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'... als Teilzeitjob kannste das nimmer bezeichnen'. Evaluationsstudie zur Attraktivität der Ganztagsschule für Lehrkräfte

AutorNadine Melzner
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl142 Seiten
ISBN9783668069695
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Pädagogik - Allgemein, Note: 2.3, Otto-Friedrich-Universität Bamberg (Institut für Erziehungswissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Abschlussarbeit entstand aus einem Problembereich eines ganz speziellen Ganztagsschulmodells heraus, an dem vor einem knappen Jahrzehnt ein Schulentwicklungsprozess in Gang gesetzt wurde. Schon seit längerer Zeit hatte die dort unterrichtende Schulleiterin aufgrund der gegebenen personellen Fluktuation den Eindruck, dass die Identifikation der Lehrkräfte mit der Schule nicht mehr gegeben sei. Diese Ungewissheit veranlasste sie dazu, eine Evaluation durch einen Studenten der Universität Bamberg in die Wege zu leiten und im Rahmen einer qualitativen Arbeit Licht ins Dunkel zu bringen. Diese Aufgabe habe ich gerne und mit großem Engagement übernommen. Trotz des unerwarteten Aufwands, der durch diese Arbeit anfiel, blicke ich nun umso zufriedener auf die überraschenden Ergebnisse, die zum Teil ganz neue Facetten der Ganztagsschule offen legen. Nachfolgend beginne ich mit der Definition des Begriffs der Schulentwicklung, skizziere dann die Geschichte der Ganztagsschule und die Ganztagsschulthematik im Rahmen der bekanntesten aktuellen Diskurse. Im Forschungspart soll der Prozess der Schulentwicklung an der betroffenen Grundschule dann mittels einer Dokumentenanalyse möglichst realitätsgetreu dargestellt und auf dieser Basis dann zwei Gruppendiskussionsverfahren entwickelt werden. Abschließend wird das dabei generierte und transkribierte Audiomaterial dann mit der dokumentarischen Methode nach Ralf Bohnsack ausgewertet, interpretiert und deskriptiv dargestellt. In diesem Schritt liegt der Fokus auf der kollektiven Erlebnisstruktur innerhalb ausgewählter Lehrergruppen dieses Schultyps. Hauptziel der Forschungsarbeit wird dann sein, Beweggründe der Lehrer zu rekonstruieren, sie in den letzten Jahren zunehmend veranlasst haben, die Ganztagsschule aus eigener Sicht auf ein 'Durchgangsstadium' zu reduzieren ist und so auf den Einschätzungen zugrunde liegende Orientierungen 'vorzustoßen'. Abschließend soll dann die Gesamtheit der erzielten Ergebnisse unter den verschiedensten Perspektiven diskutiert werden.

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Leseprobe

1 Die Belebung der Organisation Schule


 

1.1 Lehrerbild im Wandel


 

Im Laufe der Geschichte hat sich Bildung, ausgenommen von einem dauerhaft gültigen Konsens darüber, was sie eigentlich ist, in ständig wechselnden Facetten präsentiert (Stein 2013, S. 65ff.). Um den gleichnamigen Prozess darauf abzustimmen und somit erst zu ermöglichen, mussten immer die Rolle des Lehrers[1] und die Art des Lehrens einen Wandel erfahren. Einst war der Lehrkörper Handwerker, der in Orientierung an den gesellschaftlichen Bedürfnissen den Lernenden nützliche Bildung gegen Entgelt verkaufte (vgl. Fend 2006, S. 132), dann war er der fürsorgliche Gärtner, der das Kind auf dem Weg der freien Entfaltung seiner Kräfte den Rücken stärkte etc. (vgl. Guski 2007, S. 168).

 

Spätestens seitdem dem Gärtner zunehmend die Aufgabe des Unkraut-Jätens zugeschrieben wurde (vgl. Ilien 2008, S. 128), ist bekannt, dass die Metaphorik schon damals ambivalent gewesen sein musste. Zwar wird die Valenz der Lehrkörpermetaphern heute nicht zwangsläufig negativer, allerdings zeigt sich nun seit einigen Jahren eine auffällig bunt durchmischte Palette einer immer größeren Zahl von Vorstellungen, deren Interpretation mehr und mehr Spielraum lässt. In der Literatur finden sich sogar Beiträge, in denen sich Lehrer darüber beklagen, dass sie sich in ihrem Posten wie Verkäufer[2], Dirigenten, oder Tierpfleger fühlen. Dies sind die häufigsten Nennungen einer nur einzigen Studie (vgl. Ben-Peretz/Mendelson/Kron 2011, S. 280). Abgesehen davon, dass die genannten „Metaphern ganz deutlich mit Aufgaben in Verbindung stehen, die im Kern der Berufstätigkeit von Lehrkräften liegen, nämlich Stoffvermittlung [...], Klassenführung [...] und Betreuung“ (Herzog/Makarova 2011, S. 64), ergibt sich die Frage nach den zukünftigen Interpretationen des Berufsbildes.

 

Denn kaum ein halbes Jahrzehnt ist es her, dass die OECD[3] die Forderung gestellt hat, das Aufgabenfeld des Lehrers per definitionem dahingehend zu erweitern, dass modernes Unterrichten nun nicht mehr „nur [...] das Unterrichtsverhalten und Unterrichtsmethoden [einschließt], sondern [...] auch [...]berufsbezogene[.] Aktivitäten auf [der] Schulebene“ (OECD 2009, S. 168).

 

Weil sich der Aufgabenbereich der Lehrkräfte ständig ausweitet, und deshalb auch die nervliche Belastung steigt greifen Pädagogen in tiefer Konsequenz sogar wie in früheren Zeiten teilweise zum Rohrstock. (vgl. Kretschmer/Kollenberg 2011, o. S.).

 

Um die Situation aller Beteiligten zu optimieren[4] und gegebenenfalls dabei noch das Image des Berufsstandes zu verbessern, müssen die in der vorher angesprochenen Studie genannten Metaphern wieder die größtmögliche Schnittmenge mit dem tatsächlichen Berufsbild eines Lehrkörpers erreichen: Die Schule muss neu gedacht werden (vgl. von Hentig 2003, o. S). Die OECD denkt in diesem Zusammenhang über die „Schulentwicklung“ (OECD 2009, S. 468) nach.

 

1.2 Aktuelle Tendenzen der Schulentwicklung


 

Rückblickend auf die zahlreichen Erfahrungen der deutschen Schulgeschichte werden aktuell in Deutschland immer mehr Halbtagsschulen zu Ganztagsschulen umstrukturiert, die zunehmend „als Hoffnungsträger für die Zukunft“ (Rauschenbach 2012, o. S.) an Popularität gewinnen. Der Sinn und Zweck solcher Schulentwicklung liegt vor allen Dingen darin, den einzelnen Bildungseinrichtungen die Chance zu geben, sich analog der „Bildungsanforderungen“ (Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Unterricht und Kunst o. J., o. S.) und der gesellschaftlichen Bedingungen dauerhaft positiv entwickeln zu können. Die Schule wird sozusagen zum Leben erweckt und gibt sich fortan zu verstehen als eine „lernende Organisation“ (Boller 2009, S. 70), die „sich immer dann verändert, wenn sich auch etwas in den Subsystemen Organisation, Unterricht bzw. Lehrer- und Schülerschaft ändert“ (Rolff et al. 2000, S. 15).

 

 „[I]m Spannungsverhältnis von Bewahren und Erneuern“ (Demmer-Dieckmann 2005, S. 239) führen die Veränderungen der sich wandelnden Schulen den Lehrern allzu oft vor Augen, welchen Handlungsspielraum sie schon vorher, besonders bezüglich der Gestaltung der Schule und deren Konzept gehabt hätten (Schulamtsdirektor 2014, persönliche Kommunikation)[5]. Der Umgang mit dem jeweiligen Handlungsspielraum und auch mit den plötzlichen, teils sehr ungewöhnlichen schulischen Neuerungen, wird seitens der Lehrer sehr unterschiedlich wahrgenommen. Während die einen durch die Schulentwicklung eventuell eine Blüte ihrer Berufslaufbahn erleben und die Einrichtung und auch sich selbst aus einer ganz neuen Perspektive erfahren, gibt es auch Pädagogen, die mit der lebendigen Schule weniger gut zurechtkommen, ihr gar misstrauen und sich eine Wiederherstellung des ehemaligen Status quo wünschen oder sich regelrecht daran festkrallen.

 

Dies wiederum wirft die Frage auf, wie Lehrkräfte Veränderungsprozesse und neue Modelle überhaupt erleben und ob oder inwieweit sie sich gerade auf der Basis langfristiger Schulentwicklung mit einem dynamischen Modell überhaupt identifizieren können.

 

Die Abschlussarbeit entstand aus einem Problembereich eines ganz speziellen Ganztagsschulmodells heraus, an dem vor einem knappen Jahrzehnt ein Schulentwicklungsprozess in Gang gesetzt wurde. Schon seit längerer Zeit hatte die dort unterrichtende Schulleiterin aufgrund der gegebenen personellen Fluktuation[6] den Eindruck, dass die Identifikation der Lehrkräfte mit der Schule nicht mehr gegeben sei. Diese Ungewissheit veranlasste sie dazu, eine Evaluation durch einen Studenten der Universität Bamberg in die Wege zu leiten und im Rahmen einer qualitativen Arbeit Licht ins Dunkel zu bringen. Diese Aufgabe habe ich gerne und mit großem Engagement übernommen. Trotz des unerwarteten Aufwands, der durch diese Arbeit anfiel, blicke ich nun umso zufriedener auf die überraschenden Ergebnisse, die zum Teil ganz neue Facetten der Ganztagsschule offen legen.

 

Nachfolgend beginne ich mit der Definition des Begriffs der Schulentwicklung, skizziere dann die Geschichte der Ganztagsschule und die Ganztagsschulthematik im Rahmen der bekanntesten aktuellen Diskurse. Im Forschungspart soll der Prozess der Schulentwicklung an der betroffenen Grundschule dann mittels einer Dokumentenanalyse möglichst realitätsgetreu dargestellt und auf dieser Basis dann zwei Gruppendiskussionsverfahren entwickelt werden.

 

Abschließend wird das dabei generierte und transkribierte Audiomaterial dann mit der dokumentarischen Methode nach Ralf Bohnsack ausgewertet, interpretiert und deskriptiv dargestellt. In diesem Schritt liegt der Fokus auf der kollektiven Erlebnisstruktur innerhalb ausgewählter Lehrergruppen dieses Schultyps. Hauptziel der Forschungsarbeit wird dann sein, Beweggründe der Lehrer zu rekonstruieren, sie in den letzten Jahren zunehmend veranlasst haben, die Ganztagsschule aus eigener Sicht auf ein „Durchgangsstadium“ zu reduzieren ist und so auf den Einschätzungen zugrunde liegende Orientierungen „vorzustoßen“. Abschließend soll dann die Gesamtheit der erzielten Ergebnisse unter den verschiedensten Perspektiven diskutiert werden.

 

1.2.1. Schulentwicklung – was ist das eigentlich?


 

Schulentwicklung lässt sich begrifflich nicht ohne Weiteres bestimmen, weil sie praktisch immer im Zusammenhang mit ihren Konstitutionsbedingungen und Folgewirkungen steht und betrachtet werden muss (vgl. Heitmann 2013, S. 166). Da sie trotzdem vielfach definiert wurde, wurde hier eine Begriffsbestimmung ausgewählt, die mit zahlreichen anderen eine in bestimmten Merkmalen hohe Überschneidungsquote aufweist. Sie stammt von Wilbers, der Schulentwicklung als „die systematische Weiterentwicklung der Einzelschule auf der Team-, Abteilungs-, oder Schulebene durch die Lehrkräfte selbst, und zwar als Entwicklung der Bedingungen des täglichen Unterrichts sowie als gemeinsame curriculare und methodische Arbeit“ (Wilbers 2013, S. 456) definiert.

 

Aus diversen Autorentexten konnten vier Merkmale ausfindig gemacht werden, die für die vorliegende Thematik von besonderer Relevanz sein könnten.

 

 

1. Schulentwicklung wird immer dann durch innere Impulse angestoßen, wenn sie auf eine Entwicklung schulischer Teilbereiche der Schuleinheit zielt. Oder durch äußere, wenn sie zum Beispiel die Lehrplan- oder Qualitätsentwicklung zum Ziel hat (vgl. Baum 2014, S. 27)

2. Es gilt, die innere Entwicklung von der äußeren zu unterscheiden, wobei die erstere auf die Veränderung der Schulkultur, des Schulklimas und der Kooperation innerhalb des Kollegiums abzielt, und die letztere auf die Entwicklung einer neuen Schulform, neuer Materialien, Jahrgangsklassen etc. (vgl. Böhme 2009, S. 91)

3. Schulentwicklungsarbeit bedeutet Zusammenarbeit, die über Absprachen und Hilfestellungen hinausgeht [...] [und] an Kooperation gebunden“ (Esslinger 2002, S. 21) ist

4. Auch wenn der Kern von...

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