Die Motorisierung der britischen Armee mit leichten LKW und PKW zu Kriegsbeginn
Insgesamt befanden sich 1939/40 in einer britischen Infanteriedivision der BEF3 über 3100 Motorfahrzeuge. Davon waren jeweils 349 LKW mit 1,5 Tonnen (30 cwt4) und 206 Lastkraftwagen mit drei Tonnen (60 cwt) Ladefähigkeit. Jedes Infanteriebataillon verfügte standardmäßig über 41 geländegängige Gefechtsfahrzeuge (zumeist Bren-Carrier5) und über 13 Lastkraftwagen, auf denen rund ein Drittel des Bataillons befördert werden konnte, vor allem Führungsteile, schwere Waffen und Trosse. Um auch die übrigen Teile beweglich machen zu können, wurde von den Korpstruppen eine Kraftwagen-Transportkompanie mit drei Zügen zu je 25 LKW detachiert, von denen jeweils ein Zug für den Transport eines Bataillons bestimmt war. Wenn das auch noch nicht eine vollständige Motorisierung der britischen Infanterie bedeutete, so wurde im Gegensatz zum deutschen Infanteristen ein britischer durch dieses teilmotorisierte System schon zu Beginn des Zweiten Weltkrieges recht beweglich gemacht. Vollständig motorisiert waren schon die „Motor Battalions“6, das waren die Infanteriebataillone der „Armoured Brigades“. Ihnen fehlte es im Vergleich zu deutschen Panzergrenadierbataillonen jedoch an Feuerkraft.
Die Kavallerie war in den Vorkriegsjahren zum größten Teil motorisiert worden, es gab jedoch noch im Jahre 1940 vier reguläre berittene Kavallerieregimenter. Sie wurden zur 1st Cavalry Division zusammengefasst und im Mai 1940 ins Mandatsgebiet Palästina zu Sicherungsaufgaben geschickt, um dort stationierte Infanterieeinheiten für den Kampfeinsatz andernorts freizumachen. 1941 wurde die 1st Cavalry Division schließlich auch mechanisiert und so zur 10th Armoured Division.7 Die Situation bei der Infanterie war bedeutend besser als bei der Panzerwaffe: es gab zuwenig Panzerbrigaden und deren Ausrüstung war überwiegend nicht auf dem Stand der Technik. Das mag schon verwundern, war doch Großbritannien das Mutterland des Panzers und hatte schon in den 1920er-Jahren eine vollmechanisierte Brigade besessen. Allerdings flossen danach zu wenige finanzielle und personelle Ressourcen in den Aufbau der Panzerwaffe. Für die Motorisierung der Versorgungsdienste, die Beweglichmachung der Artillerie und Bereitstellung von Transportfahrzeugen wurde hingegen viel getan – viel mehr als in anderen europäischen Staaten. Die Hälfte des für die Anschaffung von Kraftahrzeugen vorgesehenen Budgets in den letzten Vorkriegsjahren floss in die Motorisierung der Infanterieeinheiten. Und in der Tat konnte die britische Automobilindustrie gute Fahrzeuge in ausreichender Stückzahl liefern. Als dann allerdings mit Kriegsausbruch im September 1939 etliche Einheiten der Territorials (also der freiwilligen Reserve) mobilisiert wurden, musste auf Material zurückgegriffen werden, das aus dem Zivilleben requiriert worden war. In den 1930er-Jahren bauten die großen britischen Nutzfahrzeughersteller Lastkraftwagen, die nach militärischen Spezifikationen entwickelt wurden. Man erhoffte sich damals auch Verkäufe auf dem Zivilmarkt, und tatsächlich gab es staatliche Zuschüsse für Unternehmen, die LKW, welche als Militärlastwagen entwickelt worden waren, kauften. Das taten dann auch einige (beispielsweise in der Forstwirtschaft), aber insgesamt doch weniger als von den Behörden erhofft. Denn ein militärischer LKW ist zwar in der Regel robuster, aber im täglichen Betrieb auch sehr viel teurer als ein handelsüblicher. Natürlich gehörten zu den britischen Streitkräften neben den Frontverbänden auch die vielen Versorgungs- und Unterstützungseinheiten im britischen Mutterland, Reserveverbände und administrative Dienststellen, dazu noch die Royal Air Force und die Royal Navy. Alles zusammen ergab das einen riesigen Apparat mit dem entsprechenden Fahrzeugbedarf. Dieser Fahrzeugpark der britischen Streitkräfte stammte 1939/40 noch fast ausschließlich aus eigener Produktion. Der große Zulauf an US-amerikanischen (vor allem Jeeps und schwere LKW) und kanadischen Fahrzeugen erfolgte erst im weiteren Verlauf des Krieges. Während des Zweiten Weltkriegs baute Kanada mehr Lastkraftwagen und Anhänger für den Militäreinsatz (insgesamt rund 715.000 Stück, dazu kamen rund 82.000 Stabswagen und rund 9500 Geländewagen mit Heckmotor für Indien) als jede andere Nation (mit Ausnahme der Vereinigten Staaten von Amerika). Damit wurden nicht nur die eigenen Streitkräfte, sondern auch britische und andere Commonwealth-Verbände ausgerüstet. Durch die Long Range Desert Group berühmt wurde der 30cwt von Canadian Chevrolet (oder „1940 Chevrolet 1533X2“), das ist nur ein Beispiel. Die Mehrzahl der LKW (in Zahlen: rund 390.000 Stück) wurde nach militärischen Spezifikationen („Canadian Military Pattern“), die von der britischen Armee stammten, produziert. Das war 1940 natürlich alles noch Zukunftsmusik, eine Einbindung der kanadischen Autoindustrie in die Motorisierung der britischen und Commonwealth-Streitkräfte war allerdings schon in den 1930er-Jahren projektiert worden. Man unterläge aber einem Trugschluss, nähme man an, ohne die vielen amerikanischen und kanadischen Fahrzeuge der späteren Kriegsjahre sei die (fast rein britische) Fahrzeugausstattung der ersten Kriegsphase weniger buntscheckig gewesen. Denn das war sie keineswegs. Gerade im Bereich der leichten LKW und der PKW gab es eine große Typenvielfalt mit einigen durchaus technisch hochwertigen Fahrzeugmustern. Das folgende Typenkaleidoskop ist dabei nur ein geringer Ausschnitt aus der großen Palette.
Royal Scots Greys, 1st Cavalry Division, 1941
(Foto: Eric Matson)
Royal Scots Greys, 1st Cavalry Division 1941
(Foto: Eric Matson)
Rolls Royce AC einer RAF Armoured Car Company in Jerusalem 1939
(Foto: LOC)
LRDG Radio-Truck, Nordafrika
(Foto: War Office)
Fahrzeuge der Long Range Desert Group
(Foto: War Office)
Bedford MW
(Foto: Alf van Beem)
Fordson WOT2
(Foto: Alf van Beem)
Humber Heavy Utility Car, Frontansicht
(Foto: Alf van Beem)
Hillman Minx
(Foto: Richard J. Kyte)
Humber Staff Car
(Foto: Dr. David Th. Schiller)
Bei den leichten LKW war der Bedford JC bemerkenswert. Dieser hatte etwa 0,5 Tonnen (10 cwt) Nutzlast. Meist wurde er als Lieferwagen (also mit geschlossenem Aufbau) gebaut. Es gab aber auch eine Ausführung mit offener Ladefläche. Aus dem Vauxhall Model J entwickelt, erzielte der Bedford JC vor allem wegen seines hervorragenden Sechszylinder-Chevrolet-Motors große Verkaufserfolge auf dem zivilen Markt. Viele der zwischen Markteinführung des JC im Juni 1939 und Kriegsausbruch September 1939 verkauften JCs wurden für die Streitkräfte requiriert, der Großteil davon blieb 1940 in Frankreich zurück. Nebenbei bemerkt: der Bedford MW 15cwt (seit 1935 für die Armee entwickelt und ab 1939 eingeführt) wurde bis Kriegsende in einer Stückzahl von 65.995 Fahrzeugen produziert. Der Fordson WOT 2 mit einer Nutzlast von 15 cwt war das kleinste der insgesamt sechs WOT-Modelle8 von Fordson. Es gab ihn als Pritschen- und als Kastenwagen. Von 1939 bis 1945 wurden rund 60.000 Stück dieses hinterradgetriebenen LKWs produziert. Ab einer Nutzlast größer als 15 cwt sprach man übrigens in der britischen Armee offiziell von einem Lorry, ein „15cwt“ war ein Truck. Die Klassifizierung (nach Nutzlast) war erstens 5 cwt, dann 8 cwt, dann 15 cwt; danach folgten (wie erwähnt) die Lorrys. Spezialfahrzeuge gehörten häufig zur Gruppe der „8cwt“ (etwa Funkwagen). Die qualitativ hochwertigen 8cwt-Fahrzeuge wurden vor dem Krieg und in der ersten Kriegsphase gebaut, zumeist waren es 4x2 konfigurierte Fahrzeuge (es gab aber auch ein paar allradgetriebene darunter). Hersteller waren Humber, Morris und Fordson. Vorreiter war die Firma Morris, die den Morris PU aus der 8cwt-Klasse von 1936 bis 1941 produzierte. Zunächst erschien die Version als Funkwagen (Wireless Truck), dann weitere Varianten. 11.500 Einheiten liefen vom Band. Die Fahrzeuge wurden recht häufig im britischen Mandatsgebiet Palästina und in Indien genutzt, auch im Wüstenkrieg in Nordafrika bewährten sie sich.9 Besonderes Interesse verdient der...