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Napoleon und Bayern

Eine Königskrone und ihr Preis

AutorMarcus Junkelmann
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783791760438
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
'Am Anfang war Napoleon' - auch in Bayern. 'Das Königreich Bayern war die logischste und dauerhafteste Schöpfung, die vom napoleonischen Deutschland geblieben ist. Nirgendwo ist der Einfluss des neuen aus Frankreich wehenden Geistes ... auf so ... bereit-willige Zusammenarbeit gestoßen' (M. Dunan). In der Tat hatte Napoleon ein besonderes Interesse an Bayern. Von seinen Gnaden wurde es Königreich. Das moderne Bayern entstand in fast allen Bereichen von Staat und Gesellschaft. Auch erhielt es ein vergrößertes Territorium, das bis heute Bestand hat. Der Autor, hervorragender Kenner der bayerischen Landesgeschichte und Napoleonzeit, schildert eindrucksvoll ein dramatisches Kapitel europäischer Geschichte sowie Höhen und Tiefen der bayerischen Diplomatie. Zeitgenössische Bilder und Karten veranschaulichen die Darstellung. Mit einem Vorwort von Hans Michael Körner.

Marcus Junkelmann, Dr. phil., geb. 1949, ist Militärhistoriker, freischaffender Experimentalarchäologe und (Landes-)historiker.

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Leseprobe

Schatten der Vergangenheit


Die Regierung Kaiser Ludwigs des Bayern ausgenommen (reg. 1314/1318–1347), konnten sich die Wittelsbacher auf Reichsebene nie gegen die Beherrscher des erst 1156 von Bayern abgetrennten Österreich durchsetzen. Es verfestigte sich so das Gefühl, Land und Dynastie würden um den ihnen nach Alter und Rang zustehenden Platz im europäischen Mächtesystem betrogen. Im ausgehenden Mittelalter waren es aber vor allem die Wittelsbacher selbst, die sich in inneren Konflikten aufrieben und sich damit als ernsthafte Gegenspieler ausschalteten, bis im 16. Jahrhundert die Habsburger im Zenit ihrer Macht standen und den bayerischen Herzögen kaum anderes blieb als murrende, gelegentlich von versteckter Opposition begleitete Gefolgschaft. Gerade in den Wirren von Reformation und Gegenreformation waren die beiden vielfach miteinander verschwägerten Dynastien als einzige schlagkräftige katholische Protagonisten, die es im Reich noch gab, auf gegenseitige Unterstützung angewiesen. Der konfessionspolitische Sachzwang war auch ausschlaggebend dafür, daß Herzog Maximilian I. (reg. 1597/1598–1651) bei Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges dem ums Überleben kämpfenden habsburgischen Konkurrenten zum Sieg über die ständisch-protestantische Opposition verhalf. Der dem Herzog und seinem kaiserlichen Vetter gemeinsame gegenreformatorische Eifer lenkte die bayerische Stoßrichtung gegen die protestantischen Pfälzischen Wittelsbacher, denen Maximilian die Kurwürde und die Oberpfalz entriß. Trotz der engen Zusammenarbeit mit Habsburg ging die Annäherung an die aufstrebende französische Monarchie gerade auf die Regierungszeit Maximilians I. zurück. Wenn dieser auch bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges der wichtigste Verbündete des Kaisers blieb, war er doch zu allererst Landesfürst und als solcher ein entschiedener Gegner jeder Ausdehnung der kaiserlichen Machtstellung. Richelieu und Mazarin, die nach bewährtem französischen Rezept bestrebt waren, die deutschen Territorialfürsten gegen den Kaiser auszuspielen, erkannten das Dilemma des Kurfürsten und versuchten, ihn von seinem Verbündeten zu lösen. Zwar blieb ihnen der letzte Erfolg versagt, aber immerhin kam es im Lauf des langen Krieges zu verschiedenen Sonderabmachungen, und es war vor allem Maximilian, der in den letzten Jahren darauf drängte, die französischen Gebietsansprüche an der Westgrenze des Reiches anzukennen, um endlich Frieden zu erhalten.

Unter Maximilians Nachfolger Ferdinand Maria wurden die französisch-bayerischen Kontakte dahingehend ausgebaut, daß Kurbayern bis 1680 eine Frankreich begünstigende Neutralitätspolitik betrieb, für die es kräftig Subsidien kassierte. Versuchen Ludwigs XIV., den Kurfürsten zur Kandidatur für die Kaiserkrone zu bewegen, versagte sich jedoch der vorsichtige und friedliebende Ferdinand Maria.

Ganz anderer Gemütsart war da sein Sohn Maximilian II. Emanuel (reg. 1679/1680–1726), der sich vom Schicksal ausersehen fühlte, sein Land, oder richtiger, sein Haus, koste es, was es wolle, unter die Großmächte Europas zu bringen und zum Königreich zu erheben. Zunächst sah der junge Kurfürst den meistversprechenden Weg in der Wiederannäherung an den Kaiser, was unweigerlich die Entfremdung von Frankreich in sich schloß. 1683, im Jahr des großen Türkensturms, hatte er mit seiner reorganisierten Armee erheblichen Anteil am Entsatz Wiens, in den folgenden Jahren betätigte er sich als erfolgreicher Feldherr des Kaisers auf dem ungarischen Kriegsschauplatz. Die Wiener Regierung blieb ihm zwar die enormen Kosten für seine Feldzüge schuldig, doch errang der Kurfürst 1685 die Hand der Kaisertochter Maria Antonia, wodurch sein Haus in den Kreis der nächsten Anwärter auf das Erbe der Spanischen Habsburger rückte. Tatsächlich wurde der Sohn aus dieser Ehe 1698 als Alleinerbe des spanischen Weltreiches eingesetzt. Max Emanuel sah sich bereits am Ziel seiner Wünsche, da starb der junge Kurprinz, kurz bevor der Erbfall eintrat. Damit spitzte sich die Konkurrenz um das spanische Erbe auf eine erneute Auseinandersetzung der Häuser Bourbon und Habsburg zu. Der bayerische Kurfürst konnte nur mehr versuchen, durch eine skrupellose Schaukelpolitik einen möglichst hohen Preis für ein Bündnis mit der einen oder anderen Seite auszuhandeln. Die Trümpfe, über die er bei diesem Spiel verfügte, waren die strategisch bedeutungsvolle, wenn auch für das Land selbst höchst gefährliche, geographische Lage Bayerns und die Schlagkraft seiner bewährten, unverhältnismäßig starken Armee. Max Emanuels hochfliegende Ziele vorausgesetzt, brachte ihn die beiderseitige Interessenlage geradezu unausweichlich an die Seite Ludwigs XIV., denn dieser konnte ihm weit leichter verlockende Gewinne in Aussicht stellen als sein Gegenspieler, da Bayern territoriale Ausdehnung und Rangerhöhung nur auf Kosten von Kaiser und Reich erzielen konnte. Hier kam einer der konstanten Automatismen im Mächtespiel des Ancien Régime zum Tragen, nämlich der, daß der bayerische Kurfürst als Herrscher eines ringsum von habsburgischem und Reichsgebiet umschlossenen Binnenstaates eine zielstrebige Großmachtpolitik nur in Anlehnung an Frankreich betreiben konnte. Das große Ziel – Gewinn der Souveränität und der Königskrone – war nur außerhalb des Reiches zu erreichen, wie das zur gleichen Zeit mit Sachsen-Polen, Brandenburg-Preußen, Hannover-Großbritannien und Hessen (Kassel)-Schweden geschah, oder unter Bruch des Reichsrechts. Max Emanuel blieb nur noch der letztere Weg. So schloß er 1702 ein Bündnis mit dem Sonnenkönig und trat mit dem Überfall auf Ulm in den Spanischen Erbfolgekrieg ein. (Die Parallelen zum französisch-bayerischen Bündnis gut hundert Jahre später sind teilweise verblüffend – Eroberung von Ulm, Einfall in Tirol, Vorstoß der Donau entlang nach Oberösterreich). Aber der entscheidende Erfolg blieb aus. Von allen Seiten drohten die Truppen des Kaisers und seiner Verbündeten in das weder von natürlichen Grenzen noch von einem Festungsgürtel geschützte Kurfürstentum einzudringen, während der Rhein und der Schwarzwald die militärische Zusammenarbeit mit dem französischen Verbündeten sehr erschwerten. Für Ludwig XIV. bildete Bayern einen vorgeschobenen Außenposten, der die feindlichen Kräfte binden und von den französisch-spanischen Grenzen fernhalten sollte. Das Land zum Sprungbrett einer alles niederwerfenden Offensive gegen Kaiser und Reich zu machen, überstieg im Rahmen eines an vielen Fronten ausgetragenen Krieges die Möglichkeiten Frankreichs. Statt dessen konzentrierten die Alliierten 1704 ihre Kräfte auf Bayern, um der lästigen Bedrohung ein Ende zu machen. In Marlborough und Prinz Eugen erstanden dem Kurfürsten und seinem französischen Verbündeten übermächtige Gegner, und am 13. August 1704 zerscholl in der Schlacht von Höchstädt der Traum von der wittelsbachischen Großmacht. Max Emanuel mußte mit den Trümmern seiner Armee in die Spanischen Niederlande fliehen. Zehn Jahre lang blieb Bayern von den Kaiserlichen besetzt, die das Land schonungslos für die Finanzierung des Krieges und die Rekrutierung ihrer Armeen ausbeuteten und damit den tragischen Volksaufstand von 1705/06 auslösten. Als die erschöpften Gegner 1714 Frieden schlossen, mußte der mittlerweile in die Reichsacht getane Kurfürst froh sein, sein Land und seinen Kurhut zurückzuerhalten.

Aufgegeben war mit diesem enttäuschenden Ende die bayerische Großmachtpolitik noch keineswegs. Max Emanuels Sohn und Nachfolger, Kurfürst Karl Albrecht (reg. 1726–1745), gedachte, einer noch von seinem Vater konzipierten Politik folgend, die 1740 im Mannesstamm erlöschenden Österreichischen Habsburger zu beerben. Da die noch im Spanischen Erbfolgekrieg fröhliche Urstände feiernde Uneinigkeit des Gesamthauses durch die Wittelsbachische Hausunion von 1724 beseitigt worden war und die Dynastie im Kurkolleg drei, zeitweise sogar vier Stimmen in die Waagschale werfen konnte, rückte zudem auch die Kaiserkrone wieder in greifbare Nähe. Tatsächlich wurde der Kurfürst 1742 als erster Bayerischer Wittelsbacher seit über 400 Jahren zum Kaiser gewählt – Karl VII. Aber gerade dieser scheinbare Höhepunkt wittelsbachischer Machtentfaltung offenbarte das ungenügende Fundament, das dem Anspruch zugrundelag. Zwei Tage nach der Kaiserkrönung in Frankfurt eroberten die Truppen Maria Theresias München. Die von der hochverschuldeten Regierung vernachlässigte, zudem gerade erst in einem neuen Türkenkrieg schwer dezimierte bayerische Armee war den Anforderungen des im Vorjahr mit dem Einmarsch in Oberösterreich und Böhmen eröffneten Krieges in keiner Weise gewachsen, und die Franzosen, die zwischen Neutralitätspolitik und probayerischen Interventionsgelüsten hin- und herschwankten, konnten sich zu keinen durchgreifenden Maßnahmen aufraffen. So begann für Bayern wieder eine schwer auf dem Land lastende Besatzungszeit und für seinen kaiserlichen Herrscher ein demütigendes Exil. 1745 setzte der Tod der glücklosen Regierung Karls VII. ein Ende.

Sein Sohn, Max III. Joseph (reg. 1745–1777), schloß sogleich den Separatfrieden von Füssen, in dem er die Ansprüche Maria Theresias auf die habsburgischen Erblande anerkannte und ihrem Gemahl seine Unterstützung bei der Kaiserwahl zusagte. Damit war der Versuch der Bayerischen Wittelsbacher endgültig gescheitert, dem Hause Habsburg die Führungsrolle im Reich streitig zu machen. Statt dessen trat Bayern für die nächsten Jahrzehnte in die Reihe der mittleren Fürstenstaaten zurück und überließ es dem Preußen Friedrichs des Großen, sich eine mit Österreich konkurrierende Machtstellung aufzubauen.

Die unglücklichen Vorstöße Max Emanuels und Karl Albrechts bilden die historische Folie, vor der das französisch-bayerische Bündnis von 1805 abgeschlossen wurde....

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