Für die Untersuchung der Berliner Salons stehen der Forschung zahlreiche Quellen, hauptsächlich in Form von Briefen und Memoiren, zur Verfügung. Oberflächlich betrachtet, wäre daher die Annahme einer unproblematischen Darstellung des Phänomens des Salons legitim. Jedoch ist zu bemerken, dass jene Quellen sehr unterschiedlich gewichtet bzw. nicht immer zugänglich sind. So hat Rahel Levin Varnhagen circa 6000 Briefe hinterlassen, da sie ihren Ehemann Karl August Varnhagen noch vor ihrem Tod mit der Edition der Briefe beauftragte.[9] Die Bibliothek und der Nachlass der Varnhagens wurden bereits 1880 der Königlichen Bibliothek in Berlin übergeben und gehören heute zum Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin, doch befindet sich der handschriftliche Nachlass auf Grund der Kriegsverlagerungen in der Biblioteka Jagiellonska in Krakau[10] und steht somit gegenwärtig nicht zur Verfügung. Hingegen ist der Nachlass von anderen Berliner Salonnièren gar nicht oder nur sehr fragmentarisch erhalten. Nur von Henriette Herz stehen die Memoiren zur Verfügung, welche jedoch nicht ihre gesamte Lebenszeit umfassen.[11]
Im Vergleich zu Vereinen oder anderen Gesellschaften zur Zeit der Berliner Salons existieren ihrer Form entsprechend weder Mitgliederlisten, noch Statuten, welche der Nachwelt wichtige Informationen hätten überliefern können. So bleiben den Salonforschern Passagen aus Briefen der Salonnièren, ihrer Stammgäste und Besucher, welche in mühevoller Kleinarbeit die Rekonstruktion des Gewesenen ansatzweise ermöglichen. Obwohl zur Zeit der Berliner Salons das Schreiben von Briefen sehr populär war, finden sich darin tatsächliche Schilderungen von Salonabenden nur selten[12], da die Briefschreiber das Wissen um die Salons bei ihren Adressaten voraussetzten.[13] Petra Wilhelmy legte 1989 ein Handbuch zu den Berliner Salons vor, welches mit einem äußert umfangreichen Quellenverzeichnis versehen ist.[14] In der Neuauflage des Werkes von 2000 beurteilt sie die Quellenlage als hinreichend, um die Salongeschichte aufzuzeigen und zu analysieren.[15] Ihre Bewertung bezieht sich jedoch auf einen weitaus größeren Zeitraum (1780-1914) als der hier zu betrachtende, welches sie zu dieser Aussage veranlasst haben könnte. Barbara Hahn hingegen verweist in ihrer Dissertation schon 1989 deutlich auf eine Gefahr bei der Auswertung von Briefen bezüglich der Rekonstruktion der Salons. Sie betont insbesondere die Divergenz von Mündlichkeit und Schriftlichkeit und kommt zu dem Schluss, dass Salon und Brief eher unvergleichbar sind. Zusätzlich stellt Hahn fest, dass die Schilderungen der Salons stets sehr ähnlich ausfallen, da sie alle auf denselben wenigen Quellen basieren.[16]
Der Herausforderung in Bezug auf diese für die Zeit von 1780 bis 1830 recht schwierige Quellenlage stellten sich nichtsdestotrotz eine Reihe von Historikern, deren Werke im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen. Sowohl die bereits erwähnte Petra Wilhelmy als auch Barbara Hahn gelten trotz ihrer konträren Auffassungen innerhalb der Forschung als anerkannt, daher werden ihre Erkenntnisse zu den Berliner Salons der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt. Reinhard Blänkner betont 2007 in einem Vortrag[17] hierzu besonders die Beiträge von Barbara Hahn zur Entmythisierung der Berliner Salons.
Als eine Art Pionierforscherin könnte man Ingeborg Drewitz[18] bezeichnen, welche bereits 1979 eine kurze, aber nach wie vor anerkannte Darstellung zum Thema vorlegte. Die dagegen zwanzig Jahre zuvor veröffentlichte Monographie von Hannah Arendt zu Rahel Varnhagen[19], welche ebenfalls die Thematik der Berliner Salons aufgreift, findet hier keine Berücksichtigung, da die jüngere Forschung ihrer Herangehensweise sehr kritisch gegenübersteht. So beurteilt Konrad Feilchenfeldt Arendts im Zeitkontext von Adenauers Restaurationspolitik erschienenes Werk als „ein Stück geistiger Wiedergutmachung und Erinnerung an die Anfänge deutsch-jüdischer Symbiose […], wenn nicht sogar [als] einen Versuch zu deren tatsächlicher Wiedergutmachung und Wiederherstellung“[20]. Ebenso muss hier auf das umfangreiche Werk von Herbert Scurla[21] verzichtet werden, welcher in der ehemaligen DDR forschte und publizierte und dessen Darstellung der Rahel Varnhagen der damit einhergehende politische Zeitkontext anzumerken ist.
Als ambivalent beschreibt Detlef Gaus die Literaturlage in seinem umfassenden, 1998 erschienenen Werk zur Geselligkeit. Ihm zufolge ist es einerseits einfach, da es nur wenige Arbeiten gibt, die sich ausschließlich mit dem Thema der Berliner Salons befassen, es ist andererseits aber auch schwierig, da sich Arbeiten aus diversen anderen Disziplinen, wie z.B. Literatur- oder Wirtschaftsgeschichte, ebenfalls dem Thema widmen. Weiterhin legt er dar, dass sich kein wissenschaftlicher Diskurs in der Literatur abzeichnet. Erkenntnisse vorangegangener Arbeiten werden nur geringfügig aufgegriffen, so dass kein gesicherter Erkenntnisstand existiert.[22] Neben soziologisch-historischen Arbeiten, wie z.B. die Erkenntnisse von Jürgen Habermas, stellt Gaus den sozialhistorischen Ansatz von Deborah Hertz heraus. In ihrer 1991 in Deutschland erschienenen Arbeit entfernt sie sich von einer anekdotenhaften Darstellung und bemüht sich stattdessen um eine ausführliche Darstellung der Sozialgeschichte der Berliner Salons.[23] Darin übereinstimmend mit Gaus muss dennoch festgehalten werden, dass Hertz mit diversen Statistiken arbeitet, deren Aussagekraft aufgrund der geringen Zahlen, die ihnen zugrunde liegen, bezweifelt werden könnte. Gaus selbst ist bemüht sich dem Thema möglichst systematisch zu nähern. Dies gelingt ihm durchaus, nur lässt sein analytisches Verfahren den individuellen Charakter und die intime Atmosphäre der Berliner Salons, eben jene Eigenschaften, die die Spannung zwischen Mythos und Wahrheit auszeichnen, vermissen. Daneben sind außerdem die Arbeiten von Peter Seibert[24], ebenfalls durch eine recht systemtheoretische Herangehensweise gekennzeichnet, sowie die besonders in ihrer Struktur und Themeneingrenzung gelungene Darstellung von Hannah Lund[25] erwähnenswert. Seibert versucht, die modernen Tendenzen der Entwicklung der Literatur mit den Salons zwischen Aufklärung und Vormärz zu verbinden. Lund präsentiert in ihrer um ein Jahrzehnt jüngeren Themenbearbeitung die Perspektive der weiblichen Geschlechterforschung. Der ausführliche Beitrag zum Bluestocking Circle in London wird im Abschnitt der Londoner Kaffeehäuser zu berücksichtigen sein. Neben diesen bereits besprochenen Druckbeiträgen, hält die Internetseite des Projektes „Berliner Klassik“[26], welches im Jahr 2000 begründet wurde, eine beeindruckende Datenbank zum Thema bereit.[27]
Im Vergleich zu den Berliner Salons findet sich in der Forschung für die Thematik der Londoner Kaffeehäuser eine weit geringe Zahl an Veröffentlichungen. Dies mag aus der Tatsache resultieren, dass hier deutlich weniger Problemfelder, wie z.B. die Rolle der jüdischen Salonnièren in Berlin, zu untersuchen sind. Die Recherche erweist sich als recht mühsam, da diese Thematik für diverse Wissenschaftsdisziplinen, bspw. die Literaturwissenschaft, die Kulturwissenschaft, die Wirtschaftswissenschaft sowie die Philosophie, relevant ist und man daher mit Bruchstücken recht unterschiedlicher Herangehensweisen operieren muss.
Die Quellen rekrutieren sich ähnlich wie bei den Berliner Salons hauptsächlich aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen der Besucher, so bietet bspw. das Tagebuch von Samuel Pepys rund 80 Beschreibungen verschiedener Kaffeehausbesuche in den 1660er Jahren.[28] Hinzu kommen die für das ausklingende 17. Jahrhundert in London populären Pamphlete und Flugschriften, welche in zahlreicher Form verfasst wurden. Des Weiteren können die ebenfalls beliebten Satiren und die zu Beginn des 18. Jahrhunderts einsetzenden moralischen Wochenschriften herangezogen werden. Jedoch muss insbesondere für die Quellen der Flugschriften darauf hingewiesen werden, dass gerade in der Anfangsphase der Kaffeehäuser viele bewusst und unbewusst mit Fehlinformationen versehen wurden.
Nähert man sich dem Thema der Kaffeehäuser, so konsultiert man zuerst die Monographien zur Geschichte Londons. Zu den Standardwerken der Geschichte Londons zählen die allgemein anerkannten Veröffentlichungen von Christopher Hibbert[29], Roy Porter[30] und Francis Sheppard[31], welche kurze Betrachtungen der Londoner Kaffeehauskultur einschließen. Daneben bieten sowohl das Lexikon The London Encyclopaedia von Ben Weinreb und Christopher Hibbert[32] als auch das äußerst umfangreiche Referenzbuch von Bryant Lillywhite[33] ergiebige Nachschlagemöglichkeiten. Lillywhite stellte 1963 ein beeindruckendes Verzeichnis aller Londoner Kaffeehäuser zusammen, welches insgesamt 2034 Einträge für die Zeit von 1652 bis circa 1850 umfasst und sowohl durch eine Zeitleiste als auch durch ein Straßenverzeichnis für die Kaffeehäuser ergänzt wird.
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