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Warum wir schlafen

Weshalb unsere Beine manchmal keinen Schlaf finden, auch Schnecken sich schlau schlummern und andere faszinierende Erkenntnisse über den unbekannten Teil unseres Lebens

AutorAlbrecht Vorster
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl416 Seiten
ISBN9783641231101
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Das Buch, das endlich Licht ins Dunkel bringt
Was ist das für ein komisches Zucken beim Einschlafen? Warum schnarchen wir, wenn wir Alkohol getrunken haben? Wie können wir unsere Träume selbst bestimmen? Und was macht Schlafmangel mit uns? Albrecht Vorster ist Schlafforscher und Science Slammer - er verknüpft den neuesten Stand der Forschung anschaulich und unterhaltsam mit vielen Fallbeispielen und Alltagssituationen, wie sie jeder kennt. Vorster erklärt, warum unser Immunsystem bei Schlafmangel verrücktspielt, warum Schlafmittel die Volksdroge Nummer eins sind und doch nicht wirken, was wirklich gegen Schlafprobleme hilft, wie jeder für sich herausfinden kann, wie lange er schlafen muss, um fit zu sein - und warum wir überhaupt schlafen müssen. Das Buch, das endlich Licht ins Dunkel bringt!

Dr. Albrecht Vorster, 1985 in Köln geboren, studierte Biologie und Philosophie an der Universität Freiburg, der Université de La Reunion sowie am Center for Sleep and Consciousness der University of Wisconsin Madison und promovierte an der Uni Tübingen über Gedächtnisbildung im Schlaf der Meeresschnecke Aplysia. Er ist der Leiter des Swiss Sleep House Bern des Universitätsklinikums Inselspital Bern. Vorster forscht an der Verbesserung des Schlafes von Krankenhauspatienten sowie Sportlern. 2020 erschien die App 7Schläfer, für die Vorster das Konzept schuf. Er ist mehrfacher Science-Slam-Gewinner. Wenn er nachts nicht gerade arbeitet oder schläft, macht Albrecht Vorster Musik, zum Beispiel in der Neurowissenschaftler-Band Hippocamblues.

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Leseprobe

Rund um die Uhr

10 Alles läuft im Takt

»Ein jegliches hat seine Zeit,

und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.«

(Altes Testament, Prediger 3,1)

Ich blicke an einem müden Sonntag auf die Uhr und kann gar nicht glauben, dass es bereits 17 Uhr sein soll. Eben habe ich doch erst zu Mittag gegessen. Ich schaue wieder auf die Uhr, aber das richtige Gefühl für den späten Nachmittag möchte sich nicht einstellen. Stattdessen begleitet mich ein verschobenes Körpergefühl, so als wäre ich gerade im falschen Film gelandet. Ein Konflikt zwischen meinem inneren Zeitgefühl und objektiver Zeitmessung. Aber wo und wie entsteht unser Zeitgefühl? Im Bauch? Im Kopf? Oder im Auge? Klar ist, es orientiert sich nicht an der Zeigerstellung meiner Uhr am Handgelenk, sondern wohl eher an der Umwelt: an Sonnenlicht, Mahlzeiten, Bewegung und Wärme. So kann eine zu früh eingenommene Mahlzeit oder ein dunkler Himmel die eigene innere Uhr austricksen.

Die geheimnisvollen Blattbewegungen einer Mimose

Wir schreiben das Jahr 1729. Der französische Naturforscher Jean Jacques d’Ortous de Mairan räumt ein kleines Mimosenpflänzchen in sein Schreibtischschränkchen. Mimosen sind Sonnenfolger. Sie richten ihre Fiederblätter tagsüber der Sonne entgegen, abends klappen sie diese nach unten zusammen. De Mairan stellt sich die Frage, ob diese Ausrichtung einem inneren Trieb der Pflanze oder dem Lichteinfall des Sonnenlichtes geschuldet ist. Einen Tag später öffnet er wieder die Tür des Schränkchens und stellt fest, dass die Blätter des Pflänzchens nach oben gebogen sind.

De Mairan macht damit eine wegweisende Entdeckung: Auch in völliger Dunkelheit strecken sich die Blätter empor, in Erwartung einer aufgehenden Sonne. In den folgenden Tagen linst er mehrmals täglich ins Schränkchen und notiert die Blattstellung. Es bleibt dabei: Die Blattbewegung der Mimose folgt einer inneren Uhr. Ein Kritiker de Mairans wiederholt das Experiment in seinem durchgehend kühl temperierten Weinkeller. Und auch an diesem Ort gehorchen die Blätter dem inneren Trieb der Pflanze.

Aber de Mairans Entdeckung geht noch weiter, denn er ist ein sehr genauer Beobachter. Nach einigen Tagen bemerkt er, dass sich die Blätter jeden Tag früher nach oben zu biegen scheinen. Die innere Uhr der Mimose geht zu schnell. Der Zyklus der Blattbewegungen scheint eher 23 als 24 Stunden zu entsprechen. Die Sonnenstrahlen haben also nicht die Aufgabe, die Mimosenblätter nach oben zu biegen, sondern die innere Uhr der Pflanze jeden Tag aufs Neue zu eichen. Gleichzeitig ist es ein weiterer Beweis dafür, dass seine Mimose nicht doch verräterische Signale aus der Umwelt mitbekommt, denn in diesem Fall hätten sich die Blätter fortgehend synchron zum Gang der Sonne ausgerichtet. Jean Jacques d’Ortous de Mairan ist somit der Entdecker der zirkadianen Rhythmik, der inneren Uhr aller Lebewesen.

Circa-dia – etwa ein Tag. Die innere Uhr aller Lebewesen misst eben nur ungefähr die Zeit eines Tages. Darum ist die Morgensonne für uns Menschen wie für alle anderen Lebewesen so wichtig. Sie hält uns im Takt und eicht unsere innere Uhr jeden Tag aufs Neue!

Eine Uhr aus Blumen

Im Jahre 1751, also 20 Jahre nach der Entdeckung von de Mairan, pflanzt sich der Schwede Carl von Linné eine Auswahl von Blumen in einen Kreis vor sein Arbeitszimmerfenster. Er hat beobachtet, dass verschiedene Blumenarten zu ganz unterschiedlichen Zeiten ihre Blüten öffnen und schließen. Während zum Beispiel die Distel von 6 bis 14 Uhr ihre Blüten zur Bestäubung öffnet, faltet die Nachtkerze von 20 Uhr bis 6 Uhr morgens ihre Blütenblätter auf. Durch die individuellen Öffnungszeiten konkurrieren die Pflanzen um die bestäubenden Insekten wie Supermärkte und Kioske um ihre Kunden. Linné nutzt die Öffnungsbewegung der Blüten fortan, um beim Blick nach draußen die Uhrzeit von ihnen abzulesen. Auf fünf Minuten genau, wie überliefert ist. Er hatte sich die erste Blumenuhr der Welt gebaut!

Warum Menschen freiwillig in Höhlen und Bunkern lebten

Wie würde sich ein Mensch verhalten, würde man ihn in einen Schreibtischschrank sperren wie de Mairan die Mimose? Na ja, oder zumindest in einen Weinkeller? Möglicherweise würde er auch dort immer noch tageszeittypische Geräusche wahrnehmen, die durch die Gemäuer dringen, und an diesen unbewusst sein Verhalten ausrichten.

Um diese Überlegungen zu überprüfen, zog der Pionier der Schlafwissenschaft, Nathaniel Kleitman, im Jahr 1938 mit seinem Studenten Bruce Richardson für einen Monat in die Mammoth Cave in Kentucky. Dort folgten sie in völliger Abgeschiedenheit ihrem eigenen inneren Rhythmus und dokumentierten diesen. Sie stellten fest, dass auch bei ihnen die innere Uhr von dem klassischen 24-Stunden-Tag etwas abwich. Es blieb aber zunächst bei diesem einen Selbstversuch. Etwas ausgetüftelter ging Jürgen Aschoff, der Begründer der deutschen Chronobiologie, vor. Zur Erforschung der menschlichen inneren Uhr ließ er freiwillige (!) Probanden in der Zeit zwischen 1964 und 1989 im sogenannten Andechser Bunker in der Nähe von Starnberg leben. Abgeschieden von Tageslicht, Umgebungsgeräuschen, menschlicher Interaktion und Temperaturschwankungen durften über die Jahre mehr als 450 Probanden allein ihrem inneren Rhythmus folgen. Meist handelte es sich um Studierende in der Prüfungsvorbereitung, die es als Wohltat empfanden, in der Abgeschiedenheit eines kleinen unterirdischen Raumes mit Bett, Tisch, Stuhl, Bad und Kochnische ungestört zu lernen. Von einem gesonderten Kontrollraum aus wurden alle Aktivitäten genau dokumentiert: Beleuchtung an, Beleuchtung aus, Benutzung der Herdplatten, Toilettengänge und Beginn der Mahlzeiten. Ein Student hatte den Monat im Bunker mit einem Prüfungsplan taggenau durchgeplant. Als das Experiment zu Ende war, glaubte er an einen Fehler der Versuchsleiter. Denn er war mit seinen Prüfungsvorbereitungen noch nicht fertig, nach seiner Zeitrechnung fehlten noch zwei Tage. Seine innere Uhr hatte ihn in die Irre geführt. Sie ging zu langsam und so war im Bunker die Zeit langsamer vergangen als draußen. Die Leiter des Experiments baten schließlich die Uni, die Prüfung um ein paar Tage zu verschieben.

Nach dieser und vielen weiteren, ähnlichen Episoden stand am Ende fest, dass auch die innere Uhr des Menschen nicht genau läuft. In einigen Menschen geht sie etwas zu schnell und braucht nur 23 ½ Stunden für einen Durchgang, bei den meisten hinkt sie jedoch ein wenig nach. Bis zu 25 Stunden dauert der innere Tag, wenn er sich selbst überlassen wird und nicht durch äußere Umweltsignale – Aschoff taufte sie »Zeitgeber« – eingetaktet wird. Zu den Zeitgebern gehören nicht nur Sonnenlicht, sondern eben auch Mahlzeiten, Bewegung, wiederkehrende menschliche Kontakte zum Beispiel mit Arbeitskollegen und Freunden sowie Temperaturschwankungen, aus denen unser Körper die Zeit ablesen kann.

Die innere Uhr von Morgen- und Abendtypen tickt unterschiedlich schnell

Dass es Abend- und Morgentypen gibt, hatte ich ja bereits erwähnt: Manche Menschen gehen am liebsten früh ins Bett und stehen früh auf. Andere hingegen nutzen den »Tag« gerne noch bis 2 Uhr morgens, sind dafür aber morgens eher muffelig. Der Grund dafür liegt hauptsächlich in der Geschwindigkeit ihrer inneren Uhr. Bei Abendmenschen geht die innere Uhr eher zu langsam, in Richtung 25 Stunden. Sie rennen der realen Zeit ständig hinterher und gehen daher lieber später ins Bett. Ganz anders die zahlenmäßig unterlegenen Morgentypen. Ihre Uhr läuft etwas zu schnell. Der Körper meldet schon ein Stündchen zu früh, dass es Zeit fürs Bett ist, dadurch kommt diese Sorte Mensch morgens entspannter aus dem Bett. Sind Sie kein Abendmensch, wollen aber mal länger wach bleiben, sollten Sie Licht am Morgen meiden und am Abend die Zimmerbeleuchtung heller schalten, um Ihren inneren Tag zu verlängern.

Melatonin: Vom Sonnenschutzfaktor zur molekularen Sanduhr

Warum sind alle Organismen, ob Pflanze oder Mensch, von inneren Uhren gesteuert? Wie hat sich solch eine Körperuhr in der Evolution entwickeln können?

Die Geschichte beginnt im Meer, dem Ursprung allen Lebens. Selbst kleinste Meereslebewesen, die nur aus wenigen Zellen bestehen, sogenanntes Zooplankton, richten ihre Aktivität nach der Uhrzeit, genauer gesagt nach der Sonne aus. Leben ist gespeicherte, transformierte Sonnenkraft. Jegliche Energie, die wir im Alltag verbrauchen, aber auch die, die Tierchen krabbeln, schwimmen und fliegen lässt, ist gebundene Sonnenenergie. Kein Wunder also, dass sich alles Leben auf der Erde und auch das der kleinsten Meeresbewohner auf die Sonne ausgerichtet hat. Erst im Schutze der Dunkelheit strudelt sich das Zooplankton in höhergelegene Wasserschichten empor, um dort freischwimmende Algen zu fressen oder um die Wärme und den höheren Sauerstoffgehalt zu nutzen. Gegen Ende der Nacht lassen sich die Tierchen dann wieder absinken, um tagsüber nicht von größeren Lebewesen gefressen – oder von der Sonne verbrannt zu werden. Die gefährlichen UV-Strahlen der Sonne zerschießen auch bei diesen kleinen Organismen die Erbsubstanz DNA und führen zum Tod.

Wahrscheinlich hat sich aus einer Art eingebauter Sonnenmilch, also einer vor UV-Strahlen schützenden Substanz, unsere innere Uhr entwickelt. In der Nacht produziert die Zelle den chemischen Stoff Melatonin. Trifft am Tag das UV-Licht auf den Organismus, stellt sich Melatonin schützend vor die inneren Bauwerke einer Zelle, lässt sich von den UV-Strahlen spalten und verhindert so, dass sich freie Radikale bilden und die Zelle Schaden...

Blick ins Buch

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