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E-Book

Peter Falk oder die Kunst, Columbo zu sein

AutorUwe Killing
VerlagOsburg Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl242 Seiten
ISBN9783955101107
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
'Ach, eine Frage hätte ich da noch ...' Wegen seines Glasauges prophezeite man Peter Falk (1927-2011) keine besondere Zukunft - heute zählt er zu den populärsten Figuren der Fernsehgeschichte. Columbo ist Kult. Doch wer verbarg sich hinter diesem liebenswerten, zerknautschten Gesicht? Uwe Killing verfolgt in seiner Biografie bisher unbekannte Spuren, die einen neuen Blick auf Peter Falks Leben ermöglichen: Seine Anfänge in New York genauso wie seine abenteuerlichen Reisen nach Europa, das den Sohn jüdisch-osteuropäischer Auswanderer wie magisch angezogen hatte - von einer geheimen Liebe in Wien über lange römische Nächte bis zu seinen kuriosen Erlebnissen in Berlin, wohin er dem Ruf von Wim Wenders gefolgt war. Sichtbar wird der Mensch Peter Falk, der sein Leben genauso unangepasst und mit großer Lust auskostete wie sein legendäres Alter Ego Columbo.

Uwe Killing, Jahrgang 1961, früherer Chefredakteur des Magazins MAX, widmet sich als freier Journalist und Buchautor vor allem den Themen Film und Popkultur. Er lebt in Berlin und schreibt u.a. für Playboy, SZ-Magazin und die Berliner Zeitung. In seinem Buch Dreckige Spaghetti (2013) erzählt er die Kulturgeschichte des Italowesterns. Groß geworden mit den US-Serien der siebziger Jahre war Killing schon als Jugendlicher ein großer Fan von Columbo.

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Leseprobe
 

1 A KID FROM NEW YORK


Über dem Straßenschild hing ein großer Fetzen aus grauem Stoff. Aus der Entfernung sah es so aus, als sei er die Hinterlassenschaft eines wütenden Sturmes, der in den breiten, baumbesäumten Straßen von Ossining keine Seltenheit ist. Doch als die Menschen dem Schild näher kamen, erkannten sie: Es war ein Regenmantel. Nicht das graubeige Original, das Peter Falk jahrzehntelang als Dienstkleidung vor der Kamera aufgetragen hatte. Aber eine stilechte Columbo-Nachbildung, die sogar Flecken wie von verblassten Ketchup-Spritzern aufwies. Und auch sonst gab sich das Komitee der Stadtverwaltung viel Mühe, ihren berühmten Sohn nach so vielen Jahren willkommen zu heißen. In seiner alten Nachbarschaft, wo man ihn als »Falk’s Boy« kannte.

Am 30. August 2005, knapp sechs Jahre vor seinem Tod, stand Peter Falk ein letztes Mal vor dem Haus seiner Kindheit, 73 Prospect Avenue, Ossining, Bundesstaat New York. Es hatte sich wenig verändert hier. Eine kleine, beschauliche Vorstadt am Hudson River, rund fünfzig Kilometer flussaufwärts vom lärmenden Manhattan entfernt: Einfamilienhäuser mit großen Gärten, viele mit rot gestrichener Holzverkleidung, die meisten bereits erbaut in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Wie auch das ehemalige Zuhause von Peter und seinen Eltern Michael und Madeline Falk, die in der Main Street, im Ortszentrum von Ossining, ein Textilgeschäft betrieben hatten.

Der junge Peter Falk in New York: »Ich habe mich lange
nicht getraut zu sagen: Ich bin Schauspieler.«

»Mein Mann hat als Junge mit Peter Basketball gespielt«, berichtete Barbara DiRito aufgeregt einem Reporter der New York Times. Und während sich der prominente Heimkehrer den Weg durch die Gruppe von schätzungsweise 200 Schaulustigen bahnte, erblickte er den winkenden Donald DiRito. Peter Falk, aus Los Angeles mit Baseball Cap und großgemustertem Blumenhemd angereist, steuerte sofort auf seinen alten Kumpel zu, um ihn herzlich zu umarmen: »Oh, ja, natürlich erinnere ich mich, aber in unserem Alter sollten wir das mit dem Sport jetzt lieber sein lassen, oder?« Ein anderer Mann möchte von dem ergrauten, 76-jährigen Hollywood-Star wissen, wann er das letzte Mal in Ossining gewesen sei. »Oh, Moment«, antwortete Falk, dabei angestrengt wie sein Alter Ego Columbo grübelnd, »ja, ich denke, das war 1995 zur fünfzigjährigen Feier meiner Abschlussklasse.«1

An diesem heißen Sommernachmittag kam es noch zu vielen solchen Begegnungen. Einige Menschen riefen ihn »Pete«. So wie in Jugendtagen, auf dem Schulhof oder beim Spielen auf der Straße, in der vornehmlich italienische Einwandererfamilien lebten. Einige frühere Weggefährten ließen sich im Rollstuhl zu diesem Ereignis schieben, sie wollten sich das Wiedersehen mit dem bekanntesten Sohn von Ossining (das heute rund 38 000 Einwohner zählt) nicht entgehen lassen. Ein nur in Jazz-Kreisen bekannter Gitarrist namens Sonny Sharrock war hier geboren. Und auch die Schauspielerin Anne Francis, die 1956 durch den Science-Fiction-Film Alarm im Weltall bekannt wurde. Francis war dann Mitte der sechziger Jahre die erste Frau im amerikanischen Fernsehen, die als scharfsinnige Detektivin Honey West eine eigene Serie erhielt. Eine außergewöhnliche Schauspielerin und ihre Rolle eine große Pioniertat im männerdominierten Krimigenre, aber dennoch kein Vergleich mit dem Mann, den als Inspektor Columbo die ganze Welt kennt. »Mein Gott, Pete, so gut, dich zu sehen.« – »Pete, hier bitte, noch einmal in die Kamera …«

Peter Falk schüttelte unentwegt Hände, ließ sich, geduldig lächelnd, mit lokalen Politikern und Bewohnern fotografieren, signierte viele gelbe Jahrbücher seiner alten Schule, der Ossining High School. Der Schauspieler war sichtlich gerührt von dem Empfang, an dessen Ende eine besondere Geste stand: Falk durfte das neu aufgestellte Straßenschild unweit seines Elternhauses enthüllen, indem er es unter lautstarkem Beifall von Columbos Trenchcoat befreite. Seitdem trägt der Rasenplatz an der Kreuzung Prospect Avenue/ Upper Eastern Avenue den Namen »Peter Falk Place«.

Peter Michael Falk wurde am 16. September 1927 in New York geboren und wuchs in der Bronx auf, wo er seine ersten sechs Lebensjahre verbrachte. Sein Vater Michael und seine Mutter Madeline, geborene Hochhauser, entstammten jüdischen Familien aus Osteuropa. Mehr als zwei Millionen Juden, die vor allem in Russland und Polen wegen ihres Glaubens verfolgt worden waren, erreichten zwischen Ende des 19. Jahrhunderts und 1924 (dem Jahr, an dem die Einreisebestimmungen drastisch verschärft wurden) den rettenden Hafen von New York. Die meisten Juden ließen sich auch gleich in der pulsierenden Stadt mit der 1886 eingeweihten Freiheitsstatue nieder. Michael Falks Eltern waren Polen mit Verbindungen nach Ungarn. Die Familie von Madeline Hochhauser hatte ihre Wurzeln in Russland und Tschechien.

Jeder vierte Einwohner New Yorks war Mitte der zwanziger Jahre jüdischer Herkunft. In der Mehrheit übten die Juden Kaufmannsberufe aus oder fassten Fuß in der boomenden New Yorker Finanzwelt. Mit dem Börsencrash von 1929, der die Ära der großen, zwölf Jahre andauernden Depression einleitete, verschlechterten sich dann mit einem Schlag die Lebensbedingungen, insbesondere unter den Einwanderern. Sich in der gepriesenen »Neuen Welt« zu behaupten, wurde zum täglichen Kampf um Arbeit und Brot. Michael Falk, der einen Textilhandel betrieb, zog daraus die Konsequenz, indem er im Jahr 1933 mit seiner jungen Familie New York den Rücken kehrte.

Für die Eröffnung eines neuen Geschäfts wählte der Kaufmann den Ort Ossining aus. Dort war die Einwohnerzahl in den Jahren 1920 bis 1930 von 12 300 auf 18 000 angestiegen, und dieser Aufschwung hatte vor allem mit dem bekanntesten Gebäude der Kleinstadt zu tun – der Haftanstalt Sing-Sing. Diese ist in den USA mindestens genau so legendär wie die Gefängnisinsel von Alcatraz. Der Name ist indianischer Herkunft und verweist darauf, dass die Hochsicherheitseinrichtung im Jahr 1836 auf dem ehemaligen Land des Sint-Sinck-Stammes errichtet worden war. Schwerverbrecher aus allen Bundesstaaten saßen hier ein, darunter viele Kriminelle aus dem nahen New York, wo das organisierte Verbrechen zu Zeiten von Depression und staatlichem Alkoholverbot einen rasanten Aufstieg erlebte. Berüchtigte Mafia-Killer wie Harry Maione oder Louis Capone wurden in Sing-Sing hingerichtet.

Das Gefängnis sorgte als größter Arbeitgeber dafür, dass die Menschen in Ossining besser durch die Wirtschaftskrise kamen als in vielen anderen Orten. Auch Michael Falk machte gute Geschäfte mit der Gefängnisverwaltung, er lieferte Stoffe für Häftlingskleidung und Bettwäsche, bot in seinem Laden zudem Waren wie Knöpfe, Garne und Schnallen an. Ehefrau Madeline half tatkräftig im Laden mit aus und kümmerte sich um die Buchhaltung. Sohn Peter war deshalb nach Schulschluss meistens auf sich allein gestellt. Er fand jedoch schnell Freunde in seiner Klasse wie auch in der Nachbarschaft. Der aufgeweckte Junge mit den lockigen, dunklen Haaren war beliebt. Er machte ständig Witze, konnte andere mitreißen und war jemand, der sofort im Mittelpunkt stand, ob als Klassensprecher oder Anführer der Baseball-Schülermannschaft. »Falk’s Boy«, der Neue, der Zugezogene aus New York, war etwas Besonderes. Auch deshalb, weil er etwas besaß, das ihn von allen anderen Jungs der Schule unterschied: Peter konnte eines seiner beiden Augen herausnehmen. Es bestand aus Glas.

Peter hatte sein künstliches Auge im Alter von drei Jahren bekommen. Und es ist das erste Kindheitserlebnis, an das er sich später bewusst erinnern konnte: »Ich weiß noch genau, dass ich mit meiner Mutter und einem Doktor vor einer offenen Aufzugstür stand. Ich wusste nicht, was mit mir geschah. Dann sagte meine Mutter zu mir: ›Junge, ich muss noch einmal ins Zimmer zurückgehen und meine Handtasche holen.‹ Dann hat der Doktor meine Hand genommen und ist mit mir in den Aufzug gegangen. Und ich habe ihm immer wieder gesagt, er solle noch warten, meine Mutter komme bestimmt sofort zurück. Sie müsse nur ihre Tasche holen. Dann kann ich mich nur noch erinnern, dass ich eingeschlafen bin und irgendwann alles vorüber war.«2

Der Dreijährige wachte ohne sein rechtes Auge auf. Es musste operativ entfernt werden, weil die Ärzte einen bösartigen Tumor in seinem Kopf, direkt hinter dem Sehorgan, entdeckt hatten. Glücklicherweise waren die Symptome rechtzeitig diagnostiziert worden. Bei einem späteren Eingriff wäre es wahrscheinlich gewesen, dass die Krebswucherungen auch Teile des Gehirns angegriffen und zu lebensbedrohlichen Schäden geführt hätten. Einem der Erzieher in der Ganztags-Vorschule, die Peter in der Bronx besuchte, war bei ihm ein merkwürdiges Verhalten aufgefallen: Immer wenn der Junge beim Spielen etwas mit seinem Blick fixierte, legte er seinen Kopf schräg. Nachdem...

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