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Standardmaßnahmen im Ermittlungsverfahren

AutorChristoph Frings, Detlef Averdiek-Gröner
VerlagVerlag Deutsche Polizeiliteratur
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783801107420
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Das Ermittlungsverfahren und die damit verbundenen Standardmaßnahmen bieten sowohl im täglichen Dienst als auch in der polizeilichen Aus- und Fortbildung vielfältige rechtliche und praktische Problemstellungen. Als Standardmaßnahmen im Ermittlungsverfahren haben sich seit Langem die Durchsuchung und Beschlagnahme, die vorläufige Festnahme, die erkennungsdienstliche Behandlung sowie die Vernehmung und die Wiedererkennungsmaßnahmen etabliert. Seit einiger Zeit gilt zudem die Entnahme von Körperzellen - bei Vorliegen der entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen - als eine solche Standardmaßnahme. Ausgehend von einem Leitsachverhalt werden diese Maßnahmen von den Autoren in diesem Lehr- und Studienbrief ausführlich dargestellt und anhand dieses Sachverhaltes erläutert. Die Verfasser geben einen Überblick über rechtliche Rahmenbedingungen, kriminaltaktische Problemstellungen und erfolgskritische Umstände. Weiterhin berücksichtigen sie auch ausgewählte einsatzrelevante und eingriffsrechtliche Aspekte. Übersichten gewährleisten einen schnellen Überblick über die Tatbestandsvoraussetzungen einschlägiger Eingriffsbefugnisse und stellen die idealtypischen Abläufe in der praktischen Umsetzung dar. Abschließend finden sich zu den denkbaren klausurtypischen Fragestellungen entsprechende Lösungsskizzen.

Detlef Averdiek-Gröner, Polizeidirektor. Dozent an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW, Verbundabtei¬lung Münster, für Einsatzlehre, Eingriffsrecht und Führungslehre. Seit 1978 Polizeivollzugsbeamter in langjährigen Verwendungen der drei Lauf¬bahnabschnitte in Polizeipräsidien, Landratsbehörden, einer Landesoberbehörde und der Bezirksregierung: Posten- und Streifendienste, Sachbearbeitungen Dienstgruppenleitungen, Leitungen von Dienststellen Leitungen von Unterabteilungen, Abteilungsstab/-stabsdienststellen Dezernatsleitung und seit 2008 hauptamtlicher Dozent für Einsatzlehre, Eingriffsrecht und Führungs¬lehre an der FHöV NRW, Verbundabteilung Münster. Christoph Frings, Kriminaldirektor Geboren 1961 in Solingen. Dozent an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung an der Abteilung Duisburg für Kriminalistik und Kriminaltechnik. Seit 1981 Polizeivollzugsbeamter. 1983 -1986 Einsatzhundertschaft und Wachdienst im PP Wuppertal, 1986 - 1989 Ausbildung zum gehobenen Dienst (Kriminalpolizei). 1989 - 1990 Kriminalpolizeilicher Sachbearbeiter für Eigentumsdelikte in Köln. 1990 - 1995 Kriminalpolizeilicher Sachbearbeiter für Sexualdelikte, Waffendelikte und Todesermittlungen in Solingen, 1995 - 1997 Ausbildung höherer Dienst an der Polizeiführungsakademie (jetzt DHPoI) in Hiltrup, 1997 - 2002 Leiter Polizeiinspektion Süd im Landrat Mettmann. Seit 2002 Dozent an FHöV, Abteilung Duisburg für Kriminalistik und Kriminaltechnik. Örtlicher Fachkoordinator für Kriminalistik und Kriminaltechnik.

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Leseprobe

2Die Polizei im Ermittlungsverfahren


2.1Aufgabenstellung der Polizei im Ermittlungsverfahren


Der Polizei sind durch Gesetz Aufgaben und Befugnisse zu Ermittlungen im Strafverfahren und im Ordnungswidrigkeitenverfahren übertragen.

„Ziel ist das Erforschen aller Umstände, die für die Beurteilung tatbestandsmäßiger Sachverhalte sowie für die Tataufklärung von Bedeutung sein können, einschließlich des Feststellens von Tatverdächtigen bzw. Betroffenen, Zeugen und Opfern.“1)

Die Aufgabe der Polizei zur Ermittlungsführung im Rahmen der Strafverfolgung ergibt sich aus § 1 IV PolG NRW2) i. V. m. § 163 StPO. Nach § 163 I Satz 1 StPO haben „Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um eine Verdunklung der Sache zu verhüten.“ Die Formulierung des § 163 StPO beinhaltet nicht nur die Zuständigkeit entsprechende Ermittlungen durchzuführen, sondern verpflichtet unmissverständlich in jedem Fall beim Vorliegen des Anfangsverdachts einer Straftat zwingend Ermittlungen aufzunehmen ( Legalitätsprinzip). Es ist, anders als in manchen europäischen Ländern, nicht in das Ermessen der Polizeibehörde gestellt, ob beim Anfangsverdacht einer Straftat ein Ermittlungsverfahren durchzuführen ist.

Ermittlung kann hierbei ausgelegt werden als „taktischer Sammelbegriff für fallbezogene polizeiliche Maßnahmen des systematischen Sicherns und Auswertens von Beweisen sowie des Aufspürens der selbigen durch Ermittlungskräfte“.3)

Unter Ermittlungen im weiteren Sinne können „alle Untersuchungshandlungen von Ermittlungspersonen zur Aufdeckung strafbarer Handlungen sowie zur Aufklärung von Straftaten […] und anderen kriminalistisch relevanten Ereignissen,“ verstanden werden, die „vor allem der Verdachtsgewinnung […], der Verdachtsüberprüfung und der Beweissicherung […]“4) dienen.

Nach § 163 StPO wird keine Differenzierung zwischen einzelnen polizeilichen Organisationseinheiten vorgenommen. Adressat des Ermittlungsauftrages ist hier die Polizei insgesamt. Zuständig für die Verfolgung von Straftaten ist demnach nicht nur die Kriminalpolizei, sondern auch der Wach- und Wechseldienst. Es kommt nicht auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten polizeilichen Organisationseinheit an, sondern auf die Polizeibeamteneigenschaft des Amtsträgers an sich. „Ihre Aufgaben und Befugnisse nimmt die Polizei wahr durch

– selbstständige Ermittlungshandlungen

– Ermittlungshandlungen auf Weisung

– Erfüllung ihrer Zeugen- und Sachverständigenfunktion.“5)

Die polizeiliche Ermittlungsarbeit in einem Strafverfahren ist kein Selbstzweck, sondern erster und fester Bestandteil eines justiziellen Verfahrens. Eine Entscheidung, ob ein Ermittlungsverfahren fortgeführt oder eventuell eingestellt wird, steht nicht der Polizei, sondern der Staatsanwaltschaft zu. Sie entscheidet auch darüber, ob in einem Strafverfahren nach Lage der Ermittlungsergebnisse eventuell die öffentliche Klage erhoben wird oder nicht.

Ermittlungsverfahren [ist ein] vorbereitendes Verfahren, das eingeleitet ist, sobald entweder die Staatsanwaltschaft (vgl. § 161 I StPO), eine Behörde oder ein Beamter des Polizeidienstes (vgl. § 163 StPO) eine Maßnahme trifft, die darauf abzielt, gegen jemanden strafrechtlich vorzugehen. Dies gilt auch dann, wenn der Beschuldigte (namentlich) nicht bekannt ist …“.6)

Die Polizei ist bei der Führung ihrer Ermittlungen nicht frei und ungebunden, sondern an die Weisungen der Staatsanwaltschaft gebunden. Der Staatsanwaltschaft steht im Ermittlungsverfahren eine Sachleitungsbefugnis zu. „Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen […].“7) Wenngleich es nur in wenigen Verfahren vorkommt, dass die Staatsanwaltschaft direkt zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens sachleitend tätig wird, so z.B. bei Tötungsdelikten durch den Kapitaldezernenten.

Auch wenn der Staatsanwalt den Sachverhalt nicht selbst aufklärt, sondern seine Ermittlungspersonen8), die Behörden und Beamten des Polizeidienstes oder andere Stellen damit beauftragt, hat er die Ermittlungen zu leiten, mindestens ihre Richtung und ihren Umfang zu bestimmen. Er kann dabei auch konkrete Einzelweisungen zur Art und Weise der Durchführung einzelner Ermittlungshandlungen erteilen.9) Als Grundsatz ist festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaft Herrin des Ermittlungsverfahrens ist.

Darstellung eines Strafverfahrens

Abb. 1: Grafische Darstellung eines Strafverfahrens

Die Polizei ist in den meisten Fällen die Organisation, die als erste in einem Strafverfahren tätig wird und die ersten Ermittlungen durchführt. Ziel polizeilicher Ermittlungstätigkeit ist nicht die Durchführung eines rein polizeilichen Zwecken dienenden Verfahrens zur Informationserhebung, sondern die Schaffung einer Informationsgrundlage für weiterreichende Entscheidungen der Staatsanwaltschaft (so z.B. die Entscheidung über Anklageerhebung oder Verfahrenseinstellung) und des zuständigen Gerichts (z.B. Vorbereitung der Hauptverhandlung).

Gemeinhin geht der Bürger laienhaft davon aus, dass die Durchführung eines Strafverfahrens Aufgabe der Kriminalpolizei ist. Dies greift jedoch zu kurz. In den häufigsten Fällen ist es nicht die Kriminalpolizei, die zuerst am Tatort einer Straftat auftaucht, sondern es sind als Erstes die Kräfte des Wach- und Wechseldienstes (WWD) vor Ort und treffen dort erste unaufschiebbare Maßnahmen, bis die Kräfte der Kriminalwache (Kriminaldauerdienst) vor Ort erscheinen oder eine Fachdienststelle der Kriminalpolizei die Ermittlungen übernimmt. In dieser ersten Phase treffen die Kräfte des WWD ihre Maßnahmen eigenständig und eigenverantwortlich.

Der polizeiliche Part in einem Ermittlungsverfahren kann – in den Verfahren, in denen eine Tatortaufnahme in Betracht kommt – vereinfachend in drei Phasen der polizeilichen Ermittlungsführung eingeteilt werden.

Abb. 2: Phasen der Ermittlungsführung

In vielen Verfahren gilt es, unmittelbar nach der Tat erste unaufschiebbare Maßnahmen unter hoher zeitlicher Dringlichkeit zur Tatortabsicherung und später zur Tatortaufnahme zu treffen. Erst zu einem späteren Zeitpunkt sind dann u.a. am Tatort gesicherte Spuren zur Untersuchung zu versenden, auszuwerten und auszuermitteln. Unaufschiebbare Ermittlungshandlungen, die sofort vorgenommen werden müssen, erfordern die permanente Präsenz von Personal für diesen Zweck zu jeder Tageszeit. Diese Aufgaben werden vom Wach- und Wechseldienst (Schutzpolizei) und von der Kriminalwache oder dem Kriminaldauerdienst (Kriminalpolizei) wahrgenommen.

Bereits in der Phase des Ersten Angriffs sind durch die Kräfte des Wach- und Wechseldienstes im Rahmen des Sicherungsangriffs u.a. zur

• Absperrung und Durchsuchung des Tatortes

• Notsicherung von Spuren

• Täternacheile und Feststellung von Tatverdächtigen und Beschuldigten

• Suche und Sicherung von Zeugen und Durchführung erster Vernehmungen

unaufschiebbare Eingriffsmaßnahmen, die sich rechtlich u.a. als Beschlagnahme, Durchsuchung, Vernehmung und vorläufige Festnahme qualifizieren, durchzuführen oder zu veranlassen.

Anschließend sind durch die Kräfte der Kriminalwache bzw. des Kriminaldauerdienstes gleichfalls im Rahmen des Ersten Angriffs zur Tatortaufnahme unaufschiebbare Standardmaßnahmen, so u.a. zur

• Spurensuche/Spurensicherung am Tatort

• Sicherstellung/Beschlagnahme von Beweismitteln

• ggf. Beschlagnahme des Tatortes

• Ergänzenden Zeugensuche und Zeugenvernehmung

• Ermittlung von Tatverdächtigen/Beschuldigten

durchzuführen.

Das Personal der Fachkommissariate steht hingegen häufig nur während der Tagesdienstzeiten zur Verfügung. Für besondere Fälle gibt es Bereitschaftsdienste (z.B. Mord- und Brandbereitschaft). Die dem Ersten Angriff folgenden Ermittlungen werden in Nordrhein-Westfalen regelmäßig durch Kräfte der Kriminalpolizei aus den Fach- oder Regionalkommissariaten vorgenommen.

Für ihre späteren Entscheidungen benötigen die Staatsanwaltschaft und das Gericht eine belastbare Daten- und Faktenlage, ein Urteil vor Gericht kann später nur auf in der StPO benannte Beweismittel gestützt werden. Diese gilt es bereits in der Erstphase des Ermittlungsverfahrens durch die Polizei möglichst umfangreich zu sichern und zu erheben.

„Der...

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