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'Umb daz sü deste me harkoment'. Das städtische Kaufhaus im Wirtschaftsleben des spätmittelalterlichen Straßburg

Entstehung, Verwaltung, Funktion

AutorChristoph Heckl
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl81 Seiten
ISBN9783656880509
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Geschichte Europa - and. Länder - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 1,0, Universität zu Köln (Historisches Institut), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Einrichtung von städtischen Kaufhäusern wurde in der Forschung als die 'wichtigste wirtschaftstopographische Veränderung' der mittelalterlichen Stadt bezeichnet. Auch in Straßburg markiert die Errichtung des Kaufhauses im Jahr 1358 einen zentralen Einschnitt. Die vorliegende Arbeit stellt einen Versuch dar, die konkrete Bedeutung herauszuarbeiten, die dem Kaufhaus im Gefüge der Straßburger Wirtschaft im Spätmittelalter zukam. Eine Hauptursache der Entstehung von Kaufhäusern - die im ersten Kapitel beschrieben wird - war die Ausweitung des Fernhandels im späten Mittelalter. An diese die wichtigsten Faktoren zusammenfassenden Präliminarien schließt sich ein Überblick über den Handel Straßburgs im Spätmittelalter an. Der folgende Hauptteil der Arbeit spürt zunächst - anhand der wenigen vorhandenen Quellen - der Entstehung des Straßburger Kaufhauses im 14. Jahrhundert nach, um dann seine Baugestalt sowie seine sukzessiven Erweiterungen darzustellen. Daran anschließend wird in Kapiteln zum Kaufhauspersonal und seinen Aufgaben sowie der Kontrolle durch das Stadtregiment die Verwaltung des Kaufhauses erläutert. Vor diesem Hintergrund rekonstruieren die nächsten Kapitel anhand der verschiedenen überlieferten Zolllisten die unterschiedlichen Handelsabgaben und das Warenangebot. Da mehrere Zolllisten aus dem 15. Jahrhundert vorliegen, lassen sich auch Rückschlüsse auf die Entwicklung des Warensortiments ziehen. Der Organisation des Handels mit diesen Waren im Kaufhaus widmet sich das folgende Kapitel. Dabei stellt sich als zentrale Frage, ob es in Straßburg einen Kaufhaus- und/oder einen Feilbietungszwang gegeben hat, und weiterhin, inwiefern das Kaufhaus und sein Personal Kontrollaufgaben bei der Erhebung der städtischen Handelsabgaben ausübten. Die Erörterung der Funktion, die dem Kaufhaus in der Messezeit zukam, schließt diesen Teil der Arbeit ab. In einem letzten Kapitel wird auf Grundlage der Reglementierungen des Kaufhaushandels der Versuch unternommen, Tendenzen in der Handelspolitik der Stadt aufzuzeigen. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, ob sich diese eher handelsförderlich oder eher handelshemmend gestaltete. Die Beantwortung dieser Frage versteht sich als Beitrag, dem Kaufhaus im Gefüge der Straßburger Wirtschaft einen gebührenden Platz zuzuweisen.

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Leseprobe

5. Die Reglementierung des Handels im Kaufhaus als Ausdruck der Handelspolitik des Straßburger Rates


 

Wie bereits dargelegt, kam dem Kaufhaus als Zentrale zur Erhebung der Handels- und Durchgangszölle eine tragende Rolle im Gefüge des Straßburger Handels zu. Die Quellen, Zolllisten, Bestimmungen der Kaufhausordnungen, Kommissionsgutachten etc., die teilweise sogar mit Kommentaren überliefert sind, geben Aufschluss über die handelspolitischen Maßnahmen der Stadt.[395]

 

5.1 Handelsförderliche oder -hemmende Zollpolitik?


 

Was für eine Handelspolitik – die oft auch im Hinblick auf das Allgemeinwohl betrieben wurde[396] – verfolgte aber der Straßburger Rat? Dollinger macht zwei verschiedene Phasen der Wirtschaftspolitik aus. Die Zeit bis 1349 trage das Signum eines „libéralisme économique“[397]. In der Zeit danach aber, erklärt er, habe man eine neue Politik verfolgt, die sich in der Errichtung des Kaufhauses manifestiert habe.[398] Diese zweite Phase klassifizierte die Forschung hinsichtlich der Handelspolitik, und zwar insbesondere der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, auf Grundlage einer Analyse der Kaufhausordnungen als so fiskalisch, dass sie sich handelsfeindlich ausgewirkt habe.[399] Als Ursache dafür wurde ein durch politische Krisen gesteigerter Finanzbedarf der Stadt[400] in Kombination mit einer fehlenden Einsicht in die Zusammenhänge zwischen hoher fiskalischer Belastung und wirtschaftlichem Wachstum angeführt.[401] Ein Wandel sei erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erfolgt,[402] welcher an einer Zollordnung von 1461 zu belegen sei.[403]

 

Demgegenüber finden sich jedoch zahlreiche Hinweise darauf, dass das Stadtregiment bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gezielt den Handel fördernde Maßnahmen ergriff, die auch den Kaufhaushandel betrafen, um so die Einnahmen der Stadt zu steigern. Die wichtigste dieser Maßnahmen war die Verringerung der Handelsabgaben. Diese ließen die Transaktionskosten – beim Transitzoll die Transportkosten – der Kaufleute ansteigen. Schmälerte sich deren Gewinnspanne dadurch zu sehr, konnte sie dies dazu bewegen, ihre Waren entweder lediglich durch Straßburg durchzuführen oder – im für die Stadt schlimmsten Fall – den Handelsplatz ganz zu umfahren, wodurch die direkten Handelseinnahmen sanken, das Warenangebot auf dem Markt kleiner wurde und sich die Absatzmöglichkeiten für Straßburger Produzenten verschlechterten.

 

Um die Zufuhr zu steigern, verringerte die Stadt daher die Verkehrssteuern von besonders nachgefragten Gütern, die meist im Kaufhaus ver- und gekauft wurden. Dies geschah bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts. So wurde bereits 1405 die Verkehrssteuer für Eisen um die Hälfte abgesenkt. Dank der Absenkung des Tarifs konnten Eisenhändler ihre Ware günstiger absetzen, wodurch der Rat sich offenbar eine Belebung des Marktes erhoffte (daz gewerbe villihte deste besser werde).[404] Von dem Bemühen, die Zufuhr mit diesem für das Handwerk der Stadt so wichtigen Metall sicherzustellen, sprechen auch andere Verordnungen.[405]

 

Dass der Rat eigens Kommissionen einsetzte, die über Änderungen in Zollsachen berieten, zeugt davon, dass er sich der weitreichenden Konsequenzen solcher Entscheidungen für den Markt bewusst war. Die Kommissionen waren mit den Experten der Stadt in Finanz- und Handelsfragen besetzt.[406] Die Maßnahmen, die sie den Ratsmitgliedern und Kollegien empfahlen, wurden auf Grundlage einer vorausgehenden Sachdiskussion gefasst, die mit einem Mehrheitsvotum abgeschlossen wurde.[407]

 

Im Gutachten einer solchen Kommission wird hinsichtlich einer beschlossenen Zollsenkung für Stürze[408] explizit als Ziel genannt, dass dadurch die Kaufleute deste me harkoment und der stat ouch deste fürer gezollet werde.[409] Hier findet sich also bereits Jahrzehnte vor 1461 die Annahme, dass durch Zollsenkungen eine Steigerung des Handelsvolumens erreicht werden kann, was dann die niedrigeren Tarife wieder aufwiegt.[410]

 

Dieselbe Kommission sprach sich unter anderem auch dafür aus, die Abgabe des Verkäufers für Baumwolltuch um ca. 30 % zu senken, während die des Käufers beibehalten werden sollte.[411] Auch dies war eine bewusste Förderung der (fremden) Importeure, die ihre Geschäfte im Kaufhaus abwickeln mussten, da in Straßburg im 15. Jahrhundert überwiegend tierische Wolle verwoben wurde.[412] Die Kommission beschloss außerdem die Verdopplung des Transitzolls für Schleier, jedoch nur für Straßburger Bürger, während fremde Kaufleute weiterhin den alten – niedrigeren – Tarif zahlen sollten.[413] Auch beim Handel mit Zinn zahlten die Straßburger Händler eine höhere Abgabe als die Fremden.[414] Um Straßburg für die auswärtigen Kaufleute zu einem attraktiven Handelsplatz zu machen, wurden ihnen Vorteile gegenüber den einheimischen Händlern verschafft.[415] Dabei handelte es sich nicht um Einzelfälle. So mussten beispielsweise Straßburger Händler in bestimmten Phasen des 14. und 15. Jahrhunderts im Gegensatz zu den externen Händlern während der Messe Zoll zahlen (vgl. dazu Kap. 4.5.7).

 

Abgesehen von dem bereits erwähnten Transitzoll für Stürze wird der Tarif für den Warendurchgangsverkehr in einer Ordnung von 1401 für durchgehendes lombardisches Tuch, Wolle und Baumwolle genannt.[416] Für Tuch war dieser moderat, Wolle und Baumwolle wurden vergleichsweise hoch veranschlagt.[417]

 

Bei aller Senkung der Tarife, bleibt deutlich, dass Straßburg durch die Erhebung von Durchfuhrzöllen und anderen Abgaben seine Einnahmen steigern wollte. Die Handelsabgaben scheinen allerdings im Verhältnis zum Warenwert eher maßvoll gewesen zu sein (vgl. Kap. 4.5.2). Eine geradezu missbräuchliche („abusive“) Besteuerung, wie Lévy-Mertz sie annimmt, erscheint daher nicht wahrscheinlich.[418] Bis zum Jahr 1461 sind keinerlei Klagen über ein Ausbleiben der Kaufleute überliefert, was ein Indiz dafür ist, dass die Handelsabgaben sich nicht handelsfeindlich auswirkten.

 

Bemerkenswert ist insofern, dass der Rat auch vor dem Hintergrund der immens steigenden Verschuldung der Stadt in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts[419] keine einseitigen Maßnahmen ergriff, den Handel mit hohen Abgaben zu belegen, um die Verschuldung zu vermindern. Stattdessen betrieb man zur Sanierung der Stadt eine „konsequente Finanzpolitik“ rationaler Einsparungen.[420]

 

Im Jahr 1461 konstatierte allerdings eine Kommission, die offenbar eingesetzt wurde, um die Ursachen für einen Rückgang der Handelsgeschäfte zu untersuchen, für bestimmte Waren, darunter auch das im Kaufhaus gehandelte Tuch, sowohl einen Rückgang der Handelsgeschäfte fremder Kaufleute als auch des Durchgangsverkehrs.[421] Dies führt die Kommission auf die Besteuerung unverkaufter Resttuche zurück. Der Händler musste nämlich für Tuch, das er im Kaufhaus zwar angeboten hatte, aber unverkauft geblieben war, bei der Ausfuhr die Hälfte der Verkaufsabgabe zahlen. Das entsprach ca. 0,8 % des Warenwerts bzw. Verkaufspreises (vgl. Kap. 4.5.2). Diese Regelung sollte die Kaufleute dazu bewegen, möglichst all ihre Ware in der Stadt abzusetzen und bei sinkender Nachfrage lieber den Preis etwas zu senken als die Tuche wieder fortzuführen, was der Stadtbevölkerung zugute kam.

 

Aus diesem Grund waren die Tuchhändler nach Auffassung der Kommission dazu übergegangen, ihre Tuche lieber durchzuführen als zum Verkauf anzubieten und teilweise auch den Handelsplatz ganz zu umfahren.[422] Bezeichnenderweise entschied die Kommission nicht, als Gegenmaßnahme den Transitzoll zu erhöhen, um die Händler auf diese Weise zum Verkauf ihrer Waren in der Stadt zu bewegen. Dies hätte einer in vielen Städten häufig praktizierten Stapelpolitik entsprochen.[423] Ein höherer Transitzoll hätte insofern die Gefahr einer (weiteren) Umgehung der Stadt seitens der Kaufleute beinhaltet. Stattdessen versuchte man den Handel anzukurbeln, indem man den Zoll für unverkaufte Tuche von der Hälfte auf nunmehr ca. ein Viertel der Verkaufsabgabe absenkte.[424] Dies sollte einen Anreiz für die Kaufleute schaffen, das Tuch nicht nur durchzuführen, sondern auch im Kaufhaus feilzubieten.

 

Die Kommissionsmitglieder konstatierten auch die Umgehung Straßburgs von Händlern, die mit Salz und Eisen handelten.[425] Diese en gros im Kaufhaus gehandelten Produkte waren für die Stadt besonders wichtig, weswegen unverkaufte sowie durchgeführte Waren vormals mit hohen Abgaben belegt worden waren. Im Falle des Eisens hatte man, wie es heißt, zwischenzeitlich mit einer Regelung experimentiert, wonach Händler, die das Metall unverkoͧft fürfieren wollten, eine fünfmal so hohe Abgabe wie für den Verkauf in Straßburg zahlen sollten. Dadurch seien die Kaufleute auf das nördlich gelegene Rastatt...

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