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E-Book

Bin ich eigentlich bekloppt?

Vom Mut, die richtigen Dinge zu tun

AutorJörg Pilawa
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783641166212
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Wie wir im Wahnsinn des Alltags uns selbst nicht verlieren
Jörg Pilawa lässt sich vom anstehenden 50. Geburtstag nicht in die Sinn-Krise jagen, er schreibt lieber ein Buch. Mit entwaffnender Offenheit und viel Humor schildert er seine Welt mit Kindererziehung, Schule und Job. Eben den täglichen Wahnsinn, den wir alle mitmachen. Warum eigentlich?

Regelmäßig gönnt er sich und seiner Familie offline-Zeiten aus dem rastlosen Alltag. In der Wildnis Kanadas, wenn alle Systeme heruntergefahren sind, spürt er, wie das Leben auch sein kann: reduziert, stressfrei und konzentriert auf die Menschen und Dinge, die wichtig sind. Wie sehr uns solche Erfahrungen im täglichen Hochgeschwindigkeitsrausch erden können, erzählt er in diesem Buch. Der beliebte Moderator gewährt uns berührende und persönliche Einblicke in sein Leben.

Ein ungemein entlastendes Buch für seine Generation und ein ideales Geschenk für seine vielen Fans.

Jörg Pilawa wurde 1965 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur studierte er Medizin und Geschichte. Schon während des Studiums arbeitete er für Hörfunk und Fernsehen. Seit 1994 moderiert und produziert Jörg Pilawa zeitlich parallel meist mehrere verschiedene Fernsehformate und ist der deutsche Moderator mit der größten Medienpräsenz. Seine Quizshows, mit denen er seit 2001 fast täglich auf Sendung ist, machten ihn endgültig zum beliebtesten Moderator der deutschen Fernsehunterhaltung. Privat engagiert sich Jörg Pilawa für den World Future Council und für die Welthungerhilfe. Er lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern in Hamburg.

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Leseprobe

ZWEITER FASTENTAG

Helikopter-Eltern, Lernentwicklungsgespräche und was mein Vater wohl dazu gesagt hätte

Erstes Erwachen in der Fastenklinik, 7:00 Uhr. Der Duft von frischem Kräutertee reißt mich aus meinem leichten Schlaf. Frühstück ans Bett, wobei es sich auch um Mittag- oder Abendessen handeln könnte, denn Tee ist in diesen Tagen schließlich die Universalmahlzeit. Einmal täglich kann die »Teatime« durch ein Kaltgetränk ersetzt werden. Dann wird der Sauerkrautsaft ausgeschenkt, um der Verdauung des Patienten auch noch das Letzte abzuverlangen. Nebenbei bemerkt ist das die einzige Möglichkeit, um einer Darmreinigung per Einlauf zu entgehen. Also immer schön runter mit der übelriechenden Brühe.

Irina, meine Frau, hat mich gestern hierher an die Ostsee gefahren, unterwegs waren wir noch in einer Bäckerei, haben uns dick belegte Käse- und Wurstbrötchen reingezogen, natürlich aus ungesundem Weißmehl, dazu gab es Kaffee mit viel Kaffeesahne und ordentlich Zucker. Das verstößt natürlich gegen jede Empfehlung, eigentlich soll man am letzten Tag, so gut es geht, auf Kohlenhydrate verzichten und möglichst nur Gemüse zu sich nehmen. Aber gerade genieße ich die Erinnerung an diesen kleinen Akt der Anarchie. Mich kriegt Ihr nicht klein in Eurem Gesundheitsgulag!

Jetzt bekomme ich eine SMS von Irina: Unsere große Tochter hatte gestern ihr Lernentwicklungsgespräch. Das darf man sich vorstellen wie McKinsey für Achtklässler. Wo sieht das Kind seine Stärken und Schwächen? Was kann meine Tochter tun, um ihre Ergebnisse in Zukunft zu optimieren?

Die Kinder füllen einen Bogen mit ihrer Selbsteinschätzung aus, beurteilen dabei ihre Leistungen und ihr Sozialverhalten, und dann sitzen sie gemeinsam mit ihren Eltern dem Lehrer gegenüber und es werden Zielvereinbarungen getroffen, die beide Seiten unterschreiben. Ihr Lehrer hat unserer Tochter gestern wohl klargemacht, dass sie es selbst in der Hand hat, ob sie die gute Schülerin sein möchte, die sie eigentlich ist, oder ob sie bequem im Mittelmaß mitschwimmen will.

Das hat sie natürlich genervt. Wer will so etwas schon in Gegenwart seiner Erzeuger gesagt bekommen? Ich kann meine Tochter verstehen. Ich hätte als Teenager auch keine Lust gehabt, persönliche Ziele zu formulieren wie berufstätige Erwachsene in ihrem Jahresgespräch. Andererseits zeigt man den Kindern, dass man sie respektiert, indem man eben nicht allein mit dem Lehrer über sie redet, so wie früher beim Elternsprechtag, sondern mit ihnen gemeinsam.

Schön ist das für die Schüler natürlich trotzdem nicht.

Ich stelle es mir so ähnlich vor, wie wenn meine Mutter mich heute noch zum Arzt begleiten würde: »Jetzt zieh Dich doch aus, Junge, die Frau Doktor guckt Dir schon nichts ab.« In manchen Situationen möchte man seine Erzeuger ab einem gewissen Alter einfach nicht mehr dabei haben. Aber selbst wenn die Kinder das Lernentwicklungsgespräch hinterher »total doof« und »voll ungerecht« finden, können sie es nicht so einfach ignorieren. Sie haben schließlich eine Art Vertrag unterschrieben.

Ich finde es bewundernswert, wie sehr sich die Lehrer heute in ihr Heftchen schauen lassen müssen. Früher gab es eine interne Notenkonferenz, dann wurden die Zeugnisse geschrieben, ausgeteilt und fertig. Heute verlangen wir Eltern Transparenz und die Lehrer stehen unter dem Druck, jederzeit die Stärken, Schwächen und Charaktereigenschaften jedes einzelnen Schülers sofort aufzählen zu können – und sei es, wenn sie nachts um halb vier aus dem Schlaf hochschrecken.

Ich möchte mit unseren Lehrern wirklich nicht tauschen. Jeder kennt die so genannten Helikopter-Eltern, die ständig wachsam die Schulen umkreisen, damit ihr einzigartig-wertvoller Nachwuchs auch ja ordnungsgemäß gefordert, gefördert und behütet wird. Auch ich bin selbstverständlich entsetzt, wenn dieses ignorante Lehrpersonal nicht sofort erkennt, dass meine Kinder selbstverständlich in allen Belangen herausragend sind. Hat irgendein Vater etwa jemals wertvolleren Nachwuchs gezeugt? Eben. Es gibt definitiv nichts weniger Objektives als Eltern, wenn es um die Einschätzung der Frucht ihrer Liebe geht. Meine Frau, selbst Lehrerin und natürlich die beste auf unserem Globus, bringt es für mich auf den Punkt, wenn sie sagt, dass niemand von uns dem Werkstattmeister erklären würde, wie er unser defektes Auto zu reparieren hat. Auch habe ich noch nie von Patienten gehört, die ihrem Chirurgen schon mal mit Lippenstift die nötigen Schnitte auf ihrem Körper vorgezeichnet hätten, damit im Operationssaal nichts schiefgeht. Im Umgang mit Lehrern können aber viele Eltern der Versuchung nicht widerstehen, den studierten Fachkräften zu erklären, wie sie ihren Unterricht zu gestalten haben.

Experten wie Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, gehen davon aus, dass sich ungefähr 10 bis 15 Prozent aller Eltern um Nullkommanix kümmern, egal wie oft die Schule sie anschreibt, einbestellt oder telefonisch zu erreichen versucht. Das andere Extrem sind in etwa genauso viele Eltern, die alles und noch viel mehr für ihre kleinen Paschas und Prinzessinnen tun. Im Extremfall wurde der Hochleistungsnachwuchs schon im Mutterleib mit Mozart beschallt, hat die zweisprachige Krippe absolviert und jetzt erscheint es den ambitionierten Erzeugern viel zu riskant, die Früchte ihrer Intensivförderung einfach kampflos der Schule ihrer Wahl zu überlassen. Der einzige Ausweg: Man muss den Lehrkräften genaue Anweisungen geben, nur dann ist hoffentlich sichergestellt, dass Zoe-Adelheid und Jasper-Maximilian mindestens Chefarzt, wenn nicht sogar CEO eines multinationalen Konzerns oder Bundespräsident werden. Schließlich sind die eigene Tochter oder der eigene Sohn nicht nur eines von 25 oder 30 Kindern in ihrer Klasse, sondern der Mittelpunkt des Universums. Es ist wahrscheinlich die Angst vor dem eigenen sozialen Abstieg, die manche Eltern dazu treibt, ihre Sprösslinge und deren Lehrer unter Dauerdruck zu setzen.

Beide Gruppen, also die Nichtkümmerer und die Oberglucken gemeinsam, kosten Lehrer laut Josef Kraus etwa 70 bis 80 Prozent ihrer Zeit und Energie.

Mütter und Väter, die morgens nicht nur die Schuleinfahrt zuparken, sondern ihren Söhnen und Töchtern auch noch den Ranzen in die Klasse tragen, sind ja keine Legenden, die der Phantasie von bösartigen Schulrektoren entspringen. In vielen Schulen kann man sie täglich beobachten. Gar nicht mal so selten genießen sogar fast volljährige Kinder noch in der Oberstufe den täglichen Fahr- und Gepäckträgerservice. Da ist es nur folgerichtig, dass einige Universitäten schon Schnupperwochenenden für angehende Erstsemesterstudenten und ihre Erzeuger anbieten. Schließlich können Helikopter-Eltern gar nicht früh genug ihre ersten Runden als Beobachtungsdrohnen über dem Unicampus drehen.

Sollte es bei diesen selbstverständlich hochbegabten Schülern wider Erwarten in einem Fach doch nicht so laufen, ist entweder der Lehrer schuld oder man zückt sofort ein Gutachten, das zweifelsfrei belegt, dass der Nachwuchs leider an Legasthenie oder Dyskalkulie oder gar an beiden Phänomenen leidet. Und wehe, die verbeamteten Lehrknechte schaffen es nicht, die Rechtschreib- und/oder Rechenschwäche bis zum nächsten Zeugnis wegzufördern. Bis dahin sollte selbstverständlich mit Rücksicht auf die sensible Kinderseele auf eine Benotung verzichtet werden. Falls die Schule das mit Hinweis auf geltende Bestimmungen ablehnt, wird vorsichtshalber der Anwalt eingeschaltet. Sollte Ihr Nachwuchs sich für das Jurastudium interessieren, raten Sie ihm die Spezialisierung auf Medien- oder Schulrecht. Zumindest wirtschaftlich sollten Sie sich von nun an keine Sorgen mehr um Ihre Sprösslinge machen müssen.

Ich selbst hatte über weite Strecken meines Lebens ausgesprochene Probleme mit der Rechtschreibung. Ich erinnere mich an die rührenden Versuche meiner Grundschullehrerin Frau D., mir bei Diktaten zu helfen, indem sie hustend oder sich räuspernd hinter mir stand und dezent auf das falsche Wort deutete. Leider sagte mir das in dem Moment nur, dass das, was ich geschrieben hatte, offenkundig nicht richtig war. Wie es korrekt geschrieben wird, musste ich jedes Mal im Rahmen eines mehr oder weniger langen »Try and Error«-Verfahrens herausfinden. Ich habe Frau D. also in meinen ersten Schuljahren sehr oft husten gehört.

Irgendwann ist sie sogar dazu übergegangen, mich während der großen Pause meine Diktatfehler korrigieren zu lassen. Sie hatte die falschen Wörter umrandet und ich stand nun vor der für mich ausgesprochen schwierigen Aufgabe, sie bis zum Ende der 20 Minuten in die richtige Schreibweise zu überführen. Ich weiß heute noch, dass ich mal an der simplen Verbform »ich darf« schier verzweifelt bin. Selbstverständlich hatte ich »ich daaf« geschrieben, so wie man es in Norddeutschland auch traditionell spricht. Was daran falsch sein konnte, hat sich mir tatsächlich nicht erschlossen und die Zeit rannte erbarmungslos dahin. Als der Gong das Pausenende einläutete, fiel es mir dann wie Schuppen von den Augen.

Es musste natürlich »ich daav« heißen, mit »v« wie in »Vase«.

Anscheinend habe ich diese Schwäche gleich geahnt, denn ich war schon im ersten Schuljahr ein Blender, wie er im Buche steht, einer Karriere in der Politik hätte nichts im Wege gestanden. Nennt mich Karl-Theodor! In unserer Lesefibel waren Tiere abgebildet und darunter ihre Laute in Schriftform, also ein Hund und darunter »wauwau«, die Katze mit »miau« und der Esel sprach ein artgerechtes »i-ah«.

Ich führte meiner Mutter stolz mein neues Wissen vor und sie war wirklich überwältigt, in welchem Tempo ich lesen gelernt...

Blick ins Buch

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