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Das Auswärtige Amt

Vom Kaiserreich bis zur Gegenwart

AutorEckart Conze
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2013
ReiheBeck'sche Reihe 2744
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783406631740
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,49 EUR

Das Auswärtige Amt, nach einem preußischen Vorläufer unter Bismarck im Kaiserreich gegründet, ist die wichtigste Institution deutscher Außenpolitik. Zugleich ist es ein traditioneller Karrierehafen der deutschen Eliten.
Eckart Conze, einer der Autoren des stark diskutierten Buches "Das Amt und die Vergangenheit", schildert in diesem Band ebenso souverän wie prägnant die wichtigsten Stationen der deutschen Außenpolitik vom Kaiserreich bis zur Gegenwart - im Spiegel dieser Behörde, ihrer Mitarbeiter und ihrer politischen Rolle in der jeweiligen Epoche.



Eckart Conze, geboren 1963, ist Professor für Neuere Geschichte an der Philipps-Universität Marburg. Er war Sprecher der Unabhängigen Historikerkommission zur Geschichte des Auswärtigen Amts in der Zeit des Nationalsozialismus und der Bundesrepublik und ist einer der Autoren des Buchs «Das Amt und die Vergangenheit». Conze beschäftigt sich mit deutscher, europäischer und internationaler Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Er hatte Gastprofessuren an den Universitäten Bologna, Toronto und Cambridge inne.

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Leseprobe

1. Kapitel: Diplomatie und Diplomaten


Das deutsche Außenministerium nennt sich bis heute Auswärtiges Amt (AA). Diese Bezeichnung geht zurück auf das 1870 gegründete Auswärtige Amt des Norddeutschen Bundes, das zwischen 1871 und 1945 als Auswärtiges Amt des Deutschen Reiches in Kaiserreich, Weimarer Republik und nationalsozialistischer Diktatur existierte. Als die Bundesrepublik 1951 ihr eigenes Außenministerium errichtete, nannte sie es wieder Auswärtiges Amt, eine Bezeichnung, die es von allen anderen Bundesministerien unterscheidet.

Über die Geschichte des Auswärtigen Amts ist in den letzten Jahren viel diskutiert worden. Anlass dafür war das Buch «Das Amt und die Vergangenheit», Ergebnis der Forschungen einer 2005 von dem damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer eingesetzten Unabhängigen Historikerkommission. Deren Untersuchung konzentrierte sich auf das Auswärtige Amt des Dritten Reiches, auf die Beteiligung des Ministeriums und vieler seiner Angehöriger an den nationalsozialistischen Verbrechen und auf den Umgang mit dieser NS-Belastung sowie ihren Folgen nach 1945. Eine Geschichte des Auswärtigen Amts von seiner Gründung im 19. bis an die Schwelle der Gegenwart im 21. Jahrhundert ist «Das Amt» jedoch nicht, und ein solcher Überblick fehlt bis heute. Diesem Mangel möchte das vorliegende Buch abhelfen. Es möchte die existierende Forschung zur Geschichte des Auswärtigen Amts bündeln und eine konzentrierte institutionengeschichtliche Gesamtdarstellung bieten.

Damit liefert das Buch auch einen Beitrag zur Geschichte von Diplomatie und Diplomaten. Diplomatie wird immer wieder als eine universalhistorische Praxis, fast so alt wie die Menschheit selbst, bezeichnet. Das ist richtig und falsch zugleich. Natürlich gab es schon in der Antike, zum Teil noch früher, kommunikative Verbindungen und ein Boten- oder Gesandtenwesen zwischen Stämmen, Städten oder frühen Staatsgebilden, und wir wissen, dass diese Praktiken zum Teil festen Regelwerken unterworfen waren, zu denen nicht zuletzt der Schutz der Boten oder Gesandten gehörte. Aber die moderne Diplomatie, so wie wir sie heute verstehen, mit ihren Strukturen, Instrumentarien und Praktiken, ist doch eine Entwicklung späterer Zeiten. Ihre Entstehung ist eng verbunden mit dem Aufstieg des europäischen Territorialstaats seit dem 15., vor allem aber im 16. und 17. Jahrhundert. Diese Territorialstaaten formierten sich in einem internationalen System, in dem sie permanent interagierten und in dem sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund von Kriegführung, Bündniswesen und dynastischer Politik bilaterale und multilaterale Beziehungsstrukturen herausbildeten. Zu diesen gehörte der sich intensivierende Austausch von Gesandten, aus dem schließlich ein ständiges Gesandtschaftswesen hervorging. Im Prozess der Staatsbildung und der Verrechtlichung des Staatensystems beschränkte sich das Recht, Gesandte oder Botschafter zu entsenden, zunehmend auf souveräne Staaten, ja es wurde, darin dem Recht zur Kriegführung nicht unähnlich, ein auch völkerrechtlich näher bestimmter Ausweis staatlicher Souveränität. Aber auch die diplomatische Immunität und die Exterritorialität der Gesandtschafts- oder Botschaftsgebäude wurden in dieser Zeit völkerrechtlich fixiert.

Freilich fehlte bis ins späte 18. Jahrhundert ein Begriff für diese zwischenstaatlichen Beziehungs- und Kommunikationsstrukturen, die ja keine Außenpolitik waren, sondern ein außenpolitisches Instrumentarium. Johannes Paulmann hat jüngst in einer begriffsgeschichtlichen Studie darauf hingewiesen, dass der Begriff «Diplomatie» vermutlich 1791 erstmals in einem französischen Druckwerk verwandt und 1798 in das Wörterbuch der Académie Française aufgenommen wurde. «Diplomatie» löste die Bezeichnung «l’art de négocier» ab, der zuerst 1792 von Robespierre gebrauchte «diplomate» den «négociateur». Nicht nur auf Grund seiner intensiven Kongressdiplomatie kann das 19. Jahrhundert bis hin zum Ersten Weltkrieg als Hochphase moderner Diplomatie gelten. Das lag auch daran, dass in diesem Zeitraum zum einen die Idee des autonomen Territorial- und Nationalstaats zu ihrer stärksten Ausformung gelangte, zum anderen aber die zwischenstaatlichen Beziehungen, nunmehr weitestgehend abgelöst von der Person eines Monarchen, eine bis dahin ungekannte Intensität erreichten. Überall in Europa beziehungsweise der europäisch-westlichen Welt institutionalisierten sich diplomatische Dienste, deren Personal sowohl in den diplomatischen Zentralen des Entsendelandes als auch in den diplomatischen Missionen des Auslands stetig wuchs. Dass die Staaten sich als gleichrangig anerkannten und sich auf den Boden des europäischen Völkerrechts stellten, war dabei eine prinzipielle Voraussetzung für die Aufnahme und Unterhaltung diplomatischer Beziehungen, in die daher Staaten außerhalb der europäisch-atlantischen Welt erst vergleichsweise spät einbezogen wurden.

Allgemein gilt, dass sich Diplomatie, ihre Funktionen und ihre Bedeutung, durch den Gestaltwandel des internationalen Systems, die Dynamik der internationalen Politik, die Transformation von Staatlichkeit (nicht zuletzt in den miteinander verflochtenen Prozessen von Transnationalisierung, Entterritorialisierung und Globalisierung) sowie durch die Entwicklung im Bereich der Kommunikationsmedien bis in die Gegenwart immer wieder verändert hat und weiter verändert. Dieser Wandel schlägt sich auch in dem seit dem beginnenden 19. Jahrhundert zu identifizierenden «Topos von der Unterscheidung zwischen ‹alter› und ‹neuer› Diplomatie» (Johannes Paulmann) nieder, der zu einem politischen Diskurs gehört, in dem immer wieder Formen und Praktiken der Diplomatie, zum Teil in kritischer Auseinandersetzung, auf den gesellschaftlichen und politischen Wandel bezogen und auf diese Weise den tatsächlich oder vermeintlich veränderten Zeitläuften angepasst wurden. Dieser Wandel widerspricht indes nicht der Existenz von Kernbeständen von Diplomatie, die sich im weitesten Sinne auf die offizielle Außenvertretung eines Staates und die Pflege seiner internationalen Beziehungen erstrecken, wie unterschiedlich auch immer in konkreten Konstellationen diese Funktionen definiert, ausgeformt und umgesetzt werden mögen.

Funktion und Aufgaben von Diplomaten und diplomatischen Diensten sind abhängige Variablen dieser Entwicklungen, die, so wird es weithin gesehen, auf einen Bedeutungsverlust von Diplomatie – und damit Diplomaten – hinausliefen, der sich zur Gegenwart hin beschleunigt habe und in Zukunft noch weiter beschleunigen werde. Als 2010 die Internetplattform «Wikileaks» eine Vielzahl diplomatischer Dokumente veröffentlichte, changierten die Reaktionen angesichts der Banalität vieler Berichte und Korrespondenzen zwischen Staunen und Spott. Aber der Kampf gegen einen – tatsächlichen oder vermeintlichen – Bedeutungsverlust von Diplomatie und Diplomaten ist älter, und er zieht sich auch durch die Geschichte des deutschen Auswärtigen Amts seit 1870/71. Er kann individuelles Verhalten in spezifischen Situationen ebenso erklären helfen wie institutionelle Entwicklungen. Auch vor diesem Hintergrund fragt dieses Buch nach den Aufgaben und Tätigkeitsfeldern des Auswärtigen Amts seit der Zeit des Kaiserreichs. Wie war das Amt aufgebaut und organisiert? Wer waren die deutschen Diplomaten, aus welchen sozialen Schichten stammten sie, über welche Qualifikationen mussten sie verfügen? Wie also veränderten sich Auswärtiges Amt und Auswärtiger Dienst in den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland im letzten Drittel des 19. und im 20. Jahrhundert?

In den Antworten auf diese Fragen gibt das Buch nicht nur einen historischen Überblick über eine wichtige politische Institution, sondern es beschäftigt sich auch mit der Geschichte einer politischen Funktionselite, die sich durch ein besonderes Selbstverständnis und einen ausgeprägten Korpsgeist auszeichnete, der durch soziale Faktoren ebenso bestimmt war wie – immer stärker – durch die professionellen Anforderungen und Tätigkeitsbedingungen, den aber auch die Gefahr eines Bedeutungsverlusts von Diplomatie und Diplomaten stabilisierte. Was bedeuteten dieses Selbstverständnis und dieser Korpsgeist für das Auswärtige Amt, die deutsche Diplomatie und die deutsche Politik in den politischen Systemtransformationen des 20. Jahrhunderts – 1918/19, 1933, 1945/49 – und angesichts grundstürzender Veränderungen internationaler Politik durch die europäische Integration oder die Globalisierung? Diplomatie ist nicht gleichbedeutend mit Außenpolitik, und daher schreibt dieses Buch keine Geschichte der deutschen Außenpolitik seit 1870/71. Aber es behandelt die Frage nach dem Zusammenhang von Außenpolitik und Diplomatie, und es betrachtet vor diesem Hintergrund sowohl die Entwicklung der internationalen Beziehungen und des internationalen Systems als auch der deutschen Außenpolitik als Handlungsrahmen der Diplomatie. Das impliziert die Frage nach den außenpolitischen Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten des Auswärtigen Amts und seiner Diplomaten ebenso wie die Frage, was es bedeutete, dass das Auswärtige Amt nach 1871 das...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Impressum4
Inhalt5
1. Kapitel: Diplomatie und Diplomaten6
2. Kapitel: «Vornehmste Behörde des Reiches»: Außenpolitik und Diplomatie im Kaiserreich (1870/71–1918)10
3. Kapitel: Stecken gebliebene Reformen und der Schatten von Versailles: Das Auswärtige Amt der Weimarer Republik (1918/19–1933)41
4. Kapitel: «Neue Diplomatie»? Das Auswärtige Amtdes Dritten Reiches (1933–1945)69
5. Kapitel: Wiedergründung oder Neuanfang? Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik (1949/51–2000)102
Literatur139
Personenregister142

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