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Wer vor dem Schmerz flieht, wird von ihm eingeholt

Unterstützung in schwierigen Zeiten - ACT in der Praxis - Komplett überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe

AutorRuss Harris
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783641091170
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Bestsellerautor Russ Harris hilft in seinem Ratgeber beim Umgang mit schwierigen Erlebnissen.
Das Leben läuft nicht immer so, wie wir es gerne hätten. Plötzlich passieren Dinge, die uns aus der Bahn werfen - und nichts ist mehr, wie es war. Der Tod eines geliebten Menschen, eine schwere Erkrankung oder der Verlust des Arbeitsplatzes kann wie ein Keulenschlag wirken. Aber auch weniger gravierende Ereignisse können wehtun und uns aus dem Gleichgewicht bringen.

Der erfahrene Therapeut und Bestsellerautor Russ Harris zeigt in der komplett überarbeiteten und aktualisierten Neuausgabe seines erfolgreichen Longsellers, wie wir die Herausforderungen des Lebens souverän meistern. Viele neue Beispiele und Übungen aus der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) verleihen diesem praktischen Selbsthilfebuch neue Aktualität. Es bestärkt und ermutigt und sollte von allen gelesen werden, die sich in einer kritischen Lebenssituation befinden.

Dr. med. Russ Harris, geboren 1966, ist Arzt, Coach und Psychotherapeut. Arbeitsschwerpunkte sind psychische Gesundheit, Psychoneuroimmunologie und Stressmanagement. Er leitet weltweit Ausbildungen für Psychologen und Therapeuten in ACT. Der Autor lebt mit seiner Familie in Melbourne, Australien.

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Leseprobe

1
Wenn das Leben wehtut


Nichts bereitet uns auf die Momente vor, in denen uns die Realität eine derartige Ohrfeige verpasst, dass wir zu Boden stürzen und unser Leben aus den Fugen gerät. So ein Realitätsschock kann viele unterschiedliche Formen annehmen: Es kann der Tod eines geliebten Menschen sein, eine schwere Erkrankung oder Verletzung, ein furchtbarer Unfall, Scheidung, Betrogenwerden, eine Gewalttat, Untreue, ein Verbrechen, Arbeitslosigkeit, Insolvenz, Krieg, ein Brand, eine Flutkatastrophe, ein Erdbeben, eine Pandemie … Die Liste ist endlos. Wir mögen solche Realitätsschocks nicht und würden gern darauf verzichten – aber wenn wir lange genug leben, begegnen sie uns allen. Dabei ist eines klar: Je größer der Schock, desto stärker sind unsere Schmerzen. Je nachdem, womit wir es zu tun haben, empfinden wir Betroffenheit, Traurigkeit, Wut, Angst, Nervosität, Beklemmung, Schuldgefühle, Scham, vielleicht sogar Hass, Verzweiflung oder Ekel. Manchmal ist der Schmerz so intensiv und unerträglich, dass unser Nervensystem die Führung übernimmt und unsere Gefühle gewissermaßen ausschaltet, sodass wir uns betäubt, leer oder innerlich tot fühlen.

Wenn wir Glück haben und der Schock nicht zu stark ist, erholen wir uns manchmal ziemlich schnell davon. Wir können uns aufrappeln, den Staub abklopfen, eine Lösung für das Problem finden und unser Leben fortsetzen. Aber was ist, wenn es keine einfache Lösung gibt – wenn ein geliebter Mensch stirbt, wenn Partnerin oder Partner uns verlassen, wenn wir unseren Job verlieren? Wenn wir eine schlimme Verletzung erleiden, schwer krank oder Opfer eines Gewaltverbrechens werden, das unser Leben völlig durcheinanderbringt? Wenn nahe Angehörige krank sind oder auf andere Art leiden? Wenn die Welt durch eine Pandemie im Chaos versinkt?

Ein Realitätsschock ist immer mit einem Verlust verbunden. Zum Beispiel verlieren wir eine wichtige Beziehung, durch Tod, Scheidung, Trennung oder Konflikt. Wir können unsere Gesundheit, unsere Arbeit und unsere Unabhängigkeit verlieren. Verlieren können wir auch ein Gefühl von Sicherheit oder Vertrauen. Wir können unsere Freiheit, die Unterstützung durch andere und unser Zugehörigkeitsgefühl verlieren – und vieles andere, was von großer Bedeutung für uns ist.

Durch einen Realitätsschock kommt es normalerweise zu einer Krise, einer Zeit großer Schwierigkeit und Ungewissheit, in der wir mit etwas Schrecklichem umgehen, über das wir nur wenig Kontrolle haben. Besonders wahrscheinlich ist das bei jenen niederschmetternden und zerstörerischen Realitätsschocks, die von der Psychologie als Trauma bezeichnet werden. Zur selben Zeit – oder sehr bald danach – überkommt uns Trauer. Entgegen der landläufigen Meinung handelt es sich bei Trauer nicht um Traurigkeit; sie ist überhaupt keine Emotion. Trauer ist ein psychischer Prozess, mit dem wir auf einen bedeutsamen Verlust reagieren. Im Verlauf eines Trauerprozesses können wir ein breites Spektrum an Emotionen empfinden, von Traurigkeit und Beklemmung bis hin zu Wut und Schuldgefühlen. Auftreten können auch körperliche Reaktionen wie Schlafstörungen, Erschöpfung, Lethargie, Apathie und ein veränderter Appetit.

Die fünf Phasen der Trauer

Von Elisabeth Kübler-Ross stammt die Einteilung in fünf Phasen der Trauer: Nicht-wahrhaben-Wollen, Zorn, Verhandeln, Depression und Annahme. Kübler-Ross hat sie besonders auf den Vorgang des Sterbens bezogen, doch diese Phasen lassen sich auf alle Arten von Verlust, Krisen und Traumata anwenden. Es handelt sich allerdings nicht um einzelne, klar voneinander unterscheidbare Stufen, und viele Menschen erleben sie nicht alle. Außerdem treten sie nicht in einer bestimmten Reihenfolge auf, sondern häufig gleichzeitig. Sie entstehen, vergehen und vermischen sich miteinander; oft scheinen sie zu enden, um dann wieder von Neuem zu beginnen. Egal, welchen Verlust man erleidet, man durchlebt zumindest einige dieser Phasen, weshalb ich sie kurz erläutern will.

Das »Nicht-wahrhaben-Wollen« bezieht sich auf eine bewusste oder unbewusste Weigerung oder Unfähigkeit, die Realität der Lage anzuerkennen. Konkret kann sich das in einer mangelnden Bereitschaft äußern, darüber zu sprechen oder nachzudenken; in dem Versuch, so zu tun, als würde das Geschehen nicht stattfinden; als Betäubung oder Lähmung oder als umfassendes Gefühl der Unwirklichkeit, indem man benommen umhergeht und den Eindruck hat, alles sei nur ein schlimmer Traum. In der Phase des »Zorns« kann man wütend auf sich selbst, auf andere oder auf das Leben selbst werden. Daneben melden sich oft viele verwandte Empfindungen: Ärger, Entrüstung, Empörung und ein starkes Gefühl, man sei unfair und ungerecht behandelt worden.

In der Phase des »Verhandelns« versucht man, gewissermaßen einen Deal zu machen, mit dem die Realität verändert werden soll. Zum Beispiel bittet man Gott um eine Gnadenfrist oder fordert vom Chirurgen, den Erfolg einer Operation zu garantieren. Häufig treten Wunschdenken und Fantasien über alternative Realitäten auf: »Wenn nur das geschehen wäre …« oder »Wenn das nur nicht geschehen wäre …«.

Die Phase »Depression« trägt leider die falsche Bezeichnung, da es sich nicht um die bekannte affektive Störung gleichen Namens handelt. Vielmehr bezieht sich dieser Ausdruck hier auf Gefühle von Traurigkeit, Kummer, Bedauern, Angst, Nervosität und Ungewissheit, die natürliche menschliche Reaktionen auf Verlusterfahrungen sind.

In der Phase des »Annehmens« schließt man dann Frieden mit der neuen Realität, statt dagegen anzukämpfen oder sie zu verleugnen. Das befreit uns, wodurch wir unsere Energie dafür einsetzen können, unser Leben allmählich wiederaufzubauen (was Ihnen im Moment durchaus unmöglich vorkommen kann).

Kampf, Flucht, Erstarren


Im ganzen Chaos eines Realitätsschocks erleben wir mehrere unangenehme körperliche Reaktionen. Die wohlbekannte Kampf-oder-Flucht-Reaktion tritt dabei immer auf, in manchen Fällen auch die weniger bekannte Reaktion des Erstarrens.

Um zu verstehen, was für Reaktionen das sind, weshalb sie auftreten und was sie mit uns machen, wollen wir uns auf eine kleine Zeitreise begeben. Stellen wir uns vor, dass sich einer unserer frühen Vorfahren allein auf Kaninchenjagd befindet, als er plötzlich einer riesigen Bärenmutter gegenübersteht. Für einen Sekundenbruchteil erstarrt er. Darauf bedacht, ihre zwei Jungen zu beschützen, empfindet die Bärenmutter den Menschen als Bedrohung – und greift an.

Wenn unser Vorfahr diese Begegnung überleben will, hat er lediglich zwei Optionen: die Flucht ergreifen oder stehen bleiben und kämpfen. Daher übernimmt sein autonomes Nervensystem, das schneller als das bewusste Denken funktioniert, die Führung. Nun bedeutet Autonomie bekanntlich, eigene Entscheidungen zu treffen. Daher hat das autonome Nervensystem seinen Namen, denn es trifft seine eigenen Entscheidungen darüber, was gut für uns ist, und zwar ohne jeden Input des Bewusstseins. Dieses beschließt also nicht: »O je, ich sollte jetzt in den Kampf-oder-Flucht-Modus umschalten!« Diese Entscheidung trifft unser autonomes Nervensystem, bevor wir Zeit haben, auch nur einen einzigen Gedanken wahrzunehmen. Es bereitet den Körper augenblicklich auf Kampf oder Flucht vor.

Zurück zu unserem Vorfahren. Der Kampf-oder-Flucht-Modus tritt in Funktion. Die großen Muskeln in Armen, Beinen, Brust und Hals spannen sich an und machen sich zur Aktion bereit. Der Körper wird mit Adrenalin geflutet, der Herzschlag beschleunigt sich und pumpt Blut in die Muskulatur. Unser Vorfahr verfällt in den Kampf-Modus und schleudert mit aller Kraft seinen Speer.

Leider ist es kein guter Wurf. Der Speer streift die Bärin nur und verursacht kaum eine Wunde. Jetzt ist das Tier endgültig wütend, und unser Vorfahr hat keine weiteren Waffen. Daher rennt er so schnell davon, wie er kann. Jetzt geht es nur noch um Flucht.

Doch die Bärenmutter ist schneller als der Mensch. Sie holt ihn ein und schlägt ihn mit der Pranke zu Boden. Abwehren kann der Mensch die Bärin nicht, und wegrennen kann er auch nicht mehr. Daher übernimmt wieder das autonome Nervensystem die Kontrolle, schneller als jeder bewusster Gedanke. Da es erkennt, dass Kampf oder Flucht keinen Sinn mehr haben, befiehlt es dem Körper zu erstarren. Weshalb? Weil Bären es nicht mögen, wenn ihre Beute sich wehrt. Je mehr der Mensch schreit und zappelt, desto wütender würde die Bärin ihn angreifen. Die beste Überlebenschance hat er daher dann, wenn er so still und reglos daliegt wie möglich.

Hier kommt daher die Erstarrungsreaktion zum Zug. Der dorsale Teil des Vagus (der Vagusnerv ist nach dem Rückenmark der zweitgrößte Nerv im Körper) macht den Menschen bewegungsunfähig. Er lähmt die Muskeln, sodass tatsächlich keine Bewegung mehr möglich ist. Zugleich schaltet er die Gefühle des Menschen gewissermaßen ab, aus einem einfachen Grund: Je weniger Schmerz der Mensch empfindet, desto weniger schreit und zappelt er. Deshalb liegt er einfach da, buchstäblich »wie betäubt«, »vor Angst gelähmt«, »starr vor Furcht«. Wenn er Glück hat, verliert die Bärin dadurch das Interesse und trollt sich davon, oder er überlebt so lange, bis jemand kommt und ihn rettet.

Unser Nervensystem und unser Körper sind darauf ausgerichtet, auf diese Weise – Kampf, Flucht oder Erstarren – auf jede Art Bedrohung zu reagieren. Übrigens gilt das auch für das Nervensystem aller anderen Säugetiere, aber auch für Vögel, Reptilien und die meisten Fische. Da Realitätsschocks bedrohlich sind,...

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