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Besuchskontakte zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern

AutorCarola Apfel
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl127 Seiten
ISBN9783640817573
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Evangelische Fachhochschule Freiburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Bedeutung von Besuchskontakten zwischen Pflegekindern und ihren Herkunftseltern für Kinder in Vollzeitpflege. Das zentrale Forschungsinteresse gilt der Frage, welche Umgangsregelung am wahrscheinlichsten eine positive Entwicklung des Kindes ermöglicht. Dazu werden schwerpunktmäßig folgende Fragestellungen verfolgt: Welchen Nutzen impliziert die Berücksichtigung theoretischer Pflegefamilienkonzepte bei der Entscheidung über die Regelung von Kontakten zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern? Worin liegen die Chancen von Besuchskontakten, wo sind die Grenzen? Welche Rolle spielen die Erfahrungen des Kindes in seiner Herkunftsfamilie für die Beziehung zu seinen leiblichen Eltern nach der Fremdunterbringung? Durch welche Faktoren wird die förderliche oder belastende Auswirkung von Besuchskontakten beeinflusst? Welche Konsequenzen für die Umgangsgestaltung ergeben sich aus auftauchenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Kontakten? Das Ziel der Arbeit besteht zunächst darin, in einem ersten Teil theoriegeleitete Antworten auf diese Fragen herauszuarbeiten. Grundlage des zweiten Teils sind Interviews mit Experten aus dem Pflegekinderbereich, die nach den Standards der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet werden. Das Untersuchungsinteresse gilt den fachlichen Einschätzungen sowie dem Erfahrungs- und Handlungswissen über Besuchskontakte zwischen Pflegekindern und ihren Herkunftseltern. Durch eine Zusammenführung der Erkenntnisse aus dem Theorieteil und aus den praxisbezogenen Aussagen eröffnet sich die Möglichkeit, das fachpraktische Handeln mit den relevanten theoretischen Grundlagen zu vergleichen.

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Leseprobe

2. Gesetzliche Grundlagen von Umgangsregelungen


 

In diesem Kapitel werden diejenigen gesetzlichen Regelungen vorgestellt, die für den Umgang zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern relevant sind. Da das Thema dieser Arbeit nicht Pflegekindschaft allgemein ist, werden auch nicht sämtliche Gesetzesgrundlagen aus dem Bereich des Pflegekinderwesens erörtert. Eine Besonderheit der gesetzlichen Bestimmungen bezüglich Pflegeverhältnissen ist, dass die Begriffe Pflegekind und Pflegeperson kaum ausdrücklich erwähnt werden und „dennoch sowohl fundamentale Aussagen der Verfassung wie auch wichtige Regelungen im Familienrecht des BGB auch und gerade für Pflegekinder von zentraler Bedeutung sind“ (Salgo 2003, S. 361). In diesem Merkmal spiegelt sich ein zentrales Problem der gesetzlichen Regelungen zum Umgang wider: in ihnen wird nicht zwischen Trennungs- bzw. Scheidungskindern und fremdplatzierten Kindern differenziert, obwohl sich aus diesen grundlegend verschiedenen Voraussetzungen und Konstellationen erheblich ungleiche Konsequenzen bezüglich der Ausgestaltung des Umgangsrechts ergeben (müssten). Die meisten Aussagen zum Umgangsrecht beziehen sichjedoch auf die Situation von Trennungs- und Scheidungskindern und können daher nicht unreflektiert auf Kinder, die in Pflegefamilien oder Heimen leben, übertragen werden. Salgo (2003) bringt den wesentlichen Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen auf den Punkt: „Das Pflegekind hat häufig - im Gegensatz zum Kind im Elternstreit bei Scheidung und Trennung - eine unterbrochene, oft gestörte, nur zu oft überhaupt keine Beziehung zu den Eltern“ (ebd., S. 362). Die Störung manifestiert sich also nicht auf der Paarebene der Eltern, sondern auf der Eltern-Kind-Ebene (vgl. Hopp 2004, S. 253).

 

Die für Scheidungskinder grundsätzlich angenommene Kindeswohldienlichkeit von Besuchskontakten muss für den Umgang zwischen Pflegekindern und ihren Herkunftseltern äußerst kritisch beurteilt werden, da „sich in dieser Fallgruppe vergleichsweise viele Kinder befinden, deren Wohl durch Umgangskontakte mit den leiblichen Eltern beeinträchtigt oder gar gefährdet wird“ (Friedrich/Reinhold/Kindler2004, S. 23).

 

Die Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege darf gemäß § 27 Abs. 1 SGB VIII[2] nur dann geleistet werden, wenn 1. eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und 2. die konkrete Maßnahme sowohl geeignet als auch notwendig ist. Welche Gründe zur Notwendigkeit einer Fremdplatzierung führen können, zählt Salgo (2003) auf: „Vernachlässigung, Misshandlung, finanzielle oder Wohnprobleme, psychische Störungen der Eltern, Erziehungsunfähigkeit/-schwierigkeiten, emotionale Ablehnung des Kindes, Ehe/Partnerprobleme, gravierende Eltern-Kind-Konflikte, sexueller Missbrauch, Abwesenheit/Verschwinden/Tod von Elternteilen, Alkohol- und Drogenmissbrauch oder Kriminalität“ (ebd, S. 362). Das Wissen um diese Problem- und Gefährdungslagen muss in der Gestaltung des Umgangs zwischen Pflegekindern und ihren Herkunftseltern unbedingt berücksichtigt werden, „die gesetzliche Vermutung in § 1626 Abs. 3 BGB, dass der Umgang des Kindes mit seinen Eltern seinem Wohl dient, kann für Pflegekinder nicht vorbehaltlos angenommen werden“ (ebd., S. 364). Für die Regelung und Ausgestaltung von Umgangskontakten des Pflegekindes mit seinen leiblichen Eltern ist daher die Klärung von Fragen nach den Gründen, die zur Inpflegegabe führten, ebenso bedeutsam wie die damit zusammenhängende Perspektive des Pflegeverhältnisses und der artikulierte Kindeswille.

 

2.1. § 1684 BGB: Umgang des Kindes mit den Eltern


 

Zentrale Rechtsnorm für die Umgangsregelung ist § 1684 BGB, die - wenn auch nicht explizit erwähnt - auch für Pflegekinder und -personen Anwendung findet. Aufgrund der oben erörterten Besonderheiten von Pflegeverhältnissen ist diese rechtliche Bestimmung zum Umgangsrecht jedoch interpretationsbedürftig, da sie nicht ohne weiteres auf Pflegekindschaftsfalle übertragen werden kann. Entsprechende Kommentare oder Fachliteratur fehlenjedoch, weshalb ich mich in den Ausführungen zu rechtlichen Umgangsfragen bei Pflegekindern insbesondere auf Salgo (2003) und Diouani (2005) beziehe.

 

In § 1684 Abs. 1 BGB sind sowohl das Recht des Kindes auf Umgang mit jedem Elternteil als auch das Elternrecht und die Elternpflicht zum Umgang mit dem Kind verankert. Im Gegensatz zu den Eltern ist das Kind also nicht zum Umgang verpflichtet. Bezogen auf Pflegeverhältnisse ergibt sich daraus, dass eine nachvollziehbare Ablehnung des Kindes gegen Umgangskontakte mit seinen leiblichen Eltern „sehr ernst genommen werden muss und in den allermeisten Fällen der Ausübung des Umgangsrechts entgegenstehen dürfte“ (Salgo 2003, S. 366).

 

§ 1684 Abs. 2 BGB Satz 1 legt fest, dass Eltern alles zu unterlassen haben, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. § 1684 Abs. 2 Satz 2 verpflichtet auch andere Personen, bei denen sich das Kind in Obhut befindet, zu diesem so genannten Wohlverhalten. Dieses Gebot gilt also wechselseitig auch für Pflegeeltern und Herkunftseltern und „soll eine Leitbildfunktion haben, um Spannungen zwischen den erwachsenen Parteien zu reduzieren“ (Diouani 2005, S. 27). Diese Loyalitätsverpflichtung ist in Pflegeverhältnissen jedoch kritisch zu hinterfragen: „Was bedeutet die Klausel etwa für Pflegeeltern, wenn ein Pflegekind beginnt, über Misshandlungen zu sprechen, die es bei den Eltern erlitten hat? Was bedeutet die Vorschrift umgekehrt für Herkunftseltern, wenn das Kind Rückführungswünsche äußert?“ (Kindler 2005, S. 541). Aus solchen Situationen kann für Pflege- und Herkunftseltern das Dilemma entstehen, einerseits keinen negativen Einfluss auf die jeweils anderen Beziehungen des Kindes ausüben zu dürfen und andererseits das eigene Vertrauensverhältnis zum Kind nicht durch eine vorgetäuschte neutrale Haltung stören zu wollen. Zenz (2001) kritisiert die Wohlverhaltensklausel in Bezug auf traumatisierte Pflegekinder scharf: „Wenn von Pflegeeltern Dirn Interesse der Kindern ein freundschaftlicher Umgang mit Herkunftseltern, die diese Kinder schwer misshandelt haben, verlangt wird, so deutet dies nicht nur auf eine groteske Unterschätzung kindlicher Gefühlswahrnehmung hin, sondern untergräbt auch das Vertrauen der Kinder in die Glaubwürdigkeit ihrer Pflegeeltern“ (Zenz 2001, S. 34).

 

§ 1684 Abs. 3 BGB beschreibt das Recht des Familiengerichtes, über den Umfang des Umgangsrechts zu entscheiden und seine Ausübung auch gegenüber Dritten näher zu regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht (Wohlverhalten) anhalten.

 

§ 1684 Abs. 4 BGB Satz 1 regelt die Einschränkung oder den Ausschluss von Umgangskontakten durch das Familiengericht, soweit dies zum Wohl des Kindes[3] erforderlich ist. Um das Kindeswohl in Umgangsfragen angemessen berücksichtigen zu können, gibt es zwei Angebote: zum einen formuliert § 18 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII einen Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts nach § 1684 Abs. 1 BGB. Zum anderen sieht § 50b Abs. 1 FGG die Möglichkeit der Kindesanhörung in einem Verfahren vor, das die Personen- oder Vermögenssorge betrifft.

 

Gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB kann das Umgangsrecht jedoch nur dann für längere Zeit oder auf Dauer eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet[4] wäre. Dieser Erforderlichkeitsgrundsatz lässt sich aus der „Einordnung des Umgangsrechts in das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht“ (Diouani 2005, S. 30) ableiten, „das unabhängig von der Personensorge besteht“ (Küfner 2008, S. 7).

 

Eine besondere Form der Einschränkung des Umgangsrechts ist in § 1684 Abs. 4 Satz 3 geregelt: Hier ist die Anordnung von begleitetem Umgang[5] durch das Familiengericht festgelegt. Im „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des

 

Kindschaftsrechts“ der Bundesregierung vom 13.06.1996 wird die Umgestaltung der Regelungen über den so genannten Beschützten Umgang begründet: „bei bestimmten Fallkonstellationen (z.B. unbewiesener, aber nicht fernliegender Verdacht des sexuellen Mißbrauchs durch den Umgangsberechtigten, Gefahr einer Kindesentziehung durch den Umgangsberechtigten) läßt sich manchmal eine für die Beteiligten akzeptable Lösung dadurch finden, daß der Umgang nur in Gegenwart eines Dritten stattfinden darf“ (Deutscher Bundestag 1996). Ausdrückliche Intention dieser Regelung ist es „zu verdeutlichen, daß ein völliger Ausschluß des Umgangs wegen des Erforderlichkeitsgrundsatzes nur in Betracht kommt, wenn ein beschützter Umgang nicht ausreicht, das Wohl des Kindes zu gewährleisten“ (ebd.). Damit ist die Hürde zum Umgangsausschluss sehr hoch. Die Annahme, dass eine Einschränkung des elterlichen Umgangsrechts durch die Anordnung von begleitetem Umgang im Vergleich zum Ausschluss das mildere Mittel sei, muss bei Pflegekindern kritisch gesehen werden. Fegert weist darauf hin, dass insbesondere bei angstbesetzten Beziehungen und nach traumatischen Erfahrungen des Kindes mit seinen Herkunftseltern „die emotionalen Kosten für das Kind und seine starke psychische Belastung“...

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