Kategorie ,Bonds',- festverzinsliche Wertpapiere, sowohl von Staaten wie auch von einzelnen Unternehmen emittiert. Die restlichen 10% sind ,Other Assets' zuzuordnen, wie z.B. Immobilien aber auch Lebensversicherungen oder alternativen Produkten wie Mikrofinanzierungen usw.[94]
Betrachtet man nun konkret einzelne Regionen, stellt man im Kontext zum europäischen Raum erstaunliche Unterschiede fest. Obwohl Deutschland weltweit eine der Vorreiterrollen im Bereich Umwelt- und Klimaschutztechnologien einnimmt, belief sich das Volumen der nachhaltig angelegten Gelder zur Jahresende 2009 auf lediglich 30,00 Mrd. Euro (zu Jahresmitte 2009 betrug das Volumen 22,5 Mrd. Euro, Ende 2000 10,26 Mrd. Euro und Ende 2007 20,2 Mrd. Euro). Dies entspricht nur knapp 1% des Gesamtanlagekapitals.[95]
Der gesamte deutschsprachige Raum[96], inklusive Österreich und der Schweiz, weist einen Anteil von 1,2% am gesamten Volumen nachhaltiger Assets in Europa auf, wobei die Schweiz mit 2,0% noch den größten Anteil zu verzeichnen hat.[97] Trotz der dynamischen Wachstumsraten in...