Mikroskopbild des WurmsThelaziosebefall eines Hundes – auch in Deutschland sind Thelazia Spezies auf dem Vormarsch
Katja Schneider

Thelazia callipaeda, bekannt als orientalischer Augenwurm, kommt durch den zunehmenden Reiseverkehr immer häufiger auch in Deutschland vor. Die Tiere werden mit serösem Augenausfluß, Konjunktivitis und in seltenen Fällen auch mit Keratitis in der Praxis vorgestellt. Die Infektion mit Thelazia callipaeda tritt meist in der Hauptaktivitätszeit der Fruchtfliege von Frühjahr bis zum Herbst auf. Die Fruchtfliege dient als Zwischenwirt. Sie nimmt als Vector die Larven aus dem Augensekret der Hunde auf und über 2 Häutungen entwickelt sich im Darm der Fruchtfliege die infektionsfähige Larve III. Diese wird dann über die Mundwerkzeuge wieder in das Tränensekret des neuen Endwirtes abgegeben. Die sich dann entwickelnden adulten Würmer ziehen sich häufig hinter die Nickhaut zurück und sind deshalb nicht immer sofort für Tierbesitzer oder Tierarzt sichtbar. Bei therapieresistenten Konjunktivitiden sollte man zunehmend auch Thelazia callipaeda auf der Differentialdiagnosenliste haben.

Verbreitung
Thelazia callipaeda gehört zur Gattung der Nematoden und ist der Erreger der kaninen Thelaziose. Ursprünglich auch als orientalischer Augenwurm bezeichnet, da er vor allem im fernen Osten (Japan, China, Indien, Russland, aber auch einige Regionen Italiens, Frankreich und der Schweiz) vorkommt. Es gibt in Europa 5 verschiedene Thelazia Spezies. Pferde werden vorwiegend von Thelazia lacrymalis befallen, Rinder von Thelazia gulosa, Thelazia skrjabini, Thelazia rhodesii und Thelazia callipaeda kommt bei Hunden, Katzen, Kaninchen, Füchsen und bei uns Menschen vor. Durch die verstärkte Reisefreudigkeit steigen auch die Fallzahlen bei Hunden in Deutschland. Bereits 2003 betrug in Süditalien die Prävalenz bei Jagd- und Hütehunden um 42% und in Norditalien um 23% (Schnyder, 2009). Laut einer Studie in der Schweiz von 2000-2006 konnte bei über 60% der infizierten Hunde eine autochthone Infektion nachgewiesen werden (Malacrida et al., 2008). Demnach sind Hunde infiziert, die niemals die Schweiz verlassen haben. 2009 wurde in Deutschland der erste autochthone Fall eines Hundes beschrieben (Magnis et al, 2009). In dem Zusammenhang wird jetzt der Wildtierzyklus der Füchse in Verbindung mit der Fliegenpopulation als Ursache für die Verbreitung näher untersucht.

Anatomie
Thelazia callipaeda sind Rundwürmer von ca. 1,5cm Länge, abhängig vom Geschlecht des Wurmes.
Der Körper des Wurmes ist mit einer flexiblen Nagelhaut bedeckt, die charakteristisch eine Cutikulastreifung aufweist. Weiterhin verfügen alle Thelazia Spezies über ein röhrenförmiges Verdauungssystem mit Mund und Anusöffnung (Abb.1, Abb.2). Ein Atmungssystem und ein Blutkreislauf fehlen den Thelazia Spezies. Allerdings besitzen sie ein Nervensystem aus einem dorsalen und ventralen Längsnerv und einem Nervenring, welcher den Oesophagus auf halber Höhe umgibt.

Entwickluszyklus
Sie sind getrenntgeschlechtlich, wobei die weiblichen viviparen Würmer am distalen Ende des Uterus eine Fertilisationskammer besitzen. Nach der Befruchtung gelangen die befruchteten Eizellen aus der Fertilisationskammer in den proximalen Teil des Uterus, wo sie zur Larve I heranwachsen (Abb. 3). Die Entwicklung der Larve I zum adulten Wurm verläuft über 4 Häutungen, wobei die ersten 2 Häutungen im Zwischenwirt der Fruchtfliege (Phortica variegata) stattfinden (Medl,2007). Das bedeutet, dass die adulten Weibchen die Larve I in das Augensekret von Hunden, Katzen, Füchsen, Wildkatzen, selten Steinmardern und Kaninchen bzw. Feldhasen abgeben. Der Zwischenwirt, die Phortica variegata dient als Vektor und nimmt die Larve I aus dem Tränensekret auf (Oranto et Traversa, 2005). Eigentlich ernährt sich die Fruchtfliege vornehmlich von Früchten, in einigen Fällen aber auch von der Tränenflüssigkeit der Tiere. Nach der Aufnahme wandert die Larve I zum Mitteldarm der Fliege und entwickelt sich dort über 2 Häutungen innerhalb von 15 Tagen zur infektionsfähigen Larve III. Die Larve III wandert dann wiederum zu den Mundwerkzeugen der Fliege und wird dann in das Tränensekret des Endwirtes wieder abgegeben. Im Endwirt findet dann die Entwicklung zum adulten Wurm über 2 weitere Häutungen statt (Abb. 4).
Die Infektion mit Thelazia kann ganzjährig auftreten, aber die klinischen Krankheitsausbrüche kommen hauptsächlich in der Hauptaktivitätszeit der Fliegen im späten Frühjahr bis zum frühen Herbst vor. Vereinzelt können Thelazia Spezies Larven in der Fruchtfliege auch überwintern.

Klinik
In unserem Fall war der Hund 2 Wochen in Süditalien im Urlaub. Die Besitzerin stellte ihren Hund auf Grund von einseitiger Konjunktivitis und Epiphora am linken Auge vor. Bei der Erstvorstellung in der ambulanten Sprechstunde konnten trotz Spaltlampenuntersuchung keine Würmer nachgewiesen werden. Der Hund wurde nach negativem Fluoreszein-Test mit Dexa-Genta AT zur Behandlung der Konjunktivitis entlassen und nach 1 Woche in die Augensprechstunde wieder bestellt. Auch nach einer Woche zeigte der Hund weiterhin Blepharospasmus, Epiphora, leichtem Nickhautvorfall und eine therapieresistente Konjunktivitis. Nach erfolgter Lokalanästhesie und genauerer Inspektion der Hinterseite der Nickhaut konnte ein Befall mit Thelazia nachgewiesen werden. Die Parasiten können sich auch mal in den Tränen-Nasen-Kanal, in den Konjunktivalsack, und in den Ausführungsgängen der Tränendrüse zurückziehen, weswegen sie nicht immer bei der Untersuchung zu diagnostizieren sind. Dies war bei der Erstuntersuchung unserer Kollegin wahrscheinlich der Fall. Wichtig ist hier nur die wiederholte Adspektion hinter die Nickhaut unter Lokalanästhesie bei Nichtbesserung der klinischen Symptome.

In anderen Fällen mit massiven Befall von Thelazia sind follikuläre Hypertrophie der Konjunktiva, Lichtempfindlichkeit, Keratitiden bis hinzu leichten Korneaulcerationen beschrieben. Jedoch dringen auch bei Massenbefall die Würmer nicht in das Auge ein und können somit leicht von der Kornea entfernt werden.

Zoonose
Der Orient-Augenwurm zählt zu den Zoonosen. Da die klinische Diagnose auch beim Menschen durch geringen Befall mit Thelazia schwierig sein kann, ist es um so wichtiger gründlich die Nickhaut zu inspizieren. Die klinischen Symptome beim Menschen ähneln einer allergischen Konjunktivitis. Der Großteil der Berichte über Infektionen mit Thelazia Spezies beim Menschen stammt aus den asiatischen Ländern. Hier kommen vorwiegend beim Menschen Thelazia californiensis und Thelazia callipaeda vor. Als Hauptreservoir für eine Infektion mit Thelazia callipaeda in diesen Ländern wird der Hund beschrieben (Soe et al. 2002).

Therapie
Ein Befall mit Thelazia callipaeda sollte durch die Kombination einer manuellen Entfernung der Würmer und einem Einsatz eines Anthelminthikums therapiert werden. Mittel der Wahl sind hier makrozyklische Laktone. Beim Hund wird eine zweimalige Applikation von 0,5mg/kg Milbemycinoxim im im Abstand von 1 Woche oder 2,5mg/kg Moxidectin als spot on empfohlen. Die Therapie der Katze besteht in einer Applikation von 2,5mg/kg Moxidectin als spot on. In der Literatur ist eine Wirksamkeit dieser Präparate von 73-95% der Fälle beschrieben (Naucke T et al., 2011). In unserem Fall haben wir den Tränennasenkanal bzw. den Konjunktivalsack mit isotoner Kochsalzlösung gespült. Parallel dazu bekam unser Patient jeweils 1 Tablette Milbemax im Abstand von 1 Wochen verabreicht.

Prophylaxe
Um Augenwürmern der Hunde weiter vorzubeugen, muss die Fliegenpopulation kontrolliert werden, da nur eine Kontrolle bzw. Reduktion der Fliegenpopulation, die Ausbreitung der Augenwürmern reduzieren kann. Bei Pferden, welche vermehrt auf Koppeln mit sehr großen Fliegenpopulationen weiden, empfiehlt sich ein Fliegenkopfschutz. Da sich unsere Hunde nicht rund um die Uhr sich im Freien aufhalten und nur ein geringer Prozentsatz der Hunde mit ihren Besitzern verreist, ist die Verbreitung der Thelazia noch nicht so hoch. In Endemiegebieten sollten jedoch auch bei Hunden Spot-on-Präparate oder Milbemycinoxim eingesetzt werden.

1 Deplazes, P., Eckert, J., von Samson-Himmelstjema, G., Zahner, H.: Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin 3. Auflage S.331 Enke Verlag

2 Magnis, J., Naucke, TJ., Mathis, A., Deplazes, P., Schnyder, M. (2009): Local transmission of the eye worm Thelazia callipaeda in southern Germany.Parasitol Res, 106, 715-717

3 Malacrida, F., Hegglin, D., Bacciarini, L., Otranto, D., Nägeli, C., Bernasconi, C., Scheu, U., Schnyder, M. (2008): Emergence of canine ocular thelaziosis caused by Thelazia callipaeda in Southern Switzerland. Vet Parasitol, 157:321-327

4 Medl, N.(2007): Thelazia lacrymalis beim Pferd – epidermiologische und histopathologische Untersuchungen und kritische retrospektive Betrachtung der klinischen Bedeutung, Diss.

5 Naucke, T., Magnis, J., Auer, H., Schnyder, M. (2013): Zoononische Nematoden- Infektion des Hundes – Ausbreitung von Thelaziose und kutaner Dirofilariose. kleintier konkret 4, 3-8 Enke Verlag

6 Oranto, D. et Torres, FD. (2015): Übertragung des Augenwurms Thelazia callipaeda: zwischen Fantasie und Realität. Parasit Vectoren, 8,273

7 Oranto, D. et Traversa, D. (2005): Original endo- and ecto- parasitic nematode. TREND in Parasitology, 21,1-4

8 Schnyder, M. (2009): Autochthone Infektion mit dem Augenwurm Thelazia callipaeda bei einem Hund in Süddeutschland? Vet-Med Report Sonderausgabe V5 33. Jahrgang

9 Seo, M., Yu, JR., Park, HY., Huh, S., Kim, SK., Hong, ST. (2002): Enzooticity of the dogs, the reservoir host of Thelazia callipaeda in Korea. Korean J Parasitol., 40(2), 101-103

Dr. Katja Schneider
Tiermedizinisches Versorgungszentrum Magdeburg
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