Was auf dem Spiel steht
Lossegeln, um zu Hause anzukommen – Über die Notwendigkeit von Grenzen – Ein Gespenst geht um – Tantra gegen Islamismus – Chesterton als »Apostel des gesunden Menschenverstands« – Vom Risiko, uncool zu sein – Nietzsches letzte Menschen – Warum dieses Buch erscheint, wo es erscheint
Wir leben in Zeiten eines neuen Kulturkampfes. Anders als derjenige der 1870er-Jahre, in denen das protestantische Kaisertum gegen die Katholiken im Lande mobilmachte und Priester einkerkerte, ist dieser einer zwischen links und rechts, zwischen Lüge und Wahrheit, Mainstream und Dissidententum, zwischen utopischer Schwärmerei und Realismus, aber auch zwischen Moderne und Beharren, der mittlerweile ebenfalls alle Züge eines Glaubenskrieges aufweist. Kurz: Es geht um die Macht, um die »kulturelle Hegemonie«, wie es der Marxist Antonio Gramsci einst nannte.
Was ist da nur passiert in den letzten drei Jahren? Wie konnte es dazu kommen, dass eine zarte Kolumnistin unter großem Beifall zur Vernichtung des politischen Gegners den »Schwarzen Block« empfiehlt, also Betonplatten, Stahlgeschosse und brennende Autos? Wie ist es möglich, dass 70 Prozent der deutschen Jugendlichen Zensurmaßmahmen des Staates begrüßen (in Großbritannien sind es 30 Prozent)? Wie kann es sein, dass ein Redakteur des Stern vermutet, dass sich das »wabernde Böse« gesammelt in der Bundestagspartei AfD niedergelassen hat? Nicht zuletzt: Wie ist es gekommen, dass aus mir, dem »einst geachteten Journalisten«, ein Geächteter wurde?
Dabei bin ich beileibe nicht der einzige Dissident dieser Regierungspolitik. Und nicht der Einzige, der unter Diffamierung zu leiden hat. CDU-Politikerinnen wie die konsequente Erika Steinbach, Grüne wie Boris Palmer, Professoren wie Jörg Baberowski, Philosophen wie Rüdiger Safranski, der jüdische Publizist Henryk Broder, besonders aber viele Muslime, die vor der Politik der offenen Tür warnten und warnen, wie Hamed Abdel-Samad, der ebenso unter Polizeischutz steht wie die katholische Konvertitin Sabatina James, Imrad Karim, Necla Kelek, Bassam Tibi und weitere.
Nicht vergessen will ich gleich zu Beginn die Opfer, die des Terrors und der ungefilterten Einwanderung, also die Opfer von Würzburg und Ansbach und Hamburg, die jungen Mädchen aus Heidelberg und Kandel, die des »Bataclan« und jener vom Breitscheidplatz, für die sich die Kanzlerin ein Jahr später ein paar Beileidsfloskeln abrang, obwohl die Mörder dank ihrer Politik ungehindert über die Grenzen kommen konnten. Unser Land hat sich verfinstert.
Von Gilbert K. Chesterton, dem wohl größten religiösen Genie, das unser Berufsstand je hervorgebracht hat, stammt die hübsche Idee zu einem Abenteuerroman über einen Seefahrer, der durch einen Fehler in der Kursberechnung und plötzlich wechselnde Winde jene Insel entdeckt, von der er losgefahren ist. In seinem Fall England.
Ein, wie Chesterton schreibt, »höchst beneidenswerter Irrtum«. Denn »was konnte erquicklicher sein, als in ein und demselben Augenblick all die faszinierenden Schrecken des Daseins in der Fremde mit dem Geborgenheitsgefühl der Heimkehr ins Vertraute verknüpft zu finden?«
In diesem Buch werde ich mit der gleichen Überraschung Deutschland entdecken, jenes Land, das sich in den letzten drei Jahren so tief greifend verändert hat wie kaum je zuvor. Sicher, auch die Weltlage insgesamt gibt sich Mühe, so auszusehen wie ein Computerspiel für ein paar törichte Teenager, mit Drohungen zu atomaren Erstschlägen und weiterem Kitzel.
Doch besonders unser Deutschland ist mir fremd geworden und gleichzeitig merkwürdig vertraut. Mit Erschrecken und mit großem Staunen werde ich dieses neue Deutschland unter die Lupe nehmen, ganz besonders seine Presse und meine eigenen Erfahrungen mit ihr. Mir scheint, dass wir in den letzten Jahren einem größeren geschichtlichen Umwälzungsprozess beiwohnen, als es der Mauerfall war. Und wie damals bin ich mittendrin, als regimekritischer Journalist, allerdings diesmal nicht wie vor 25 Jahren mit Preisen und Lob bedacht, denn diesmal nahm ich das eigene Regime unter die Lupe.
Ein besonders erschreckender Befund gleich vorweg: In diesen drei Jahren bemühte sich das Land parlamentarisch um eine Neuauflage der DDR. An der Spitze eine »Staatsratsvorsitzende«, die ihre einsame Entscheidung traf, welche von den Blockparteien abgenickt wurden, während der Leerraum gefüllt wurde mit eifrigster Solidaritätsrhetorik, in welcher die Liturgie des Antifaschismus eine exponierte Rolle annahm. Und das unter Beifall einer gespenstischen, weil freiwilligen Gleichschaltung der meisten Medien, die zu den buntesten Übersprungshandlungen bereit waren.
Auf meinem Boot lagen Hefte herum, die wohl eine Beschreibung der Insel enthielten, die ich ansteuerte. Presseerzeugnisse. Zum Beispiel bin ich auf dieses 200 Seiten dicke Quarterly der FAZ gestoßen. Es ist das mit Anzeigen gespickte Hochglanzprodukt einer Überflussgesellschaft im Modus der »Schlafwandler«.
Kein Zweifel, das Heft ist professionell und perfekt gemacht, aber ulkig aus der Zeit gefallen, ja es tut so, als sei es ganz im Geiste des Spaßjahrzehnts verfasst, der 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts, als die jungen Journalisten in Magazinen wie Tempo gegen die tonangebenden verbiesterten Ideologen der 68er mit Mode und guter Laune ins Feld zogen.
Nun allerdings sind sie selber Ideologen geworden. Was ist da passiert?
Auf dem Titel ein dunkelhäutiges Model, das Ethnomode trägt mit der Zeile »Radical Chic«. Die Unterzeile lautet: »Was so vielen Angst macht, ist für die Mode ein Lebenselixier: Offenheit, Migration und Austausch der Kulturen«. Angst vor Offenheit, das muss man wissen, ist der Begriffscode, mit dem der Widerstand gegen die Regierungspolitik der offenen Grenzen derzeit pathologisiert wird. Ich fühlte mich direkt angesprochen.
Ich habe in New York, Rio und London gelebt und nie Angst vor Offenheit gehabt. Warum sollte ich? Offenheit und Neugier auf andere Kulturen haben mich immer beflügelt und in die Welt hinausgetrieben wie Chestertons Seefahrer, ich bin den Amazonas hinaufgeschippert und habe mit Indios Krokodilfleisch verspeist, ich habe mit einer japanischen Bhuto-Gruppe auf einem Friedhof in Kyoto meditiert, habe mit meinem Freund, dem Schriftsteller Harold Brodkey, in seinem Gym in Manhattan geschwitzt und habe Helmut Kohl auf seiner letzten großen Auslandsreise nach Borneo begleitet.
Ich bin offen.
Wohl aber bin ich ein Freund von Grenzen, und ich halte den ungehinderten Strom von islamischen Immigranten, der vor drei Jahren in unser Land einbrach und es tiefenwirksam verändert hat und immer noch verändert, für eine kulturelle und rechtliche Katastrophe. Und wenn »Austausch von Kulturen« die Willkommenskultur für ungebildete, antisemitisch geprägte, frauen- und schwulenverachtende Muslime bedeutet, halte ich Gegenwehr im Sinne unseres aufklärerischen Erbes für notwendig.
Permanente Grenzenlosigkeit auf subjektiver Ebene bezeichnet man im klinischen Bereich als Schizophrenie. Jeder Heranwachsende lernt, seine Persönlichkeit zu bilden durch die Grenzen, die er zwischen sich und seiner Umwelt zieht. Sein Zimmer gilt als Sperrzone.
Grenzenlosigkeit auf nationaler Ebene führt zu Schutzlosigkeit und Staatsversagen. Und Staatsversagen ließ sich getrost konstatieren, als die Grenze Deutschlands am 3. September 2015 für Hunderttausende nicht identifizierter sogenannter Flüchtlinge geöffnet und nicht – wie vorgesehen – zehn Tage später wieder geschlossen wurde, weil die Regierungschefin Angst vor »ungünstigen Bildern« hatte. Ich glaube allerdings, dass mehr dahintersteckte.
Seit dem Jahr 2000 gibt es Überlegungen der »Abteilung Bevölkerungsfragen« der UN, die schrumpfende Einwohnerzahl in Europa, den USA und Japan durch eine sogenannte Bestandserhaltungsmigration aufzufangen, weitausgreifende Zukunftsberechnungen, deren mögliches Konfliktpotenzial gleichwohl offengelegt wurde (kulturelle Differenzen, wirtschaftliche Konkurrenz zwischen Neuankömmlingen und Empfängergesellschaft etc.). Die EU überging derartige Befürchtungen im Flüchtlingswirbel des Jahres 2016 und ging weiter. Sie schlug in einer Pressemitteilung vom 13. Juli 2016 einen EU-Neuansiedlungsrahmen vor, der aus Flüchtlingen genau das machen soll: Neuansiedler.
Wie alle Gebilde, die nicht organisch wachsen, sondern künstlich von entkoppelten Eliten geschaffen werden, wird auch dieser Masterplan, diese merkwürdige Empfehlung zur europäischen Ortlosigkeit, zerfallen wie einst das multiethnische Kaiserreich der Habsburger.
Kaiserliche Großträume und Demokratie stehen sich im Weg. Omnipotente Bürokraten, die am ganz großen Spiel mitwirken und die Bodenhaftung verloren haben, bestimmen den Lauf der Dinge. Und eine Kanzlerin, die in einsamen Bauchentscheidungen ihren Amtseid gebrochen hat, der darin bestand, ihre »Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren, Schaden von ihm zu wenden« und ansonsten die Gesetze zu respektieren.
Ich werde in diesem Buch Idolatrie betreiben. Ich werde Gilbert K. Chesterton vorstellen, den man den »Apostel des gesunden Menschenverstands« nannte und der geradezu sträflich unentdeckt bei uns ist. Ich glaube, dass in diesen Zeiten nichts so sehr gebraucht wird wie gesunder Menschenverstand. Gleichzeitig, und das schließt sich überhaupt nicht aus, wie ich beweisen werde, hoffe ich auf eine Rekatholisierung der Gesellschaft, allerdings auf eine, die mit der...