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Wege zur Verbesserung der Leistungsbeurteilung in der Schule

AutorOliver Brunotte
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2002
Seitenanzahl103 Seiten
ISBN9783638157025
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Pädagogik - Allgemein, Note: 1, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Ist Leistungsbeurteilung in der Schule sinnvoll? Wozu das Ganze? Was sagen Noten überhaupt aus? Ist die Zensurengebung in Schulen heute fragwürdig oder gerecht? Wären nicht Wortzeugnisse oder Lernentwicklungsberichte besser? Wie sinnvoll sind zentrale Prüfungen?Und was können wir tun, damit Zensuren möglichst gerecht, objektiv und für Eltern, Lehrer und Schüler hilfreich und aussagekräftig werden? Eine der Aufgaben, der sich Lehrer in ihrem Beruf häufig und intensiv widmen müssen, ist die Zensierung der von Schülern erbrachten Leistungen. Betrachtet man die einschlägige Literatur zum Thema Leistungsbeurteilung, so stellt man fest, dass sich in der Vergangenheit bereits intensiv mit Problemen der Zensierungspraxis an den Schulen auseinandergesetzt wurde und dass Missstände gesucht, gefunden und angeklagt wurden. Bis in die siebziger Jahre hinein entstand, als Folge der vielen Veröffentlichungen und öffentlichen Diskussionen, ein Problembewusstsein um die 'Fragwürdigkeit der Zensurengebung' in der Bevölkerung. Nach 1975 gab es jedoch wesentlich weniger Diskussionen über das Thema, und obwohl in der Fachliteratur inzwischen auf viele Lösungsmöglichkeiten für die damals bloßgestellten Probleme verwiesen wird, findet sich die Stimmung gegen Ziffernnoten, mit all den bis in die 1970er Jahre dargestellten Problemen, noch immer in vielen Veröffentlichungen und Programmen. Auf die vielen Verbesserungsvorschläge, die bis zum heutigen Tag gemacht wurden, wird kaum eingegangen. Diese Arbeit reiht sich weder in die große Gruppe von Anklagen gegen die heutige Leistungsbewertung ein, noch verteidigt sie die Ziffernote als einzig richtige Möglichkeit. Es sollen Wege zur Verbesserung der Leistungsbeurteilung in der Schule dargestellt werden. Dazu werden folgende Fragen beantwortet: Welche Funktionen sollen Leistungsbeurteilungen überhaupt erfüllen? Welche Probleme behindern die Erfüllung der Funktionen von Leistungsbeurteilung? Welche Mittel und Wege gibt es, diese Probleme zu vermeiden oder zu beseitigen? Durch die Beantwortung dieser Fragen und in Exkuren zu Themen wie 'Portfolio', 'Wortzeugnis', 'zentrale Prüfungen' kommt Brunotte in seiner Arbeit zu einem Resümee, dass sich nicht mit der Kritik an der Zensurengebung zufrieden gibt, sondern konkrete Verbesserungsvorschläge macht und den aktuellen Stand der Forschung miteinbezieht.

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Leseprobe

3 Klärung des Ziels: Funktionen von Leistungsbeurteilung


 

Leistungsbeurteilung hat verschiedene Funktionen, sowohl im innerschulischen als auch im außerschulischen Bereich. Viele Vorschläge zur Verbesserung der Leistungsbeurteilung wurden gemacht, ohne sich zuvor deutlich all diese Funktionen vor Augen zu halten. So kommt es, dass einige Vorschläge gemacht wurden, die bestimmte Funktionen wesentlich verbesserten, andere jedoch teils vernachlässigten, oder als nicht wichtig oder gar schädlich darstellten und somit ganz ausblendeten. In diesem Kapitel sollen die einzelnen Funktionen schulischer Leistungsbewertung dargestellt und die Wichtigkeit jeder dieser Funktion sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schule aufgezeigt werden.

 

3.1 Gesellschaftliche Funktionen von Leistungsbeurteilung


 

3.1.1 Anmerkungen zum Leistungsprinzip in der Gesellschaft


 

Die Gesellschaft, in der wir heute leben, wird gemeinhin als Leistungsgesellschaft bezeichnet. Dies soll deutlich machen, dass Leistung in dieser Gesellschaft besonders geachtet wird. Positionen innerhalb der Gesellschaft sollen entsprechend der Leistung vergeben werden und nicht nach dem Stand der Geburt oder der religiösen Überzeugung, des Aussehens oder Ähnlichem: Wer viel Leistung erbringt, soll eine hohe Position erlangen. Wer gute Leistungen in einem bestimmten Bereich erbringt, sollte in diesem Bereich einen Beruf erfüllen und somit der Gesellschaft am besten nutzen. JÜRGENS besteht auf die Unterscheidung, dass es sich bei der heutigen Gesellschaft nicht um eine Leistungsgesellschaft, sondern um eine leistungsorientierte Gesellschaft handelt (JÜRGENS in BEUTEL, 16). Er verweist auf andere, neben dem Leistungsprinzip gültige Verteilungsprinzipien, wie das Ideologieprinzip, das Bekanntheits- und Beliebtheitsprinzip und das Sozialprinzip. SACHER nennt zusätzlich Vorrechte der Geburt und das Anciennitäts Prinzip[1] (SACHER 1996, 4). Aus ihrer Feststellung, dass in der Gesellschaft Positionen nicht allein nach Leistung vergeben werden, folgern beide Autoren, dass auch in der Schule nicht das reine Leistungsprinzip gelten sollte. Doch auch, wenn man den beiden Autoren zugesteht, dass das Leistungsprinzip in der Gesellschaft nicht das einzige Verteilungsprinzip ist, so muss doch festgehalten werden, dass es (noch) das entscheidende und vor allem auch gesellschaftlich gesehen das sinnvollste ist: Die in einer Gesellschaft anfallenden Aufgaben sollten von den Mitgliedern der Gesellschaft bewältigt werden, die für diese bestimmten Aufgaben am besten geeignet sind.

 

An dieser Stelle soll nicht weiter vertieft werden, ob das Leistungsprinzip in unserer Gesellschaft das idealste Prinzip ist, oder eher ersetzt werden sollte, wie es in vielen Veröffentlichungen geschieht, die sich nur vordergründig gegen Zensurengebung und das Leistungsprinzip in der Schule richten, die aber eigentlich das System als solches angreifen. SOMMER spricht hier von einer „ (...) Kritik an der „Leistungsschule“, die sich im Grunde als Kritik der (kapitalistischen) Leistungsgesellschaft schlechthin versteht, d.h. mit der Kritik an der Schule eigentlich die Gesellschaft treffen will.“ (SOMMER 1983, 10). Er  setzt solcher Kritik entgegen, dass „(...) ein Ersatz des Leistungsprinzips durch ein anderes gesellschaftliches Gestaltungsprinzip auf lange Sicht nicht realisierbar sein dürfte. (...) denn das Leistungsprinzip hat sich im Verlauf eines langen historischen Entwicklungsprozesses zu einem zentralen gesellschaftlichen Gestaltungs- und Ordnungsprinzip moderner Industriegesellschaften entwickelt, daß ein plötzlicher Verzicht auf dieses Prinzip bzw. seine Ersetzung durch ein anderes gesellschaftliches Ordnungsprinzip die Funktionsfähigkeit und den Fortbestand dieser hochkomplexen  Gesellschaftssysteme ernsthaft in Frage stellen würde.“ (SOMMER 1983, 21). Die Diskussion über einen Wechsel des Verteilungsprinzips innerhalb unserer Gesellschaft soll hier jedoch nicht vertieft werden; sicher würde die Leistungsbewertung in Gesellschaften mit anderen Verteilungsprinzipien andere Funktionen erfüllen, für die Kernfrage dieser Arbeit ist dies jedoch nicht relevant. Es soll wertfrei festgehalten werden, dass wir in einer Leistungsgesellschaft, bzw. in einer hauptsächlich an Leistung orientierten Gesellschaft leben. Ausgehend von dieser Feststellung soll die Funktion der Leistungsbewertung in der Schule innerhalb einer solchen Gesellschaft dargestellt werden.

 

3.1.2 Die Berechtigungsfunktion


 

Wenn die Entscheidung von Laufbahnen und Positionen in der Gesellschaft abhängig ist von der Leistung des Einzelnen, so erfordert dies eine möglichst genaue Ermittlung dieser Leistung: Die Leistungsgesellschaft ist nicht funktionsfähig, ohne ein Instrument zur Erfassung von Leistungen. Die Leistung des Einzelnen in der Gesellschaft muss festgestellt, beurteilt und in einer für Dritte verständlichen und vergleichbaren Form dargestellt werden. Nur wenn diese Beurteilungen objektiv, valide, reliabel und miteinander vergleichbar sind, können auf ihnen basierend auch gerechte Zuweisungen innerhalb der Gesellschaft erfolgen.

 

Diese verantwortungsvolle Aufgabe wurde der Schule übertragen, einer Institution, an dem die Lern- und Leistungsgewohnheiten von Kindern über Jahre hinweg also nicht nur gefördert, sondern auch beurteilt werden müssen. Maßnahmen zur Leistungsfeststellung und Bewertung sind daher in der Schule unbedingt wichtig, da, wie TILLMANN UND VOLLSTÄDT schreiben “Ohne solche Maßnahmen (...) das Schulsystem nicht in der Lage [wäre], die von ihm geforderten Zuweisungen und Laufbahnentscheidungen nach einem als >> gerecht<< geltenden Kriterium vorzunehmen“ (TILLMANN & VOLLSTÄDT in BEUTEL / VOLLSTÄDT 2000, 27). Die festgestellten Leistungen sollen als grundlegende Basis für die Entscheidung über Aufstiegschancen gelten. So bezeichnet ZIEGENSPECK Zeugnisse auch als „(...) Unterlage für Aufstiegsmöglichkeiten (...)“, welche die „(...) Chance des Weiterkommens (...) wahren oder verringern (...)“ (ZIEGENSPECK 1973, 60). Diese Funktion der Leistungsbeurteilung wird allgemein als die Berechtigungsfunktion von Zensuren bezeichnet, da gute Leistung zu bestimmten Positionen in der Gesellschaft berechtigen. Sie kann als Mittel zur Wahrung sozialer Gerechtigkeit gesehen werden, da bei der Bewerbung auf eine Arbeitsstelle derjenige Bewerber bevorzugt wird, der die besseren Zeugniszensuren vorweisen kann, gänzlich unabhängig seiner sozialen Herkunft, seiner religiösen Überzeugung, seines Standes in der Gesellschaft oder Ähnlichem. So ist gewährleistet, dass auch Menschen aus unteren sozialen Schichten an hochbezahlte Arbeitsstellen für hochqualifizierte Arbeiter kommen können. Dies ist wichtig, damit wirklich qualifizierte Menschen diese Berufe ergreifen und diese nicht durch Beziehungen oder Verwandtschaft „vererbt“ werden können. Durch letztgenanntes Vergabesystem der begehrten Berufe (vom Vater zum Sohn oder zum Freund) zeichnete sich das feudale System aus. Ohne ein Berechtigungssystem, bei dem ein Bewerber (z.B. durch Zensuren) als höher oder niedriger qualifiziert als ein anderer ausgewiesen wird, gäbe es keinen Grund, nicht wieder zu dieser Verteilung von Arbeitsplätzen aufgrund von Beziehungen zurückzukehren. Auch in diesem Sinne ist es wichtig, nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Leistungsbeurteilung zu suchen, denn je mehr die in Zeugnissen ausgewiesenen Leistungen angezweifelt werden, desto stärker werden andere Faktoren bei der Verteilung der Arbeitsplätze berücksichtigt. Dies kann z.B. der (unobjektive) erste Eindruck in einem Bewerbungsgespräch sein, die von Betrieben durchgeführte (und meist sehr unreliable) einmalige Aufnahmeprüfung, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht oder auch die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Bewerber.

 

3.1.3 Die Funktion der Sozialisierung


 

Eine seltener genannte Funktion der Leistungsbeurteilung ist die der Sozialisation. Die Wirkung der Zensuren auf das Verhalten der Beurteilten wird für gewöhnlich unter der „pädagogischen Funktion“ zusammengefasst. Jedoch wird durch Leistungsbeurteilung nicht nur innerschulisches Verhalten beeinflusst, sondern es treten auch Wirkungen auf gesellschaftliche Werte auf. So wird die Akzeptanz der Leistungsgesellschaft bereits in der Schule „geübt“, indem auch in der Schule ein Modell der Leistungsorientierung angewandt wird. Die Leistung, ausgedrückt in Zensuren, entscheidet über den Übergang zur nächsten Klasse, bzw. über die Zuordnung zu unterschiedlichen Kursen oder Schulformen. SACHER schreibt in diesem Zusammenhang: „Zum einen müsse die nachfolgende Generation in die Leistungsgesellschaft und die bürokratische Gesellschaft eingeführt werden, zum anderen finde dadurch auch die ,,Akzeptanz eines Zertifikatsunwesens" statt“ (SACHER 1996, 11). Doch unabhängig davon, ob man Zertifikate und Bürokratie als Prinzipien gutheißt, kann diese Aufgabe von Zensuren verstanden werden, als die Einübung und Aufrechterhaltung von gesellschaftlich akzeptierten Prinzipien und Werten. Hierbei werden noch andere Werte vermittelt, obwohl natürlich in verschiedenen Ausprägungen. So kann sich auch die Einsicht entwickeln,...

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