Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Mären 'Der Herrgottschnitzer', 'Der Bildschnitzer von Würzburg' und den Fabliaux 'Du prestre crucefié', 'Du prestre teint'
Verbreitung und Modifikation eines literarischen Stoffes
Studienarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Note: 1,3 (Sehr gut), Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Veranstaltung: Märendichtung, 24 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts begegnet uns in der Märendichtung ein Stoff, der, von Frankreich ausgehend, sowohl in Deutschland als auch in Italien weite Verbreitung findet. Der Stoff, um den es sich hier handelt, ist der des Herrgottschnitzer-Schwankes.
Seine grenzüberschreitende Verbreitung hat er unter verschiedenen Namen erfahren: so taucht er in den deutschen Handschriften, die vom ersten Drittel des 14. Jahrhunderts bis etwa zum Jahre 1450 reichen, unter dem Namen Der Herrgottschnitzer oder Der Bildschnitzer von Würzburg auf. In der französischen, älteren Überlieferung trägt der Herrgottschnitzer-Stoff den Titel Du prestre crucefié. Das andere, in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstandene und vermutlich von Gautier le Leu stammende Fabliau trägt die Überschrift Du prestre teint. Ebenso wie in den deutschen Handschriften des HGS.s sind auch im PC. einige Stellen mit allzu blasphemischem Inhalt ausradiert worden.
Wovon handeln nun diese Texte? Kurz gefasst kann bei jeder Fassung folgendes zur Kenntnis genommen werden: ein Geistlicher begehrt die Ehefrau eines kunstschaffenden Handwerkermeisters. Unmittelbar, nachdem dieser das Haus verlassen hat, lässt die Frau den Gottesmann zu sich kommen. Doch noch bevor sie den Beischlaf vollziehen können, erscheint unvermittelt der Ehemann vor der Haustür und fordert, eingelassen zu werden.
Bis dahin zeigt der Handlungsverlauf der vier Texte, zunächst das gängige, symptomatische Schema der 'moralisierenden Schwänke' auf. Was dann jedoch im Erzählmuster dieser Mären folgt, ermöglicht sie erst aufgrund ihrer 'spezifischen Komik' zu einer eigenständigen Gruppe zusammenzuschließen. Das für den Herrgottschnitzer-Stoff repräsentative Motiv sieht wie folgt aus: die Frau verbirgt den Geistlichen in der Weise, dass er nach dem äußeren Anschein wie eine geschnitzte Figur aussieht. Aber der Gottesmann fällt sogleich aus der Rolle, als der Handwerker, der das Spiel durchschaut hat, erklärt, er wolle die anstößigen Geschlechtsteile der Figur abtrennen.
Im Verlauf der Arbeit sollen zunächst vom Handlungshergang ausgehend die Texte miteinander verglichen, dann paarweise in Bezug auf ihre Gemeinsamkeiten untersucht werden, um sie abschließend untereinander abzuwägen und die verwandtschaftlichen Beziehungen im Sinne der Verbreitung und der Modifikation dieses literarischen Stoffes zu erörtern.
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