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Terrorismus A/D

Wechselwirkungen zwischen analoger und digitaler Sphäre

VerlagCSW-Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783941287716
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Cyberterrorismus ist kein neues Phänomen: nicht erst seit der Hochphase des islamistischen Terrors rund um 9/11 dürfte allgemein bekannt sein, dass alle Beteiligten - Staaten wie Terroristen - versuchen, digitale Entwicklungen wie das World Wide Web massiv für ihre Zwecke zu nutzen, beispielsweise auf der Propaganda- und der Rekrutierungsebene. Aufgrund dieser Entwicklungen ist auch der Begriff des Cyberkrieges nicht neu: 'Cyber'-Phänomene dieser Art wurden in den letzten Jahren teilweise sehr intensiv ausgeleuchtet, Begrifflichkeiten geprägt - und Szenarien realisiert. Was bislang fehlte, war eine gleichberechtigte Analyse der Wechselwirkungen zwischen analoger und digitaler Lebensrealität, sprich: ein Ausleuchten der Pfade zwischen neuen Cyber-Phänomenen und 'alter Welt'. Das Digitale potenziert sowohl die Chancen als auch die Risiken, es löst sie jedoch nicht automatisch ab. Es erschien deshalb zwingend notwendig, den Terminus der Wechselwirkung besonders zu betonen und hier genauer hinzuschauen. Es geht nicht um Einbahnstraßen von analog nach digital, auch nicht um Ablösungen, sondern um permanentes Pendeln zwischen den Polen: Wie prägt eigentlich Digitalisierung ein kulturelles/rechtliches/soziales Bild von Terrorismus und wie prägt diese (erneuerte) Sichtweise wiederum die digitale (Anti-)Terror-Arbeit? Wie stark sind diese Wechselwirkungen in den unterschiedlichen Bereichen, welche Akteure dominieren bzw. werden dominiert, welche Faktoren spielen hier eine besondere Rolle und wann haben sich welche Wechselwirkungen überhaupt herausgebildet, manifestiert oder auch wieder aufgelöst? Seitdem klar geworden ist, daß man mit digitalen Möglichkeiten nun auch nicht-digitale Phänomene sehr präzise und wirkungsvoll analysieren kann (und nicht nur umgekehrt), erscheint die Ausleuchtung der Wechselwirkungen zwischen analoger und digitaler Sphäre geradezu unausweichlich.

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Leseprobe

Medium – Technik – Krieg.


Analoger Terrorismus und digitale Terrorismusbekämpfung im Post-9/11-Spielfilm "Body of Lies"


Tullio Richter-Hansen

1. Einleitung


Das Kino nach dem 11. September 2001 ist in zweifacher Manier mit der Debatte um Terrorismus und Strategien zu dessen Bekämpfung verbunden. Einerseits greift es die zeitgeschichtliche Thematik auf, ob in Dokumentationen wie "Standard Operating Procedure" (2008) über den Folterskandal in Abu Ghraib oder in Spielfilmen im Rahmen fiktionaler Strukturen. Dies geschieht nicht nur vordergründig, wie etwa in den Arbeiten des britischen Filmemachers Paul Greengrass, "United 93" (2006) über das vierte am 11.9. entführte Flugzeug und "Green Zone" (2010) über den Irak-Einsatz, sondern zudem subtiler, wie im Horrorfilm nach 2005.

Andererseits schreiben all diese Filme den 9/11-Diskurs ihrerseits fort und leisten somit einen nicht unerheblichen Beitrag zum öffentlichen Verständnis von Terrorismus und Anti-Terrorismus-Kampf.

Insbesondere anhand des Beispiels "Body of Lies" (2008) wird dieses wechselseitige Verhältnis beleuchtet. Die filmwissenschaftlich ausgerichteten Überlegungen beschränken sich aus Gründen der Übersichtlichkeit auf US-Spielfilme, lassen also insbesondere Dokumentarfilme sowie außerhalb Amerikas produzierte Spielfilme – beide Felder verdienen gleichermaßen Interesse – weitgehend unberücksichtigt.

2. Terrorismus im Post-9/11-Kino


Ob es ein Genre namens „Terrorismusfilm“ gibt, darüber lässt sich trefflich streiten. Das ist ein Gemeinplatz, aber keine Ausflucht, sondern auch filmtheoretisch geradezu eine Notwendigkeit. Rick Altmans Filmgenremodell ist die Erkenntnis zu verdanken, dass eben im Diskurs eines der Wesensmerkmale generischer Kategorisierungen liegt.[1] Semantische und syntaktische Kriterien – die ersten beiden Aspekte von Altmans dreiteiliger Theorie – ließen sich zweifellos auch für ein Filmgenre zum Terrorismus aufstellen. Insbesondere der terroristische Akt selbst, der Anschlag, scheint als Satzteil eines solchen Genres unabdingbar.

Der Konflikt terroristisch aktiver versus den Terrorismus bekämpfender Figuren oder Parteien liegt wiederum als syntaktische Gemeinsamkeit nahe. Ein Werk wie "Paradise Now" (2005), das Terrorismus aus einer Innenperspektive heraus verhandelt, würde durch eine solche Setzung aber ausgeklammert. Ähnliche Gegenbeispiele lassen sich für beinahe alle derartigen Vorschläge finden – selbst für die Notwendigkeit eines Terroranschlags, sogar überhaupt des Terrorismusbegriffs, wie der sehr zentral mit der Thematik beschäftigte Film "Charlie Wilson’s War" (2007) zeigt. Die notwendig multidiskursive, stark subjektive dritte Komponente von Altmans Modell, die Pragmatik, mahnt somit die fortwährende und flexible Verständigung in der Genrepraktik an. Im Sinne Altmans handelt es sich beim „Terrorismusfilm“ zunächst um einen Zirkel („cycle“) grundsätzlich als verwandt rezipierter Filme – und somit um die Vorstufe eines möglichen Genres, das eine weitere Etablierung voraussetzt.[2]

Nach vereinzelten, mit vergleichsweise hoher Medienaufmerksamkeit bedachten Selbstzensuren und Terminverschiebungen in unmittelbarer Folge der Anschläge des 11. Septembers 2001 herrscht im Kino des Terrorismus zunächst weitgehende Zurückhaltung. Bis zum unmittelbaren Aufgreifen von 9/11 durch das Hollywood-Kino nach rund fünf Jahren verlagert sich die Auseinandersetzung zunächst in indirekte Thematisierungen im Horrorfilm – wie etwa in "Saw" (2004) und "Hostel" (2005). Mit "United 93" findet 2006 erstmals ein Versuch der offenen spielfilmischen Bearbeitung des 11. Septembers statt, der gleichzeitig eine Art Startschuss für eine bis heute andauernde Reihe von Filmen bildet, die sich bald zentral des so genannten ‚War on Terror‘[3] annehmen.

Auch zur Evolution der Technik hat das Kino – als erste ausschließlich technisch produzierbare Kunst – eine traditionelle Affinität. So tritt das komplexe Verhältnis zwischen ‚alter‘ analoger und ‚neuer‘ digitaler Sphäre (anti-)terroristischer Funktionsweisen auch und besonders im Film nach 2001 zutage.[4] Indem die Post-9/11-Spielfilme zwischen realem Kontext und spielerischer Fiktion oszillieren, tragen sie den in stetiger Veränderung begriffenen Rahmenbedingungen des ‚Anti-Terror-Krieges‘ Rechnung.

Gerhard Paul fasst das Paradox des dezidiert bildlichen Ereignisses 9/11 und des umso bilderärmeren Kriegsgeschehens in dessen Folge zusammen:

Die Antwort auf die visuelle Kriegserklärung vom 11. September war der ziellose Krieg in Afghanistan, der erste Krieg, der nicht für und in einem visuellen Medium geführt wurde, sondern hiervon abgespalten existierte.[5]

Die von der westlichen Allianz „medial konstruierte Realität eines Krieges, der gar nicht stattfindet“, stehe dabei dem „tatsächlichen, teils digitalisierten, teils konventionell geführten Krieg“[6] gegenüber, so Paul. Die diffuse globale Auseinandersetzung kann demnach als Information War gefasst werden, den auch Markus Metz und Georg Seeßlen hinterfragen:

Informationskrieg, das klingt […] nach chirurgischem Eingriff […], ohne daß ein Tropfen Blut fließt. […] Ist das Krieg um Information, Krieg gegen Information, Krieg mit Hilfe von Information? Informationskrieg ist alles zusammen […].[7]

Garrett Stewart bietet in verwandtem Kontext etwa „Imaging War“, Bilderkrieg, als Bezeichnung an[8] – ein Begriff, der sich etwa bereits bei Hartmut Böhme findet.[9] Ganz gleich, mit welchen Beinamen dieser Aspekt des Konfliktes belegt wird, scheint seine wesentliche Medialität unbestreitbar. Fragen nach den Funktionsweisen, den Akteuren, den Effekten, nicht zuletzt nach der medialen Struktur des ‚Anti-Terror-Krieges‘ stellt auch das zeitgenössische US-Kino in mittlerweile beträchtlichem Umfang. Die Ansätze reichen von der umstrittenen Auslieferungspraxis Terrorismusverdächtiger in "Rendition" (2007) über durch amerikanische Soldaten begangene Kriegsverbrechen in "Redacted" (2007) bis hin zur Jagd und Tötung Osama Bin Ladens in "Zero Dark Thirty" (2012). Unblutig verläuft der wie auch immer benannte Krieg im Kino in jedem Fall nicht, soviel lässt sich mit Blick auf die von Metz/Seeßlen formulierte Utopie zunächst flüchtig resümieren.

3. "Body of Lies"


Wie Terrorismus und dessen Bekämpfung im aktuellen Spielfilm repräsentiert und bewertet wird, lässt sich mit Ridley Scotts "Body of Lies"[10] veranschaulichen. Der Film von 2008 ist die Adaption des gleichnamigen Romans des Nahostexperten David Ignatius und hat ‚Terror‘ und dessen Folgen zum zentralen Thema. Auch durch Einblendungen realer Ortsnamen (Irak, Katar, Jordanien, Dubai, Syrien) und Nennung einschlägiger Begriffe („Al-Qaida“, „Osama“, „Guantanamo“) beansprucht der Spielfilm eine hohe grundsätzliche Authentizität, ungeachtet des fiktiven Charakters der konkreten Handlung.

Leonardo DiCaprio spielt den zunächst im Irak stationierten CIA-Agenten Roger Ferris. Nach einer Serie terroristischer Anschläge in Europa ist er mit der Ermittlung der Hintermänner betraut, die mit dem Al-Qaida-Netzwerk verbunden sein sollen. Ferris steht in ständiger Verbindung zu seinem Vorgesetzten Ed Hoffman, verkörpert von Russell Crowe, der in den USA die Nahost-Abteilung der CIA leitet. Nachdem Ferris einen terroristischen Unterschlupf in Jordanien aufgedeckt hat, beginnt er mit dem Chef des dortigen Geheimdienstes Hani Salaam (Mark Strong) zusammenzuarbeiten. Die Kooperation misslingt, als Hoffman durch eigenmächtiges Eingreifen die geheimdienstlichen Aktivitäten kompromittiert.

‚Wir können euch beobachten‘, lautet die Devise der amerikanischen Informationskrieger, ‚ihr uns aber nicht – deshalb gewinnen wir.‘[11]

In "Body of Lies" werden die Wechselwirkungen zwischen analoger und digitaler Sphäre des gegenwärtigen Terrorismusphänomens zugespitzt deutlich. Der vermeintliche Clash auch medialer Kulturen wird hier zunächst in der wesentlichen Problemstellung des Plots verhandelt, die in der Rückbesinnung ‚islamistischer‘ Terroristen auf analoge Kommunikationskanäle im Angesicht der überlegenen Abhörtechnologie der USA besteht. Als etwa ein weiteres Attentat in Amsterdam initiiert wird, geschieht dies in Form eines simplen Papierfetzens, versteckt in einer Mülltonne. Der Verzicht auf Mobiltelefone und E-Mails, die Informationsweitergabe von Angesicht zu Angesicht oder handschriftlich führt die elektronische Überwachung ad absurdum. Romanautor Ignatius bestätigt diese Grundannahme des...

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