Sie sind hier
E-Book

Virtuelle Sozialisationsspuren junger Menschen. Reale Virtualität als Herausforderung für die praktische Jugendarbeit

AutorCindy Gresselmeyer
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl113 Seiten
ISBN9783668386082
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
'Generation Handy' - so wird die Generation der Jugendlichen heute oft abwertend bezeichnet. In einigen Berichten kann man die Befürchtung erkennen, dass diese Generation bereits an digitaler Demenz leide und sich keine langen Texte mehr auswendig merken könne. Jugendmitarbeiter und Eltern versuchen oft mit dem vermeintlichen Feind in der Hand der Jugendlichen, dem Smartphone, zu konkurrieren. Gerade junge Menschen scheinen sich aktuell in virtuellen Welten zu verstricken und zu verlieren, sodass Jugendmitarbeiter scheinbar keine Chance haben, sie zu einer Begegnung in der Realität einzuladen. In diesem Buch wird ein Konzept vorgestellt, wie die Jugendarbeit die virtuellen Räume anerkennen und sich zu Nutzen machen kann. Der Vorgang der Sozialisation und der sozialökologischen Raumaneignung wird ebenso betrachtet wie die Entwicklung der Jugendlichen zu einem Teil der Gesellschaft und die Rolle der virtuellen Welt in diesem Prozess. In diesem Zusammenhang soll das Stimmungsbild der Akteure der Jugendarbeit deren Haltung gegenüber den vielen Online-Angeboten im Netz aufzeigen. Aus dem Inhalt: - Virtual Reality; - Jugendarbeit; - Mensch und Gesellschaft; - Handy als Kulturgut; - YouTube Kommentare

Cindy Gresselmeyer ist Erzieherin, Sozialpädagogin und Mediatorin, außerdem Mutter von 4 Kindern. Sie leitet im Team eine Jugendarbeit in einer Gemeinde in Hanau (C3), arbeitete als Mediatorin im Täter-Opfer-Ausgleich im Bereich der Jugendstraffälligenhilfe und aktuell als Sozialpädagogin in der Schulsozialarbeit.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

2 Medienkritik – aufgezeigt an Akteuren der Jugendarbeit


 

2.1 Tendenzen der Medienkritik und die Kritik an diesen


 

Die Entwicklung, Einführung und Implementierung eines neuen Mediums, so führt Roß in die Medienkritik ein, scheine gesellschaftlich krisenhaft erlebt zu werden, da dies über die eigentliche Funktion hinaus auch als ein Indiz für Wandel erlebt würde, der als solcher Bestehendes gefährde[67], „(...) insofern bedeuten die Medien tendenziell auch meist mehr, als sie eigentlich sind: Sie werden nicht nur als je aktuelle Vermittlungstechniken, sondern auch als historische Signale betrachtet; das Medium wird zur eigentlichen Botschaft.“[68]

So habe die Entwicklung neuer Medien beschleunigt in den letzten zweihundert Jahren stattgefunden und die entsprechenden kritischen Haltungen bzgl. der neusten Medien seien immer wieder von einem – fast ritualhaften - „(....) relativ überschaubaren und stabilen Repertoire an Denkmodellen und Argumentationsmustern geprägt (...)“ gewesen.[69]

 

Die Kritik an Medien tendiere entweder in Richtung eines utopischen Wunschdenkens, womit auch demokratische Ideale eingeschlossen wären, die die Verbreitung öffentlichen Wissens befördert sehen möchten, oder sie erkenne in den „(...) Medien Sündenböcke (...), die eine gute Tradition (...)“[70] verderben. Massenmedien stünden unter einem besonderen Generalverdacht, so beobachtet dies auch Suttner.[71]

 

Als Beispiel sei auf Postman verwiesen, der durch Medien den Verlust von Sitten, Schamgefühl, Autoritätsverlust etc. erkennt.[72]

 

Während die optimistische Grundhaltung meist politisch motiviert und progressiv sei[73], sei die pessimistische Haltung nostalgischer und konservativer, oft politischer Art, jedoch hauptsächlich angetrieben von kulturellen Interessen.[74]

 

„Tendenziell scheinen die Medienoptimisten offenbar bereit, zugunsten ihrer politischen Hoffnungen auch kulturelle Verluste in Kauf zu nehmen; den Medienpessimisten dagegen geht es um die Bewahrung der kulturellen Traditionen, nötigenfalls auch auf Kosten politischer Ideen.“[75]

 

Eine verbindende Haltung, in der beide Sichtweisen reflektiert berücksichtigt würden, gebe es nicht.[76]

 

Laut Roß liege die Unvereinbarkeit der beiden Haltungen u.a. auch in der Wahl der Medieninhalte begründet, die jeweils nur einen Ausschnitt aus dem vielfältigen Medienangebot repräsentierten und so, jeweils dem Ausschnitt entsprechend, einen anderen Eindruck von Medienrealität erzeugten.[77]

 

Ökonomische Implikationen hätten zu einer Verschiebung in Richtung pessimistischer Grundhaltung gegenüber Medien geführt, da sie mithin eine Verschiebung von einer geistigen zu einer kommerziellen Erscheinung bewirkt hätten.

 

Die polarisierende Grundhaltung gegenüber Medien deute auf eine Mystifizierung hin und erzeuge so emotionale Zu- oder Abneigung, die insgesamt eine „(...) eindeutige Erwartungshaltung (...)“[78] deutlich werden lasse.

 

Einseitig polarisiert, entsprechend der Darstellung Roß`, ließ schon Platon seine Figur des Sokrates sprechen:

 

„Nicht also für das Erinnern, sondern für das Gedächtnis hast du ein Hilfsmittel erfunden. Von der Weisheit aber bietest du den Schülern nur Schein, nicht Wahrheit dar. Denn Vielhörer sind sie dir nun ohne Belehrung, und so werden sie Vielwisser zu sein meinen, da sie doch insgemein Nichtswisser sind und Leute, mit denen schwer umzugehen ist, indem sie Scheinweise geworden sind, nicht Weise.“[79]

 

Auf bekannteste einschlägige Medienkritik, die sich bis heute in der Gesellschaft halte, verweist Suttner: Wer Gewalt im Fernsehen sehe, würde eine erhöhte Bereitschaft zu Gewalt ausbilden. Hierbei werde jedoch von Medieninhalten auf innere Vorgänge des Rezipienten geschlossen. Dieser sei nicht passiv, wie angenommen.

 

„Daß die Annahme direkter Medienwirkung trotz offenkundig fehlender wissenschaftlicher Plausibilität bis heute eine Rolle spielt, liegt an der Erwartung aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, die man scheinbar mit einfachen, schnell operationalisierbaren und umsetzbaren Wirkungsmodellen befriedigen kann.“[80]

 

Medien in ihrer Wirkung würden ebenso falsch eingeschätzt wie die Fähigkeiten des Rezipienten, sich der Absichten von Medienmachern bewusst zu werden und diese kritisch zu hinterfragen.[81]

 

Jaron Lanier wagt als Medienmacher eine Einschätzung, die sich im Kontext des Interviews, in dem er diese Aussage tätigte zwar auf VR bezieht, gleichsam erscheint sie in ihrer Schlichtheit passend und für jegliches Medium geltend, denn sie berücksichtigt sowohl positive als auch negative Aspekte:

 

„Ich mache mir oft Gedanken darüber, ob sie eine gute Technik oder schlechte Technik ist. (...) Ich glaube, wenn eine Technik die menschliche Macht oder auch die Intelligenz vermehrt und sonst nichts bewirkt, dann ist sie im Ursprung eine schlechte Technik. (...) Wenn die Technik dagegen die Tendenz hat, die menschliche Kommunikation zu vermehren, den Austausch zwischen den Menschen, dann ist sie, glaube ich, insgesamt gut, auch wenn sie in vieler Hinsicht zu schlechten Zwecken benutzt werden könnte.“[82]

 

Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger stellt die Möglichkeit der objektiven Beurteilung von Medien auf ironische Art per se infrage bzw. verweist auf die moralisierende Überbetonung der kritischen Haltung, die sich entweder durch Unkenntnis auszeichne oder sich selber ad absurdum führe:

 

„Offen muß dabei die Frage bleiben, auf welcher Seite der jeweilige Theoretiker zu suchen ist. Entweder er macht von den Medien keinerlei Gebrauch, dann weiß er nicht, wovon er spricht; oder aber er setzt sich ihnen aus, dann stellt sich die Frage, durch welches Wunder er ihrer Wirkung entgangen ist; denn im Gegensatz zu allen anderen ist er moralisch völlig intakt geblieben, kann souverän zwischen Blendwerk und Realität unterscheiden und erfreut sich völliger Immunität gegenüber der Idiotie, die er bei jenen kummervoll konstatiert. Oder sollten – fataler Ausweg aus dem Dilemma – seine Theorien ihrerseits Symptome einer universellen Verblödung sein?“[83]

 

2.2 Stimmungsbild unter Akteuren der Jugendarbeit


 

Bezüglich des Themas dieser Bachelorarbeit könnte entsprechend der Feststellung der tendenziellen Polarisierung von Medienkritik gefragt werden: Wie funktioniert Jugendarbeit, wenn entsprechende Vorbehalte oder auch die Mystifizierung bzgl. virtuellen Erlebens von Akteuren der Jugendarbeit geteilt werden? Oder konkreter: Kann Jugendarbeit noch helfend zur Seite stehen, wenn Mitarbeiter der Meinung sind, dass Jugendliche, die ihre Aufmerksamkeit virtuell ausrichten, am wirklichen Leben und der wirklichen Begegnung vorbei leben?

 

U.U. wird auch der TPE zu entsprechenden Einschätzungen und Handlungen des Jugendmitarbeiters führen, die an Don Quichote und dessen Kampf gegen die Windmühlen erinnern lassen, derweil versäumend den Jugendlichen als Fixpunkt im Dschungel der Medien beizustehen.

 

Im Folgenden wird anhand einer Studie von 2011 in Jugendeinrichtungen Berlins, welche die Nutzung von Onlineangebote im Bereich der Jugendarbeit darstellt, die Schwierigkeit aufgezeigt, auf die Akzeptanz der Onlineangebote bei Jugendlichen und Mitarbeitern zu schließen.

 

Im Bereich Schule wird nachfolgend die Präsenz von digitalen Medien im Unterricht und damit die Akzeptanz digitaler Medien durch Lehrer hinterfragt.

 

Anschließend wird durch einzelne Aussagen von Akteuren der Jugendarbeit zur Erhebung eines Stimmungsbildes – aufgenommen innerhalb einer nicht repräsentativen Befragung – aufgezeigt, dass ein Erkenntnisgewinn bzgl. der Frage nach der Haltung von Jugendmitarbeitern gegenüber Jugendlichen und deren Aufenthalten in VR wünschenswert wäre.

 

2.2.1 Auswertung einer Studie zur Nutzung der Möglichkeiten von Onlinejugendarbeit in Berlin


 

Angenommen, Jugendmitarbeiter folgen den Wegen, die Jugendliche in den Cyberspace gehen, um sie dort zu treffen: wie machen sie das?

 

Werden entsprechende Suchworte wie bspw. „Jugendarbeit virtuell“ gegoogelt, führt das z.Z. zu 125.000 Ergebnissen[84]. Es scheint - von diesem Ergebnis ausgehend - viele entsprechende Internetauftritte von Organisationen zu geben, welche auf den ersten Blick eher wie theoretische Konstrukte wirken.[85]

 

Korfmacher geht in der Studie „Jugendarbeit online. Ergebnisse der Umfrage zur Nutzung der Möglichkeiten der Onlinejugendarbeit durch Berliner Kinder- und Jugendeinrichtungen“ von 2011 der Frage nach - ausgehend von der Beobachtung, dass Jugendliche das Netz offensichtlich immer stärker nutzten - wie sich dieses...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Pädagogik - Erziehungswissenschaft

Weitere Zeitschriften

Ärzte Zeitung

Ärzte Zeitung

Zielgruppe:  Niedergelassene Allgemeinmediziner, Praktiker und Internisten. Charakteristik:  Die Ärzte Zeitung liefert 3 x pro Woche bundesweit an niedergelassene Mediziner ...

aufstieg

aufstieg

Zeitschrift der NaturFreunde in Württemberg Die Natur ist unser Lebensraum: Ort für Erholung und Bewegung, zum Erleben und Forschen; sie ist ein schützenswertes Gut. Wir sind aktiv in der Natur ...

BONSAI ART

BONSAI ART

Auflagenstärkste deutschsprachige Bonsai-Zeitschrift, basierend auf den renommiertesten Bonsai-Zeitschriften Japans mit vielen Beiträgen europäischer Gestalter. Wertvolle Informationen für ...

DER PRAKTIKER

DER PRAKTIKER

Technische Fachzeitschrift aus der Praxis für die Praxis in allen Bereichen des Handwerks und der Industrie. “der praktiker“ ist die Fachzeitschrift für alle Bereiche der fügetechnischen ...

EineWelt

EineWelt

Lebendige Reportagen, spannende Interviews, interessante Meldungen, informative Hintergrundberichte. Lesen Sie in der Zeitschrift „EineWelt“, was Menschen in Mission und Kirche bewegt Man kann ...

Eishockey NEWS

Eishockey NEWS

Eishockey NEWS bringt alles über die DEL, die DEL2, die Oberliga sowie die Regionalligen und Informationen über die NHL. Dazu ausführliche Statistiken, Hintergrundberichte, Personalities ...

Euro am Sonntag

Euro am Sonntag

Deutschlands aktuelleste Finanz-Wochenzeitung Jede Woche neu bietet €uro am Sonntag Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den Themen Geldanlage und Vermögensaufbau. Auch komplexe Sachverhalte ...