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E-Book

Tagebuch eines Telefonisten

AutorRoland Scheller
VerlagBookRix
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl140 Seiten
ISBN9783864793943
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Das hier vorliegende Tagebuch wurde fast ausschließlich während der Arbeitszeit in Call-Centern geschrieben. Das Anfertigen von Notizen war in Call-Centern verboten, ebenso wie das Lösen von Kreuzworträtseln. Die Einträge wurden auf Schmierzetteln bzw. Notizzetteln geschrieben, meistens während der Anwahl von Rufnummern der Befragungspersonen.

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Leseprobe

Es ist mir jetzt erst klar geworden, dass das, was ich in den letzten knapp 14 Monaten gearbeitet habe, unter die Bezeichnung Scheinselbständigkeit fällt. Ich habe davon zwar häufig etwas in der Zeitung gelesen, im Fernsehen oder in Gesprächen gehört, jedoch war mir bisher nicht klar, dass das Arbeitsverhältnis als „freier Mitarbeiter“ in den drei bisherigen Firmen mit diesem Begriff bezeichnet wird. Die Vorgesetzten haben immer so getan, als wäre es eine Art von journalistischer Arbeit, die wir machen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Studenten und Schüler deshalb ihr Studium oder ihre Schule schmeißen mussten, weil sie wegen der schlechten Arbeitsbedingungen und der miesen Bezahlung diese nicht schaffen konnten. In Berlin gibt es bestimmt hunderte von Callcentern, da jede größere Firma eines hat. Da wird wohl das meiste auch über Scheinselbständigkeit laufen. Die Millionen von Bildschirmarbeitsplätzen, die als belastende schwere Arbeit zu begreifen sind, also die Arbeit, die zum Teil auch in der New Economy entstanden ist, ist gänzlich unterbezahlt. Für Bildschirmarbeit in Form von Telefonistenarbeit wird teilweise deutlich weniger als 5 ,bezahlt, manchmal gibt es Null, wenn nach Leistung bezahlt wird und lange keine Interviews geführt werden, da die Interviews zu schrecklich sind. Allein die rechtliche Stellung wirkt verdummend auf die Telefonisten.
Heute war ich kurz nach 17 Uhr bei INFRATEL. Ich fand zwar meinen „Tabo“, jedoch stand ich nicht auf der Liste der Leute, die einen „Bildschirmplatz angemietet“ hatten. Ich fragte den Einsatzleiter. Der Telefonierte schnell von seinem Büro aus, erfuhr, dass ich tatsächlich nicht für heute eingetragen bin. Folglich musste ich wieder gehen, nachdem ich eine halbe Stunde mit S- und U-Bahn unterwegs war. Ich erklärte, dass es für mich häufig problematisch sei, wenn ich am Montag Termine aussuche, diese mir auch in mein Notizblock notiere, dann jedoch am Donnerstag darüber informiert werde, welche Termine ich davon tatsächlich bekomme. Somit habe ich genau zwei kleine Tabellen mit Terminen mit jeweils demselben Datum mit Tag, Monat und Jahr: einmal die Termine mit der Wunschliste, zum anderen die wirklich genehmigten Termine. Das ist kein Wunder, dass ich das mal durcheinander gebracht habe. Doch der Einsatzleiter wollte mir gleich Verwirrung unterstellen, sagte, dass ich der erste Telefonist überhaupt gewesen sei, der umsonst gekommen ist. Dabei hat die Supervisorin Katja uns während der Schulung gesagt, dass regelmäßig Leute zu nicht genehmigten Terminen auftauchen, die unter Umständen für den Tag doch eine Genehmigung erhalten, und zwar dann, wenn sich einer der Telefonisten verspätet. Entweder Katja hat die Wahrheit gesagt, und der Einsatzleiter wollte mich für blöd verkaufen, oder Katja wollte uns mit dieser Info während der Schulung darauf konditionieren, ja pünktlich zu kommen. Das ist das Problem, die SupervisorInnen bekommen Anweisungen über Telefon von Leuten, die sie noch nie gesehen haben und führen diese ohne zu hinterfragen aus. Der Einsatzleiter ist ja nur etwa viermal die Woche da, der kann das ja sowieso nicht wissen. Es sei denn, dass die SupervisorInnen Anweisungen haben, dieses zu notieren, für den Fall, dass sich tatsächlich mal jemand im Datum täuscht. Trotz all dieser Missstände würde ich gerne weiter dort arbeiten, da ich die Telefonistinnen dort so herrlich durchgeknallt finde. Im Nachhinein finde ich die Schulung, die wir anfangs erhalten haben, absolut unhaltbar. Die zwei Supervisorinnen Daniela und Tanja, auf Punk gestylt, erzählten uns umgangssprachlich, was wir zu machen haben und was wir unterlassen müssen. Es ist zum größten Teil eine Verbotsliste gewesen, die Handlungen aufzählte, die wir zu unterlassen hätten.


8.2.2003
INFRATEL

FAB-TV (1 Interview)

So, für heute stehe ich wieder auf der Liste und habe gerade den Telefonbetrieb wieder aufgenommen. Ich traf auf dem Hof die Alte. Die hat heute Morgen schon eine Schicht gemacht und will heute Nachmittag die zweite Schicht telefonieren. Sie erzählte, dass der PC-Pool Nr. 1 heute Morgen um 10 Uhr nicht geheizt war, deshalb war es dort eiskalt. Da wir draußen ein paar Grad unter Null haben, war es sicher auch im PC-Pool recht kalt. Die alte Frau jedenfalls hat bis etwa 12 Uhr gefroren, von da an wurde es etwas wärmer im PC-Pool.

Eben in der Pause beschwerte sich eine blutjunge Telefonistin, dass die Luft in den PC-Pools immer so schlecht sei. Ganz schlimm findet sie es, wenn jemand Knoblauch gegessen hat. Wenn hier im Winter jemand ein Fenster öffnet, frieren die Leute vorne an den Fenstern, die hinten sitzen im alten mief. Diese vier Räume hier sind im Grunde genommen gar nicht PC-Pool tauglich, ganz abgesehen von dem schlechten Equipment und der Tatsache, dass die Bildschirmarbeitsplätze nicht den Din-Normen entsprechen, die meines Wissens nach bundesweit verbindlich sein sollen. Aber jedenfalls haben die hier keine Rechner unter dem Tisch, an denen wir uns immerzu die Knie stoßen. Ich beschwerte mich eben bei den beiden SupervisorInnen, die heute hier sind. Sie akzeptierten zwar, dass der Eingabemechanismus kompliziert ist, animierten mich daraufhin jedoch zum Weitermachen. Dieses System geht mir total auf die Nerven. Ich fragte die Supervisorin auch gleich zu Beginn der Schicht, ob sie mir das Reinigungsmittel geben könne, da mein Bildschirm wieder total verdreckt war.
Ich saß anfangs in PC-Pool 2, vorne am Fenster waren noch mehrere Plätze frei, doch ich saß hinten in der Ecke. Ich fragte, ob ich ans Fenster wechseln könne, um etwas mehr Licht zu bekommen. Die Supervisorin sagte mir, ich könne in PC-Pool 1 wechseln. Hier habe ich jetzt etwas länger als eine Stunde telefoniert. Heute gibt es nicht genug Studien. Mehrere Leute durften bereits nach Hause gehen.
Eben kam die Supervisorin, sagte, ich solle in den PC-Pool 3 wechseln. Das ist ein wenig chaotisch.

17.20 Uhr
So, ich sitze jetzt in PC-Pool 3. Ich soll eine andere Studie telefonieren, die genauso sein soll, wie das bisher telefonierte über das Fernsehverhalten.
Auf keinem der Monitore ist ein Aufkleber, der darüber informiert, wie hoch die Strahlung ist.
Die Tastatur bei den Rechnern hier funktioniert übrigens auch nicht richtig. Die Zahlen auf der rechten Seite funktionieren nicht, ich kann über die Tasten keine Zahlen eingeben. Das kann man sonst wohl an jedem Rechner. Hier ist auch ständig schlechte Luft, sogar wenn gerade gelüftet wurde.
Heute muss ich schon um 18.15 Uhr Schluss machen. Mir gehen also 45 Minuten durch die Lappen.

Bevor ich ging, wollte ich die eine Supervisorin fragen, ob es das für heute war. Sie war in einem Gespräch mit einem der Telefonisten. Bevor ich auch nur ein Wort sagte, keifte mich der Telefonist an: „Wir wollen uns jetzt in Ruhe unterhalten“. Das war sehr aggressiv. Die scheinen alle gereizt zu sein. Für die kommende Woche sind bei vielen nur wenige Termine genehmigt worden. Es sieht wohl mit der Auftragslage sehr schlecht aus.


9.2.2003
INFRATEL

FAB-TV (2 Interviews)

An meinem Platz heute ist das linke Standbein vom Keyboard abgebrochen. Somit kann ich nicht vernünftig tippen.
Die Supervisorin hat eben gerade das Keyboard ausgebaut und das vom freien Nachbarplatz hier installiert. Ich weiß nun nicht, ob die das jetzt einfach so nebenan angeschlossen hat, ich glaube ja. Mein Nachbar auf der anderen Seite kam heute schnellen Schrittes hier in den Pool, gab als allererstes seine Interviewernummer ein und fing im Stehen noch mit seinen Klamotten bekleidet an zu telefonieren. Er erzählte mir, dass er erfahren hätte, dass wir die Wochenendprämie von 4 EUR nicht erhalten würden, wenn wir nicht absolut pünktlich um 15 Uhr mit dem Telefonieren anfangen. Für jede Schicht am Wochenende gibt es also 4 EUR Zuschlag. Der Telefonist schränkte seine Aussage danach ein, sagte, es könne auch eine Fehlinformation sein.
Eben hatten wir wieder eine Havarie. Die Leute mussten sogar aus den Interviews raus sofern sie welche führten. Draußen wurde in der Havarie-Zwangspause hektisch geraucht. Niemand bewegte sich. Die meisten standen rum, unterhielten sich zum Teil. Ich machte ein wenig Gymnastik.
Ein Telefonist sagte, er hätte Gestern starke Halsschmerzen gehabt. Ich mischte mich in das Gespräch ein, fragte, ob das vom Telefonieren käme. Er sagte, er sei erkältet, sagte jedoch, dass viele Telefonisten durch diesen Job auch Halsschmerzen bekommen. Er sagte, dass diese Dauerbelastung auch Kehlkopfkrebs auslösen soll. Das war echt krass. Wir diskutierten darüber, wie viele Telefonisten sich überhaupt in einem PC-Pool aufhalten dürfen und ob PC-Pools rechtlich als Wohn- oder Büroräume gelten. Es stellte sich auch die Frage, ab wie viel Leuten beispielsweise eine Lüftung obligatorisch sei.
Als es eben mit den Interviews weiterging, fand ich gleich einen Programmierungsfehler in der Tabelle. Wenn ich extra Nennungen aufnehmen muss, so ist das problematisch, da ich immer wieder auf den Seiten hin und her springen muss um das x in die Tabelle einfügen zu können. Wenn jemand für eine längere Zeit denselben Fernsehsender gesehen hat, der nicht in der Liste ist, so müssen wir den Namen des Senders extra eingeben, dieser wird...

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