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Nachhaltigkeit und Transition: Politik und Akteure. Transition écologique et durabilité: Politiques et acteurs

Sozio-ökologische Transformation aus deutsch-französischer Perspektive. Regards franco-allemand sur le changement socio-écologique

VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl405 Seiten
ISBN9783593437095
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis35,99 EUR
Hervorgegangen aus dem Forschungsprojekt 'Saisir l'Europe - Europa als Herausforderung' versammeln diese Bände Beiträge in deutscher und französischer Sprache zu Konzepten der Nachhaltigkeit und der ökologischen Transition. Im Zentrum des ersten Bandes stehen ethische und epistemologische Fragen: Wie und für wen soll Nachhaltigkeit gestaltet werden? Wie sollen dabei die natürlichen Grenzen des Planeten und die Phänomene des Anthropozäns berücksichtigt werden? Außerdem wird diskutiert, wie diese Konzepte in verschiedenen Disziplinen - Geschichte, Soziologie, Geografie - reflektiert werden. Der zweite Band umfasst Analysen politischer, ökonomischer und sozialer Fragen, die bei der Formulierung und Umsetzung von Zielen des Umweltschutzes, der Nachhaltigkeit und der ökologischen Transition eine zentrale Rolle spielen. Hier werden auch wichtige Akteure, ihre Initiativen und Praktiken vorgestellt.

Rosa Sierra ist Philosophin. Anahita Grisoni ist Soziologin. Sie leiten zusammen die Forschungsgruppe »Nachhaltigkeit« im Netzwerk »Saisir l'Europe - Europa als Herausforderung«.

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Leseprobe
Vorwort Europa steht heute vor Herausforderungen, die von vielen Zeitgenossen als historisch einzigartig betrachtet werden. Die Finanzkrise nach 2008 hat das Vertrauen in die Handlungsmacht der europäischen Institutionen wie in den Zusammenhalt der europäischen Staaten erschüttert; der gesellschaftliche und politische Umgang mit den Formen und Folgen intensivierter Migration sowie schließlich das Erstarken populistischer Bewegungen haben das Projekt der europäischen Integration in eine tiefe Repräsentations- und Legitimationskrise geraten lassen. Davon sind die Geistes- und Sozialwissenschaften nicht unberührt geblieben. Hatten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gerade aus diesen Fächern lange Zeit fortschreitende Europäisierung als Gewissheit angenommen und in ihren Forschungen die gedankliche Ordnung Europas sowie das Voranschreiten der Einigung nicht hinterfragt, so sehen auch sie sich heute neuen Herausforderungen gegenüber. Sind ihre Annahmen wachsender Verflechtung, ' immer engerer Union ' (wie es im Vertrag von Maastricht heißt) und einer entstehenden gemeinsamen europäischen Identität tatsächlich richtig? Der vorliegende Band ist Teil einer Reihe, die aus dem Projekt ' Saisir l'Europe - Europa als Herausforderung ' hervorgegangen ist. In diesem Projekt haben von 2012 bis 2017 sieben französische und deutsche Forschungsinstitutionen in einem Verbund zusammengearbeitet: die Humboldt-Universität zu Berlin, die Goethe-Universität Frankfurt, das Centre Marc Bloch in Berlin, das Centre interdisciplinaire d'études et de recherches sur l'Allemagne (CIERA), das Institut franco-allemand de sciences historiques et sociales in Frankfurt, das Deutsche Historische Institut Paris und die Fondation Maison des sciences de l'homme Paris. Darüber hinaus haben auch zahlreiche Partner-Institutionen in Frankreich und Deutschland mitgewirkt. Thematisch geht es in dem Vorhaben um einen neuen Zugriff auf die drängenden Probleme Europas. Dabei sind wir nicht von den politischen Fragestellungen des ins Stocken geratenen Einigungsprozesses ausgegangen. Vielmehr haben wir uns entschlossen, drei zentrale Themen aufzugreifen, mit denen derzeit die Gesellschaften Europas konfrontiert sind und deren Behandlung für die Zukunft des Kontinents von entscheidender Bedeutung ist: die Entwicklung des Sozialstaats und der sozialen Sicherung, die Frage der Nachhaltigkeit mit ihren Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Lebensform, schließlich die Probleme der Gewalt und Gewaltanwendung insbesondere in Ballungsräumen und städtischen Zentren. Zu jedem dieser drei Themen hat sich eine Forschungsgruppe konstituiert, die im Wesentlichen selbständig gearbeitet, zugleich aber die Querverbindungen zu den beiden anderen Gruppen gepflegt hat. Die konkrete Arbeit der drei Gruppen wurde jeweils von einem Tandem aus einem deutschen und einem französischen Postdoc geleitet, die auf diese Weise auch einen wesentlichen Anteil an der Ausbildung der Doktoranden geleistet haben. Das Projekt zeichnet sich durch eine Reihe von Merkmalen aus, deren Bündelung es von klassischen Forschungsvorhaben in den Geistes- und Sozialwissenschaften abhebt. Dazu gehören unter anderem: die durchgehende Mischung der Generationen von Doktoranden, Postdoktoranden und Senior Researchers, die durchgehende Kombination von Interdisziplinarität und Internationalität, die Verbindung von Forschung und Forschungsausbildung sowie die dichte Vernetzung von im deutsch-französischen Feld aktiven wissenschaftlichen Einrichtungen, die bisher noch nie so eng miteinander kooperiert haben. Für ein solches, auf fünf Jahre veranschlagtes Forschungsnetzwerk von dieser Größenordnung (insgesamt über 60 beteiligte Wissenschaftler) gab es in der deutschen und der französischen Forschungslandschaft keine einschlägigen Förderungsträger. Deshalb haben sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Ministère de l'enseignement supérieur et de la recherche zu einer Grundfinanzierung entschlossen, für die ihnen großer Dank geschuldet ist. Die beteiligten Institutionen haben ihrerseits eigene Mittel bereitgestellt. Weitere Mittel zur Durchführung der Gruppenarbeit konnten bei der Deutsch-französischen Hochschule eingeworben werden, der wir ebenfalls zu Dank verpflichtet sind. Der deutsch-französische Kern des Projekts ist kein Selbstzweck. Er funktioniert als Ausgangspunkt und erster Schritt zur Internationalisierung, vor allem für die Jüngeren unter den beteiligten Wissenschaftlern, zu denen im Übrigen auch Doktoranden und Postdoktoranden aus anderen Ländern wie Großbritannien und Italien oder aus Lateinamerika gehören. Internationalisierung bedeutet hier nicht nur Mehrsprachigkeit, sondern auch Kenntnis verschiedener akademischer Kulturen, Sensibilität für die Pluralität der methodischen Ansätze und vor allem reflexiver Umgang mit den eigenen Ausgangspositionen und mit den spezifischen disziplinären Vorgaben. Für alle diese notwendigen Ingredienzien gelungener Internationalisierung von europäischen Geistes- und Sozialwissenschaften - das hat sich auch wieder bei ' Saisir l'Europe - Europa als Herausforderung ' bestätigt - ist die deutsch-französische Konstellation ein besonders fruchtbares Feld. Die Arbeit an den analytischen Kategorien, die Auseinandersetzung mit der historischen Dimension des Zugangs auch zu aktuellen Fragen, schließlich die politischen Referenzen der Europa-Diskussionen erscheinen im deutsch-französischen Prisma in einprägsamer Schärfe, auch und gerade dann, wenn andere Positionen mitgedacht werden müssen. Europäische Forschung ist, das zeigt auch ' Saisir l'Europe - Europa als Herausforderung ', ein Polylog, der auf einem dialogischen Prinzip aufbaut. Das soll in den Bänden dieser Reihe exemplarisch vorgeführt werden. Gabriele Metzler und Michael Werner Sprecher des Forschungsnetzwerks ' Saisir l'Europe - Europa als Herausforderung ' Préface Pour nombre de contemporains, l'Europe fait aujourd'hui face à des défis sans précédent. La crise financière déclenchée en 2008 a porté atteinte à la confiance dans la capacité d'action des institutions européennes comme dans la cohésion des États de l'Europe. Les réactions, tant du point de vue de la sphère sociale que du monde politique, face à l'accroissement des flux migratoires, réfugiés économiques ou politiques, travailleurs détachés, ainsi que le renforcement des mouvements populistes ont plongé le projet d'intégration européenne dans une crise profonde qui concerne à la fois les processus de représentation et la légitimation démocratique. Les sciences humaines et sociales n'ont pas pu se tenir à l'écart de cette crise. Alors que les chercheurs issus de ces disciplines ont pendant longtemps considéré le processus d'européanisation comme allant de soi et que leurs travaux n'ont interrogé ni les soubassements de l'architecture intellectuelle de la construction européenne ni les modalités d'avancement du chantier, ils se retrouvent aujourd'hui face à des défis inattendus. Leurs hypothèses sur des interpénétrations croissantes, sur une ' union toujours plus étroite ', comme il est écrit dans le traité de Maastricht, sur l'éclosion d'une identité européenne commune se sont-elles effondrées ? Le présent volume s'intègre dans une série qui réunit les travaux issus du projet ' Saisir l'Europe - Europa als Herausforderung '. De 2012 à 2017, ce projet a rassemblé au sein d'un réseau sept institutions d'enseignement supérieur et de recherche françaises et allemandes : la Humboldt-Universität de Berlin, la Goethe-Universität à Francfort/Main, le Centre Marc Bloch à Berlin, le Centre interdisciplinaire d'études et de recherches sur l'Allemagne (CIERA), l'Institut franco-allemand de sciences historiques et sociales à Francfort/Main, l'Institut historique allemand de Paris, et la Fondation Maison des sciences de l'homme Paris. D'autres institutions partenaires en France et en Allemagne ont également été associées au projet. Le projet vise à aborder à nouveaux frais des questions considérées comme cruciales pour la compréhension de l'Europe. Nous ne sommes pas partis des questions d'ordre politique que soulevaient les blocages du processus d'intégration européenne. Bien au contraire, nous avons identifié trois thématiques centrales auxquelles sont confrontées les sociétés européennes et qui nous apparaissent déterminantes pour le futur du continent européen. Il s'agit de l'évolution de l'État social et de la protection sociale, de la question du développement durable et de ses conséquences sur la société, l'économie et les modes de vie, et enfin des violences urbaines, dans les centres et les périphéries des métropoles. Autour de ces thèmes se sont constitués trois groupes de recherche, travaillant à la fois principalement de manière autonome mais également de manière transversale en établissant des ponts entre eux. Le travail concret au sein de chacun de ces trois groupes était piloté par un binôme de chercheurs post-doctorants français et allemand, contribuant ainsi fortement à la formation des doctorants. Le projet se distingue d'autres projets plus classiques en sciences de l'homme et de la société par un faisceau de particularités. On peut citer, entre autres, la cohabitation étroite entre différentes générations de chercheurs, doctorants, post-doctorants et chercheurs confirmés, la combinaison constante entre interdisciplinarité et internationalisation, la mise en relation entre recherche et formation à la recherche, la mise en réseau resserrée de différents établissements d'enseignement supérieur et de recherche actifs dans le champ franco-allemand, qui n'auront jamais coopéré de manière aussi intense jusqu'à présent. Un projet d'une telle ampleur, il réunit environ soixante chercheurs, tous niveaux confondus, inscrit dans une durée de cinq ans, n'entrait dans aucun programme de soutien à la recherche prédéfini, ni en France ni en Allemagne. C'est pourquoi le Bundesministerium für Bildung und Forschung et le Ministère de l'enseignement supérieur et de la recherche ont pris la décision de soutenir financièrement le projet, et nous leur en sommes infiniment reconnaissants. Les institutions impliquées dans le réseau ont également apporté leur contribution en mobilisant des ressources propres. Enfin, l'Université franco-allemande a rendu possible différentes manifestations scientifiques du réseau pendant toute la durée du projet. Nous lui exprimons ici toute notre gratitude. Le noyau franco-allemand du projet n'est ni une fin en soi ni un horizon, mais bel et bien au contraire le fondement et la première étape d'une internationalisation, en premier lieu pour les plus jeunes des chercheurs impliqués dans le réseau, parmi lesquels se trouvent également des doctorants et post-doctorants venant de Grande-Bretagne, d'Italie et d'Amérique du Sud. L'internationalisation ne se réduit pas ici simplement à la pratique de plusieurs langues, mais elle permet l'apprentissage de différentes cultures scientifiques et développe une sensibilité pour une pluralité d'approches méthodologiques et, surtout, promeut un retour réflexif sur les propres présupposés scientifiques et disciplinaires des participants. La constellation franco-allemande offre un terrain particulièrement fructueux pour faire éclore tous les ingrédients nécessaires à une internationalisation réussie des sciences humaines et sociales européennes, - ' Saisir l'Europe - Europa als Herausforderung ' en porte un témoignage parlant. Le travail sur les catégories analytiques, la réflexion sur la dimension historique de l'accès aux questions contemporaines, enfin les présupposés politiques des discours sur l'Europe apparaissent à travers le prisme franco-allemand dans toute leur acuité, et ce d'autant plus que d'autres points de vue entrent en ligne de compte. La recherche sur l'Europe, et c'est ce que montre ' Saisir l'Europe - Europa als Herausforderung ', s'apparente à une polyphonie qui repose sur un principe dialogique. C'est que nous avons tenté de démontrer dans cette série. Gabriele Metzler et Michael Werner Responsables du réseau de recherche ' Saisir l'Europe - Europa als Herausforderung ' Einleitung 1. Ökologische Transition im Dialog mit nachhaltiger Entwicklung Die beiden Konzepte' nachhaltige Entwicklung ' und ' Transition ' folgen einander in der Geschichte der Prinzipien, der öffentlichen Politik und des Kampfes um Umweltschutz. Während ersteres sich Ende der 1980er Jahre im internationalen Sprachgebrauch durchgesetzt hat und dort noch immer vorherrschend ist, taucht letzteres gegen 2000 herum als Kampfbegriff auf. Wie andere Konzepte, so wie ' Resilienz ' oder ' Anthropozän ', besitzen ' nachhaltige Entwicklung ' und ' ökologische Transition ' vor allem eine normative Dimension, die das Ziel impliziert, den Lauf der Geschichte hin zu einer höheren Berücksichtigung der ' ökologischen Krise ' leicht zu ändern. Diese grundlegende Feststellung ermöglicht es, Phänomene anzugehen, die mit dem Klimawandel, dem Schwinden der Biodiversität, der Verringerung der Ressourcen, der Luft- und Wasserverschmutzung zusammenhängen. Die Zusammensetzung der ' Umweltkonzeptlehren ' besteht ihrerseits aus mehreren Begriffsbedeutungen: nachhaltige Entwicklung, Nachhaltigkeit oder eben Zukunftsfähigkeit; Transition in Bezug auf Energie, Ökologie oder im Hinblick auf Nachhaltigkeit; Anthropozän oder Kapitalozän. Die Konzepte stellen vor große Herausforderungen hinsichtlich der Definitionen, Messmethoden und dem Verhältnis zu dem, was vorher oder woanders gemacht wurde, sowie hinsichtlich eines produktiven Dialogs mit einer Geschichte, die um die Entwicklung langfristiger Konzepte bestrebt ist. Vor dem Hintergrund der Europäischen Union ist der Fall der europäischen Verkehrspolitik ein aussagekräftiges Beispiel, an das sich besonders gut nachfolgende Überlegungen anknüpfen lassen. Aufgrund welcher Kriterien und in Bezug auf was genau kann ein Verkehrsmittel als ' nachhaltiger ' als ein anderes erachtet werden? Gibt es Energien, die die Treibhausgase wirklich nicht auf die eine oder andere Art doch begünstigen? Zwischen politischer Werbung und wissenschaftlichen Arbeiten sprechen die unterschiedlichen Akteursgruppen mit unterschiedlichen Stimmen, die oftmals voneinander abweichen und manchmal in entgegengesetzte Richtungen laufen. Sehr häufig geht es in der Diskussion um die Wissenschaftlichkeit der erhobenen Kriterien; nun weisen all diese technischen Argumente häufig auf ideologische Trennlinien, ja sogar auf abweichende Weltbilder hin. So ist beispielsweise für den Umweltökonomen David Hoyos in Bezug auf umweltschädliche Gase nichts wirtschaftlicher als der komplette Baustopp von Hochgeschwindigkeitstrassen, denn wenn auch der Betrieb der Züge die Abgase reduzieren vermag, indem fossile Energien durch Elektrizität - sehr oft nuklearen Ursprungs - ersetzt werden, so bleiben Bau und Unterhaltung der Infrastruktur, bevor sie genutzt werden kann, sehr energieaufwendig. Dennoch scheint die Verkehrspolitik der Europäischen Union, die zu Lasten des Straßenverkehrs den intermodalen Verkehr und den Schienenverkehr unterstützt, einer anderen Logik zu folgen, die vor allem der Anforderung nach Verkehrsfluss, Wettbewerbsfähigkeit und Polyzentrismus nachkommt. Die ' Nachhaltigkeit ', wie sie hier stark gemacht wird, hätte demnach zum Ziel, ' den Bedürfnissen der Gegenwart zu entsprechen, ohne die der zukünftigen Generationen zu gefährden '. Dementsprechend werden die nachhaltigen Transportmittel so konzipiert, dass sie die Bürger der Europäischen Union noch besser und schneller miteinander vernetzen können. Unter diesem Blickwinkel kann der Rückgriff auf intergenerationelle Gerechtigkeit wie eine Taktik erscheinen, um aktuelle Problematiken sozialer und ökologischer Gerechtigkeit im Kontext der Union zu verdrängen: Sei es im Hinblick auf die Migrationspolitik, die den Tod von tausenden von Personen verursacht, oder auf die rasant fortschreitende Armut und den Anstieg der öffentlichen Verschuldung vor dem Hintergrund der schwindenden Sozialstaaten. Ob man diese Begriffe als Ausprägungen eines Traditionalismus versteht, der sich mit den Anforderungen des aktuellen Modells verbindet oder ob man sie im Gegenteil als Fortschritt versteht, in jedem Fall stellt sich an diesem Wendepunkt die Frage nach der Richtung der Geschichte und offenbart seinen Entstehungszusammenhang. Vor dem ideologischen Hintergrund der nachhaltigen Entwicklung entstanden, geht das Konzept der Transition sowohl über den Rahmen der damit bezeichneten öffentlichen Politik als auch über die Bewegung der Transition Towns, die von der gleichnamigen Bewegung eingesetzt wurde, hinaus. Der zweite Band des Werks Nachhaltigkeit und Transition, der sich der Politik und den Akteuren widmet, hat das Ziel, die vielfältigen und mehrdeutigen Sinnzuschreibungen dieser Konzepte und die Art, wie sich die Praktiken der Transition innerhalb und gegen die nachhaltige Entwicklung herausbilden, unter Berücksichtigung der Schnittstellen zwischen den beiden, allgemein unter Berücksichtigung des politischen und sozialen Kontextes, zu beleuchten. Mit Kontext ist vor allem die Europäische Union gemeint, wobei ein besonderes Augenmerk auf den Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich gelegt wird. Der Beitrag von Laurent Coumel und Michel Dupuy erlaubt eine historisch tiefgehende Reflexion über die Ökologie im Kontext des Ostblocks. Die europäische Dimension setzt Nachhaltigkeit und Transition in den Rahmen internationaler und regionaler Prinzipien wie das des Freihandels; und stellt sie anderen supranationalen oder nationalen öffentlichen Politiken sowie den Strategien der Gebietskörperschaften gegenüber. Die Arbeiten von Anaïs Volin und Anahita Grisoni, in denen es jeweils um den Ausbau des Stuttgarter Bahnhofs und um den Bau einer Bahnlinie zwischen Lyon und Turin geht, öffnen den Blick auf die sich überlagernden territorialen Maßstäbe - im Falle des Bauprojekts in Baden-Württemberg die der Stadt, des Bundeslands, der Bundesrepublik, Europas; im Falle der Trasse Lyon-Turin die der Region, der Metropole, der Nationen und der Europäischen Union. Dieser Kontext ist ebenfalls juristischer Natur, eingefasst durch die nationale Gesetzgebung unterstützt und beschränkt er die Entwicklungen des Sozialen: so beispielsweise das Gesetz zur Energiewende für das grüne Wachstum, das im August 2014 von Umweltministerin Ségolène Royale erlassen wurde. Dieses Gesetz wird von Sophie Némoz und Benoit Granier als Mittel dargestellt, das die technischen und ökonomischen Instrumente einer von politischer Auffassung ausgehöhlten Transition hervorhebt. Schließlich klärt uns dieser Kontext darüber auf, wie Nachhaltigkeit und ökologische Transition als Auffassung von Zeit ihren Platz in der heutigen Gesellschaft finden können, und fördert die Brüche und Kontinuitäten zu Tage, die von dieser Wende verursacht werden. In diesem Zusammenhang kann die Transition als Moment in den Blick genommen werden, der von einem stabilen Zustand zu einem anderen stabilen Zustand übergeht, den Übergang zu einer anderen Art der ' Regierung der Stadt ' wie es Florence Rudolf verdeutlicht, indem sie das Beispiel des Aufstands in Ägypten im Januar 2011 untersucht. Ein mehr oder weniger gewaltsames Moment, das den Wandel herbeiführt. Manche Forscher wie Philippe Corcuff fassen diese Entwicklung unter dem Begriff des ' Postkapitalismus ' zusammen, was als wünschenswerte Zukunft gesetzt wird, aber nicht zwangsläufig positiv sein muss. So die Bewegung der ' transitionneurs ', die besonders auf Kohlenstoffhöchstwerte achtet und die davon ausgeht, dass die Gesellschaft bereits die Apokalypse hinter sich hat und die jetzige Welt die der notwendigen Resilienz ist. In seinem Artikel untersucht Philippe Pelletier aus einem anderen Blickwinkel die Entstehungsbedingungen des Club of Rome, den er als Antriebselement des Interessensverbands zugunsten der Nuklearenergie und zu Lasten der fossilen Energien darstellt. Die Positionierung der Akteure dieses sehr exklusiven Clubs im politischen Feld vermag jedoch sowohl im Hinblick auf Ökologie oder ökologische Transition, auf nachhaltige Entwicklung oder Zukunftsfähigkeit - und das wäre auch ein Anachronismus - als auch im Hinblick auf den sich seitdem in einer neoliberalen Phase befindlichen Kapitalismus keine Erklärung liefern. Dadurch werden jedoch zwei Arten, die Ökologie zu betrachten, einander gegenübergestellt, wobei dieser historische Wettbewerb von den Trägern der ' ökologischen Modernisierung ' gewonnen wird. In diesem Zusammenhang ist der Erfolg des Club of Rome vor allem einer der Industrie und zeigt, in welchem Ausmaß sich der Wandel gegen und in Bezug auf die lange Geschichte des Kapitalismus vollzieht. Auch wenn die Frage der Produktionsmodi und der Klassenkonflikte nicht immer eine zentrale Stellung im Diskurs und in den wissenschaftlichen Analysen einnimmt, bedingt sie seit Beginn des industriellen Zeitalters die Ausbeutung der Ressourcen wie die der Menschen durch einen tiefgreifenden Wandel im klassischen Zusammenspiel von Natur und Kultur. Für Alice Canabate wirkt die Wirtschaftskrise 2008 wie ein Wendemoment, was ein kritisches, die Legitimität des neoliberalen Modells in Frage stellendes Denken für die Zeit nach der Krise unumgänglich macht.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort10
Préface14
Einleitung18
Introduction30
Teil 1 – Politische Wege der ökologischen Transition – Partie 1 – Transition écologique et sens politiques42
Die Commons und das gemeinsame Erbe der Menschheit: Wünschenswerte Alternativen im Umgang mit natürlichen Ressourcen? – Eva Weiler44
Umweltschutz – Nachhaltigkeit – Transformation: Anmerkungen zur Entwicklung der deutschen zivilgesellschaftlichen Umweltorganisationen – Franziska Sperfeld, Michael Zschiesche72
Brève histoire d’une transition écologiste : l’instauration du capitalisme vert entre idéologie et gouvernance – Philippe Pelletier104
Les chemins de l’écologie politique – écologisme et grandes idées politiques – Fabrice Flipo120
L’écologisme anticapitaliste au défi du pluralisme anarchiste – Philippe Corcuff144
De la transition écologique à l’écosocialisme autogestionnaire – Thierry Brugvin168
Teil 2 – Die Transition aus staatlicher Sicht – Partie 2 – La transition au prisme de l’État190
Les services écosystémiques en renfort de la marchandisation de la nature ? – Catherine Aubertin, Denis Couvet, Fabrice Flipo192
Les chemins de la transition via les réseaux électriques « intelligents » : le politique à l’épreuve du « smart » – Sophie Némoz, Benoit Granier216
Les trois écologies à l’Est. Quel tournant environnemental en RDA et en URSS ? – Laurent Coumel, Michel Dupuy230
Des solutions fondées sur la nature … et sur les citoyens ? – Denis Couvet, Frédéric Ducarme254
L’aménagement des territoires par les transports durables : le défi européen de la grande vitesse ferroviaire – Anaïs Volin270
Teil 3 – Teilnehmen, protestieren, sich engagieren : Materielle Praktiken der ökologischen Transition – Partie 3 – Participer, protester, s’engager: pratiques matérielles de la transition écologique294
Le citoyen dans la transition écologique – Lydie Laigle296
Wege zu mehr Chancengleichheit und Lebensqualität im Dortmunder – Hafengebiet aus der Perspektive des Umweltgerechtigkeitsdiskurses – Susanne Börner314
Ressourcenschonung im partizipativen Dialog – Silke Domasch332
Au-delà du consom’acteur, les circuits-courts alimentaires alternatifs comme symboliques d’appartenances sociales – Gabriel Montrieux350
Le local émancipatoire et propositionnel : l’exemple de la Coopérative Intégrale – CatalaneAlice Canabate364
Les écologies contestataires contre le développement durable ? Le mouvement No TAV sur l’espace public oppositionnel en Italie – Anahita Grisoni378
Autorenverzeichnis/Index des auteurs400

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