Springer-Fachzeitschrift The Science of Nature – NaturwissenschaftenMehr Tiere und höhere Geschwindigkeiten – eine Herausforderung, die kleine Insekten auf ihren Straßen selber meistern

Bei zunehmender Verkehrsdichte auf der Ameisenstraße reagieren die Tiere mit erhöhter Geschwindigkeit, anstatt diese zu reduzieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, die in der Springer-Fachzeitschrift The Science of Nature – Naturwissenschaften erscheint. Nachdem die Wissenschaftler das Angebot mit Nahrung durch zusätzlich neben den Ameisenstraßen ausgebrachtes Futter erhöhten, steigerten die Ameisen ihre Geschwindigkeit um 50 Prozent. Die Ameisen zeigten dieses Verhalten trotz einer mehr als doppelt so hohen Verkehrsdichte.

Bei zunehmendem Nahrungsangebot werden zusätzliche Arbeiterinnen ausgesandt, um das Futter zum Nest zu bringen. Die dadurch ansteigende Ameisendichte führt zu einer erhöhten Anzahl von Begegnungen zwischen jenen Tieren, die das Nest verlassen oder betreten. Wissenschaftler von der Universität Halle-Wittenberg vermuten, dass diese Begegnungen Möglichkeiten zum Informationsaustausch bieten und die Ameisen ihr Verhalten so an die Umgebungsbedingungen anpassen.

Die Wissenschaftler identifizierten auch Regeln der Verhaltensetikette der Ameisen. Beispielsweise weichen Arbeiterinnen auf dem Weg zum Nest häufiger nach links als nach rechts aus, um Kollisionen mit entgegenkommenden Ameisen zu vermeiden. Anstatt einer strikten Aufteilung in einzelnen Bahnen zu folgen, wie etwa im menschlichen Straßenverkehr üblich, teilen sich Ameisen nur begrenzt in Bahnen auf. Es wurde deutlich, dass die Ameisen, die zum Nest zurückkehren, häufiger die linke Seite der Ameisenstraße benutzen.

Die Beobachtungen wurden bei der Großen Wiesenameise Formica pratensis gemacht. Die Ameisenart lebt hauptsächlich im offenen Grasland und ihr dient der Honigtau von Blattläusen als Kohlenhydratquelle. Die Ameisen dieser Art bauen ihre Kolonien in der Nähe bevorzugter Sammelstellen, in denen sie Blattläuse kultivieren und beschützen. Durch die Nutzung bereits ausgetretener Ameisenstraßen erhöhen die Tiere ihre Effizienz beim häufigen Zurücklegen der Wegstrecken zwischen Sammelstelle und Kolonie. Solche Ameisenstraßen bestehen mitunter mehr als ein Jahrzehnt.

Auf einem 15 cm langen Wegstück wurden insgesamt 1.865 Ameisen gefilmt. Im Intervall von 50 Bildern wurde das Video angehalten und die Anzahl der Ameisen auf jeder Spur gezählt. Bei geringer und mittlerer Verkehrsdichte bevorzugen die Ameisen die zentralen Bahnen. Insgesamt wurden 496 Ameisen bezüglich ihrer Geschwindigkeit untersucht.

Bei den Begegnungen zwischen Ameisen berührten sich die Tiere auch mit ihren Antennen oder tauschten Flüssigkeiten aus. Die Häufigkeit der Begegnungen nahm mit der Dichte des Verkehrs auf der Ameisenstraße zu, führte aber nicht zu einer Beeinträchtigung des Verkehrsflusses.

„Selbst bei den höchsten Verkehrsdichten, die wir erzeugen konnten, wurden keine Verkehrsstaus beobachtet“, sagt Christiane Hönicke, Co-Autorin der Studie. „Die Ameisen erhöhten ihre Geschwindigkeit und wurden von den zentralen Bahnen der Ameisenstraße verdrängt, was zu einer selbstorganisierten Optimierung des Verkehrsflusses führte.“

Quelle:
Hönicke, C. et al (2015). Effect of density on traffic and velocity on trunk trails of Formica pratensis. The Science of Nature – Naturwissenschaften DOI 10.1007/s00114-015-1267-6

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