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Ethnische Minderheiten in Litauen

AutorMatthäus Trummer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl114 Seiten
ISBN9783656766964
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Geowissenschaften / Geographie - Bevölkerungsgeographie, Stadt- u. Raumplanung, Note: 1,0, Karl-Franzens-Universität Graz, Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Situation der ethnischen Minderheiten in Litauen. Der Staat Litauen, der südlichste der insgesamt drei Staaten, die gemeinsam als Baltikum bezeichnet werden, hat eine lange und wechselhafte gemeinsame Vergangenheit mit seinen Nachbarstaaten Weißrussland, Russland, Lettland und Estland als Teil der Sowjetrepubliken, sowie einer gemeinsamen Union mit Polen. Dennoch hat sich in Litauen, im Gegensatz zu seinen baltischen Nachbarn, ein viel geringerer Minderheitenanteil an der Gesamtbevölkerung erhalten und die ethnischen Spannungen in den letzten Jahrzehnten waren auch weniger ausgeprägt. Litauen wird oftmals sogar als 'Musterschüler des Ostens' angesehen, was das Verhältnis zu seinen Minderheiten betrifft. Die vorliegende Arbeit versucht dieser Hypothese nachzugehen und vor allem die Gründe für diese oftmalig getätigte Aussage zu erforschen. Beginnend mit theoretischen Begriffklärungen und einem historischen Längsschnitt, der wichtig ist, um die aktuelle Situation der Minderheiten besser verstehen zu können, werden wichtige rechtliche Grundlagen in Minderheitenfragen für Litauen geklärt. Hierbei prägend sind die Verfassung von 1992 sowie die Frage der Staatsbürgerschaft in Litauen. Den Hauptteil der Arbeit nimmt die Beschreibung der einzelnen Minderheiten, deren demographische Entwicklung, sowie die räumliche Verteilung der Minderheiten in Litauen ein. Diese werden in Form von selbst produzierten Karten visualisiert. In weiterer Folge werden so genannte Ausreißergemeinden ausgewählt und gesondert analysiert. Dies sind die Selbstverwaltungsgemeinden Vilnius Stadt, Vilnius Umgebung, Visaginas, Salcininkai, Trakai, sowie die Gemeinden Klaipeda Stadt und Klaipeda Umgebung. Die ethnischen Minderheiten werden ebenso auf die Situation des Sprachunterrichts, der politischen Partizipation, sowie der Herausgabe von Medien in Form von Zeitschriften, Wochen- und Tageszeitungen analysiert. Des Weiteren wird näher betrachtet, welches Programm es in Fernsehen und Radio für und von den einzelnen Minderheiten gibt. Den Abschluss der Arbeit bilden ein Resümee, in dem der aktuelle Stand der Minderheitenpolitik in Litauen betrachtet wird, sowie ein Ausblick über zukünftige Entwicklungen.

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Leseprobe

2 Theoretische Überlegungen


 

Die Thematik des Minderheitenschutzes hat mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und infolge der Beitrittsverhandlungen der ehemaligen Staaten des so genannten „Ostblocks“ zur Europäischen Union einen komplett neuen Stellenwert bekommen. Die Titularnation, darunter wird eine Nation verstanden, von deren Namen sich die Bezeichnung des Staates ableitet und die zumeist auch die Bevölkerungsmehrheit des Staates bildet, stellt in Litauen 83,1 % der Bevölkerung. Die größten Minderheiten des Landes sind die polnische Minderheit mit einem relativen Bevölkerungsanteil von 6,1 % und die russische Minderheit mit 4,9 %. Vor allem zwischen Polen und Litauen kam es in den letzten Jahren zu Spannungen bezüglich der Benachteiligung der polnischen Minderheit in Litauen, das Verhältnis mit Russland erscheint dagegen momentan relativ unproblematisch. Der Beitritt Litauens zur Europäischen Union hat die Spannungen zu einem gesamteuropäischen Problem gemacht.

 

Durch die gemeinsame Vergangenheit der baltischen Nachbarstaaten Estland und Lettland wäre ein Vergleich in Bezug auf die Behandlung der Minderheiten angebracht, dennoch sind schon alleine aufgrund der Historie verschiedene Grundlagen gegeben. So war die Ausgangslage in Litauen 1990 eine andere als in Lettland und in Estland. Durch die relativ homogene Zusammensetzung der Bevölkerung konnte man von Anfang an einen anderen Weg gehen, der sich in der sog. „Nulloption“ im Jahr 1992 auch widerspiegelte. Aufgrund seiner erfolgreichen Integration der Minderheiten gilt Litauen heute als einer der Musterschüler Europas in den mittel- und osteuropäischen Ländern. Bei der Suche nach Literatur stößt man auf umfangreiche Informationen über die Minderheitensituation in Estland und Lettland, über Litauen findet man signifikant weniger Literatur, was wohl daran liegt, dass es das am wenigsten untersuchte der baltischen Länder ist. Durch einen anderen Ansatz in der Minderheitenpolitik nach Erlangung der Unabhängigkeit konnte vielen potentiellen Konflikten vorgebeugt werden.

 

2.1 Ethnizität


 

Ethnizität bedeutet eine gefühlsmäßige Volkszugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, weniger eine faktische Zugehörigkeit. Ethnische Gruppen entstehen dabei durch Definitionsprozesse, welche die Gruppen jedoch selbst vornehmen. Treibel meint hierzu, dass das, was eine Gruppe zu einer ethnischen Gruppe macht, oft mehr Fiktion als Realität sei. (Treibel 2008, S.186-187)

 

Elemente des Begriffs Ethnizität sind laut Heckmann folgende:

 

 die Betonung der soziokulturellen Besonderheiten

 

 gemeinsame historische und aktuelle Erfahrungen

 

 die Vorstellung einer gemeinsamen Herkunft

 

 eine kollektive Identität, die auf Selbst- und/oder Fremdzuschreibung beruht

 

 ein auf ethnischen Grenzen beruhendes Zusammengehörigkeits- und Solidaritätsbewusstsein

 

 der Glaube an eine gemeinsame Zukunft (Heckmann 1992, S.37)

 

Eine Definition des Begriffs „Ethnie“ nimmt Perchinig vor, indem er festlegt, dass dies eine Gruppe bezeichnet, „die sich selbst in rollentranszendierenden, klassen-, schicht- und geschlechtsunspezifischen sowie tendenziell das gesamte Alltagsleben umfassenden Charakteristik als gegenüber ihrer Umwelt anders wahrnimmt und auch von ihrer Umwelt als anders wahrgenommen wird.“ (Perchinig 1988, S.130)

 

2.2 Nationalität – nationale Minderheit


 

Nationalität und Nationalismus setzen sich aus gemeinsamen ideologischen Bausteinen wie Sprache, Volk, Religion und Geschichte zusammen. Eine Nation wird durch Teilhabe an einer gemeinsamen Gleichartigkeit begründet. (Heckmann 1992, S.51-52) Die Begriffe der Nationalität sowie des Nationalismus haben die letzten beiden Jahrhunderte der Menschheit geprägt. Der Nationenbegriff kann dabei als ethnisches Kollektiv bezeichnet werden, das ein ethnisches Bewusstsein einer Gemeinsamkeit zur Grundlage hat und politisch im Nationalstaat organisiert ist. (Heckmann 1992, S.57)

 

Eine spezielle Definition des Begriffs der Minderheit gibt es in Litauen nicht, jedoch wird er auf jeden Fall auf litauische Staatsbürger angewandt, welche entweder einem Volk angehören das in einem anderen Land die staatstragende Nation stellt, oder sich als eigene ethnische Gruppe versteht (Schmidt 2005, S.16). Der Entwurf eines neuen Minderheitengesetzes, das 2011 noch nicht umgesetzt war, sieht erstmalig eine Definition einer nationalen Minderheit in Litauen vor. Wörtlich heißt es: „National minority means a group of citizens of the Republic of Lithuania who have a culture, religion or language different from those of the national majority and who are united by the ambition to preserve their national identity.” Eine Organisation einer nationalen Minderheit soll demnach wie folgt definiert werden: “National minority organisation means an organisation that unites persons belonging to a national minority, which operates pursuant to the Law on Associations of the Republic of Lithuania, the Law on Public Institutions of the Republic of Lithuania and the Law on Charity and Sponsorship of the Republic of Lithuania.” (Council of Europe 2011b, S.13-14)

 

2.3 Minderheit


 

Der Minderheitenbegriff wird im alltäglichen Diskurs häufig verwendet, er steht so gut wie immer einer Mehrheitsbevölkerung gegenüber. Jedoch steht die Minderheit der Mehrheit nicht immer gleichberechtigt gegenüber, sie kann auch benachteiligt, diskriminiert oder unterdrückt werden. Ein Charakteristikum einer Minderheit ist des Weiteren ihr spezielles Verhältnis zum staatlichen System. (Schmiedmeier 2010, S.28)

 

Eine von Capotorti im Auftrag der Vereinten Nationen im Jahr 1977 entwickelte Definition einer Minderheit, die international anerkannt ist, weist folgende Merkmale auf:

 

 eine ethnisch, religiös oder sprachlich von der Mehrheit unterschiedliche Bevölkerungsgruppe

 

 zahlenmäßige Unterlegenheit

 

 keine beherrschende Stellung

 

 Staatsangehörige des Wohnsitzstaates

 

 will ihre Gruppenidentität bewahren

 

Niemand soll gegen seinen Willen in einer Minderheit festgehalten werden, deshalb wird auch niemand gezwungen, sich zu einer Minderheitengruppe zu bekennen. (Capotorti 1979)

 

2.4 Typen nationaler Minderheiten in Litauen


 

Nationale Minderheiten können in Litauen nach folgenden Typen unterschieden werden: (Runblom und Roth 1993, S.9-11)

 

Die so genannten territorialen Minderheiten bezeichnen sich selbst als Minderheiten. Sie leben aufgrund ihrer Tradition bereits sehr lange auf ihrem Gebiet und werden als Alteingesessene angesehen. Sie können in einem kleinen geschlossenen Siedlungsgebiet, aber auch verstreut über ein größeres Siedlungsgebiet verstreut leben. In Litauen kann man als Beispiele die Karäer und die Tataren anführen.

 

Des Weiteren gibt es Minderheiten, die den Status einer Minderheit durch die sich verändernden Grenzverläufe in der Historie bekommen haben. Durch die Verschiebung wird oftmals aus einer Majorität eine Minorität, die sich verschiedenen Formen von Diskriminierungen ausgesetzt sieht. Als Beispiel in Litauen können die polnische und teilweise auch die weißrussische Minderheit gesehen werden.

 

Als postkoloniale Minderheiten kann man jene bezeichnen, die vormalig die dominierende Macht im Land waren und durch eine Veränderung hin zu einem neuen souveränen Staat und einer Nationalbewegung zu einer Minorität werden. Die russische Minderheit und des Weiteren Angehörige der ehemaligen Sowjetunion können hier als Beispiel für Litauen angeführt werden.

 

Die Kategorie der Diaspora bezeichnet Minderheiten, die außerhalb ihres Ursprunglandes Gruppen bilden, und sich dann zu dieser Gemeinschaft zugehörig fühlen. In Litauen können als Beispiel Juden und Roma angeführt werden, wobei Juden bereits seit dem Mittelalter auf dem Gebiet des heutigen Litauen siedeln.

 

Nach der Annexion Litauens durch die Sowjetunion kamen, bedingt durch die Industrialisierung der baltischen Staaten, Arbeitskräfte aus den Teilrepubliken der Sowjetunion nach Litauen. Diese Kategorie kann als Arbeitsmigration bezeichnet werden Als Beispiele hierfür können Russen, Weißrussen, aber auch Ukrainer genannt werden, die sich vor allem in den großen Zentren ansiedelten.

 

In die Kategorie Flüchtling einordnen kann man Personen, die ihr Land aufgrund von Terror, Diskriminierung oder Krieg verlassen haben. Migranten dieser Kategorie können sowohl in der Zwischenkriegszeit als auch in jüngerer Vergangenheit gefunden werden.

 

2.5 Minderheitenschutz als...


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