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Zwischen professioneller Distanz und familiärer Nähe. Die pädagogische Arbeit bei Kindern mit (frühkindlichen) Bindungsstörungen

AutorMelissa Becker
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl111 Seiten
ISBN9783656926405
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Pädagogik - Kindergarten, Vorschule, frühkindl. Erziehung, Note: 1,3, Justus-Liebig-Universität Gießen (Institut für Schulpädagogik & Institut für Heil- und Sonderpädagogik), Veranstaltung: Pädagogik bei Beeinträchtigung der sozialen und emotionalen Entwicklung, Sprache: Deutsch, Abstract: Bindung ist ein grundlegendes und angeborenes Bedürfnis eines jeden Menschen. Sie ist lebensnotwendig, da sie Schutz und Versorgung eines Säuglings sicherstellt. Im Laufe des Lebens geht der Mensch einige Bindungen und Beziehungen ein. Mal mehr, mal weniger eng und emotional. Die aber wohl innigste Bindung findet man zwischen Eltern und Kind. Die Bedeutsamkeit einer sicheren Bindung in den ersten Lebensjahren lässt sich dann erkennen, wenn man deren Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen berücksichtigt. Bindungsmuster die in den ersten Lebensjahren verinnerlicht werden, wirken sich darauf aus, wie wir in der Zukunft mit anderen Menschen in Interaktion treten. Sichere Bindungen legen ein solides Fundament für die Persönlichkeitsentwicklung. Sie helfen uns adäquat mit Problemen umzugehen und uns in unserem sozialen Umfeld zurechtzufinden. Unsichere Bindungen hingegen können sich negativ auf unsere Sozialkompetenz auswirken und haben oftmals sozialen Rückzug und Isolation zu verschulden. Eine desorganisierte oder desorientierte Bindung in der frühen Kindheit kann im schlimmsten Fall eine Bindungsstörung zur Folge haben. Diese Bindungsstörung zeichnet sich durch immense Defizite in der sozialen und emotionalen Entwicklung aus. Insgesamt ist zwischen zwei Arten von Bindungsstörungen zu unterscheiden: der gehemmte und der ungehemmte Typus. Kinder und Jugendliche mit einer Bindungsstörung nach dem gehemmten Typus gehen nahezu keine Bindungen ein, im Gegensatz dazu gehen Kinder mit dem ungehemmten Typus völlig wahllos und undifferenziert eine Vielzahl von oberflächlichen Bindungen ein. Geknüpft an Bindungsstörungen sind verschiedene Arten auffälliger Verhaltensweisen. Diese reichen von sozialem Rückzug und Scheu bis hin zu Aggressivität und Gewalttätigkeit. Die Komplexität der Störung lässt vermuten, dass betroffene Kinder und Jugendliche eine besondere pädagogische und therapeutische Behandlung und Betreuung benötigen....

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Leseprobe

1 Einleitung


 

Bindung ist ein grundlegendes und angeborenes Bedürfnis eines jeden Menschen. Sie ist lebensnotwendig, da sie Schutz und Versorgung eines Säuglings sicherstellt. Im Laufe des Lebens geht der Mensch einige Bindungen und Beziehungen ein. Mal mehr, mal weniger eng und emotional. Die aber wohl innigste Bindung findet man zwischen Eltern und Kind. Die Bedeutsamkeit einer sicheren Bindung in den ersten Lebensjahren lässt sich dann erkennen, wenn man deren Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen berücksichtigt. Bindungsmuster die in den ersten Lebensjahren verinnerlicht werden, wirken sich darauf aus, wie wir in der Zukunft mit anderen Menschen in Interaktion treten. Sichere Bindungen legen ein solides Fundament für die Persönlichkeitsentwicklung. Sie helfen uns adäquat mit Problemen umzugehen und uns in unserem sozialen Umfeld zurechtzufinden. Unsichere Bindungen hingegen können sich negativ auf unsere Sozialkompetenz auswirken und haben oftmals sozialen Rückzug und Isolation zu verschulden. Eine desorganisierte oder desorientierte Bindung in der frühen Kindheit kann im schlimmsten Fall eine Bindungsstörung zur Folge haben. Diese Bindungsstörung zeichnet sich durch immense Defizite in der sozialen und emotionalen Entwicklung aus. Insgesamt ist zwischen zwei Arten von Bindungsstörungen zu unterscheiden: der gehemmte und der ungehemmte Typus. Kinder und Jugendliche mit einer Bindungsstörung nach dem gehemmten Typus gehen nahezu keine Bindungen ein, im Gegensatz dazu gehen Kinder mit dem ungehemmten Typus völlig wahllos und undifferenziert eine Vielzahl von oberflächlichen Bindungen ein. Geknüpft an Bindungsstörungen sind verschiedene Arten auffälliger Verhaltensweisen. Diese reichen von sozialem Rückzug und Scheu bis hin zu Aggressivität und Gewalttätigkeit. Die Komplexität der Störung lässt vermuten, dass betroffene Kinder und Jugendliche eine besondere pädagogische und therapeutische Behandlung und Betreuung benötigen. Bindungsstörungen können als Ursache wiederholte traumatische Erlebnisse des Kindes mit den Eltern, wie z.B. (sexueller) Missbrauch, extreme psychische und physische Vernachlässigung, Multiple Verluste nahestehender Personen, Gewalterfahrungen oder aber wechselnde Bezugssysteme haben. Oftmals liegt eine Kindeswohlgefährdung innerhalb der Stammfamilie vor, welche dazu führt, dass Kinder durch das zuständige Jugendamt außerfamiliär in Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht werden. Eine solche Art der Unterbringung stellen beispielsweise sozialpädagogische/therapeutische Wohngruppen dar, welche sich speziell auf Kinder und Jugendliche mit (frühkindlichen) Bindungsstörungen konzentrieren. Sie bedürfen eines ausgeklügelten Konzepts, welches sowohl den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gibt, neue sichere Bindungen beispielsweise anhand eines Bezugsbetreuungssystems einzugehen, als auch die Bindung zu den Eltern durch begleiteten regelmäßigen Kontakt zu stärken. Die Bindungen, welche die Kinder mit Bezugsbetreuern eingehen, sind von elementarer Bedeutung für einen therapeutischen Erfolg und sollen den Grundstein für eine positive Entwicklung der Persönlichkeit und der Beziehungsfähigkeit legen. Daher ist es für das pädagogische Personal besonders wichtig die eigenen Handlungen mit den Kindern und Jugendlichen ständig zu reflektieren und sich der Bedeutung der eigenen Rolle für die Entwicklung ihrer Schützlinge bewusst zu sein. Primäre Präventivmaßnahmen können dazu beitragen das Risiko einer Kindeswohlgefährdung zu senken, indem die elterliche Feinfühligkeit und ihre Sensibilität für die kindlichen Signale gefördert und gestärkt werden. Solche Maßnahmen lassen sich daher oftmals im Bereich der Frühen Hilfen auffinden. In pädagogischen Institutionen wie Kindergärten, Kindertagesstätten und der Schule hingegen, greifen eher sekundärpräventive Maßnahmen. Diese sollen der Früherkennung von Risikoentwicklungen dienen und somit den Verlauf in die Psychopathologie abwenden, indem passende Hilfemaßnahmen frühzeitig vermittelt und eingeleitet werden. Grundsätzlich ist auch der Einfluss des pädagogischen Personals in diesen Institutionen nicht zu leugnen. Auch Erzieher und Lehrer können Kindern neue Bindungs- und Beziehungserfahrungen anbieten, welche im besten Fall die verfestigten Bindungsmuster aus den ersten Lebensjahren aufbrechen und positiv beeinflussen können. Hilfemaßnahmen, welche durch sekundäre Prävention vermittelt werden, können beispielsweise verschiedene Formen der Therapie sein. Die wohl effektivste Form ist die der Psychotherapie. Hier werden gewisse traumatische Erfahrungen des Kindes aufgearbeitet, damit diese nicht in Form von bestimmten Bindungsmustern an die nächste Generation weitergegeben werden. Wichtig sind auch der Einbezug der Eltern und die Bearbeitung ihrer unverarbeiteten Traumata.

 

Persönlicher Bezug

 

In Zuge meines Masterstudiums an der Justus-Liebig-Universität Giessen im Studiengang „Inklusive Pädagogik und Elementarbildung“ habe ich innerhalb des dritten Semesters ein Praxismodul abgeschlossen. Innerhalb dieses Praxismoduls war es meine Aufgabe ein sechswöchiges Praktikum zu absolvieren. Die Einrichtung sollte dabei dem gewählten Schwerpunkt entsprechen. Da mein Schwerpunkt im Bereich der „Pädagogik bei Beeinträchtigung der sozialen und emotionalen Entwicklung (PBE)“ liegt, entschied ich mich mein Praktikum semesterbegleitend im Zeitraum vom 02. Dezember 2013 bis zum 27. Januar 2014 innerhalb einer therapeutischen Wohngruppe für Kinder und Jugendliche mit Bindungsstörungen und/oder sozialen und emotionalen Entwicklungsstörungen im Siegerland (Nordrhein-Westfalen) zu absolvieren. Ich lernte dabei das Konzept der Einrichtung kennen und entwickelte besonderes Interesse für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, welche verschiedene Formen von Bindungsstörungen aufweisen. Besonders die Familiengeschichten und die damit verbundenen Ursachen und Hintergründe für die Entstehung der Störungen faszinieren mich auch jetzt noch. Dabei habe ich oftmals darüber nachgedacht, inwieweit die Entstehung trotz gewisser Risiken verhindert werden kann und wie sehr die Störungen die Zukunft der Kinder und Jugendlichen beeinflusst. Zudem arbeitet die von mir besuchte Institution anhand des Konzepts des Bezugsbetreuersystems. Dieses war mir bis dato vollkommen unbekannt. Ich war allerdings nach der genaueren Auseinandersetzung mit diesem Konzept sehr an der Möglichkeit der Einflussnahme auf die verfestigten pathologischen Bindungsmuster durch die emotional warme und fast familiäre Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen interessiert und strebte danach, mein eigenes Fachwissen in dieser Richtung weiter auszubauen.

 

1.1 Darstellung des Forschungsziels


 

Ich möchte mich innerhalb dieser Thesis mit Hinblick auf meine eigene fachliche Weiterbildung im Bereich der Entstehung und Prävention von Bindungsstörungen mit verschiedenen literarischen Quellen auseinandersetzen. Dabei erhoffe ich sowohl mir, als auch dem interessierten Leser, einen Überblick über die Informationen zu möglichen Konzepten der Interventionsmöglichkeiten innerhalb von pädagogischen Institutionen zu verschaffen. Mein Forschungsziel richtet sich daher auf die Klärung der Begrifflichkeiten „Bindung“ und „Beziehung“, die Darstellung der Problematik des Störungsbildes der Bindungsstörung, sowie die Sammlung und Zusammenfassung verschiedener präventiver und therapeutischer Maßnahmen und Konzepte. Zudem möchte ich, begründet auf meiner eigenen beruflichen Erfahrung, das Konzept der Bezugsbetreuung von Kindern und Jugendlichen mit Bindungsstörungen vorstellen. Ich formuliere aus diesem Forschungsinteresse folgende Fragen, die ich in der Bearbeitung dieser Thesis beantworten möchte:

 

Was versteht man unter den Begriffen „Bindung“ und „Beziehung“?

 

Wie stellt sich eine Bindungsstörung im Kindes- und Jugendalter dar und welche Ursachen und Risiken tragen zur Entstehung einer solchen bei?

 

Welche pädagogischen und therapeutischen Maßnahmen zur Prävention und Intervention bei Bindungsstörungen im Kindes- und Jugendalter sind möglich?

 

Welche Bedeutung haben pädagogische Beziehungen für Kinder mit Bindungsstörungen und inwieweit ist es möglich als Pädagoge Einfluss auf die kindliche Entwicklung zu nehmen?

 

1.2 Gliederung der Arbeit


 

Meine Thesis gliedere ich im Sinne der Beantwortung der Forschungsfragen folgendermaßen:

 

Nach der Einleitung und der kurzen persönlichen Begründung der Themenwahl meiner Thesis, möchte ich den ersten Hauptteil meiner Abhandlung den theoretischen Zugängen zur Thematik widmen. In Zuge dessen werde ich zunächst die grundlegenden Termini „Bindung“ und „Beziehung“ näher beleuchten und definieren. Dabei möchte ich besonders den Begriff der „Bindung“ intensiver betrachten und dazu die Bindungstheorie nach John Bowlby und Mary Ainsworth heranziehen. Dabei soll die Bedeutung der Mutter-Kind-Bindung bzw. Eltern-Kind-Bindung für die Entwicklung des Kindes herausgestellt und verschiedene Bindungstypen beschrieben werden. Anschließend möchte ich auf gestörte Bindungen im Kindes- und Jugendalter eingehen und das Störungsbild der „Bindungsstörung“ beschreiben.

 

Der zweite...

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