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Das Fest ist ein Essen - das Essen ein Fest.

Autobiografische Notizen über Essen und Trinken

AutorBurchard Bösche
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9783746075907
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Inspiriert durch seine Tante Lotti, die einst ausführlich die Ernährung auf dem Bauernhof in ihrer Kinder- und Jugendzeit beschrieben hat, hat Burchard Bösche Geschichten zusammengetragen, die seine Ernährung geprägt haben und die erklären, wie sich diese im Laufe des Lebens grundlegend verändert hat. Die Eckpunkte sind dabei die Kindheit auf dem Bauernhof, die Arbeit als Gemüsehändler, das Leben in der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, das Engagement für Slow Food und die Reflexion der auf Reisen gemachten Erfahrungen.

Dr. Burchard Bösche hat sich sein Leben lang mit Nahrungsmitteln beschäftigt: auf dem elterlichen Bauernhof, als Gemüsehändler, bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, als aktives Mitglied bei Slow Food, in der hobbymäßigen Nahrungsmittelherstellung und nicht zuletzt als bewusster Esser und Trinker.

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Leseprobe

2. Als Gemüsehändler in Bremen


Lehrzeit bei der „Merkur-Frucht GmbH“


Gerade 17 Jahre alt bin ich zuhause ausgezogen. Ich hatte nach der Mittelschule eine Lehre in Bremen als Einzelhandelskaufmann angefangen. Mein Vater hätte es gern gesehen, wenn ich bei der Kreissparkasse oder der Genossenschaft in Martfeld eine Banklehre absolviert hätte. Das wollte ich aber nicht, hätte es doch bedeutet, weiterhin täglich den Kuhstall auszumisten, wozu ich keine Lust hatte. Eine Alternative bot unser Nachbar Hermann Wolters, der Mitinhaber der Merkur Frucht GmbH war, eines Bremer Filialunternehmens des Obst- und Gemüsehandels. Mein Berufswunsch „Gemüsehändler“ fand nicht überall Verständnis. In der Hoyaer Mittelschule war es üblich, dass die Lehrer die Schüler gegen Ende der 10. Klasse fragten, was sie denn nun werden wollten. Als ich sagte „Gemüsehändler“, fuhr ein Lehrer mich an: „Wenn ich Dich ordentlich frage, kannst Du auch ordentlich antworten.“

Zunächst fuhr ich mit dem Bus nach Bremen, war aber die zwei- bis dreistündige tägliche Fahrt bald leid. Meine Eltern waren einverstanden, dass ich in Bremen ein Zimmer nahm, haben zur Finanzierung aber nichts beigetragen. Ich musste mit meinem Lehrlingsgehalt von zunächst DM 130,-- im Monat auskommen, wovon allein DM 40,-- für die Miete auszugeben waren.

Das Zimmer hatte keine Kochgelegenheit, so dass ich mir einen Elektrokocher besorgte und im Lager- und Pausenraum des Ladens, in dem ich tätig war, etwas kochte, morgens, mittags abends. Von meiner Mutter wurde ich unterstützt, indem sie mir bei meinen Wochenendheimfahrten nicht nur die Kleidung wusch, sondern mir auch Lebensmittel aus ihrem Vorrat mitgab: Gläser mit Zwetschen, Birnen und Apfelmus, Speck, Schmalz, Eier, Mettwurst und manchmal etwas Schinken. Frisches Obst und Gemüse hatte ich im Laden, von dem ich mich nach dem biblischen Grundsatz bediente: „Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden.“ (5. Mose, 25)

Bei der Zubereitung von Rührei mit Speck, Tomaten und Paprika habe ich es zu einiger Meisterschaft gebracht. Maggi-Hühnersuppe aus der Tüte und Erbsensuppe aus der Knorr-Erbswurst wärmten den Magen. Maggi-Ravioli aus der Dose waren schon etwas Besonderes und haben den Speisezettel lange über die Lehrzeit hinaus geprägt. Oft gab es nur Schwarzbrot mit Heringssalat von Homann, für einen selbst angerichteten Salat mit Essig und Öl reichten die Fertigkeiten damals nicht. Diese Zeit hat bis heute ihre Spuren in meinen Essgewohnheiten hinterlassen: Ich esse immer noch gern Schwarzbrot mit Heringssalat, wenn auch die Liebe zum Heringssalat von dem selbst gemachten herrührt, den meine Mutter immer zu Silvester zubereitete. Kaffee gab mein Budget nicht her, so dass ich mir damals angewöhnt habe, Tee zu trinken, was ich bis heute schätze. Schließlich gab es im Sortiment der Gemüseläden Apfelsaft, den ich in erheblichem Umfang getrunken habe und den ich seit frühen Kindertagen als ein Luxusgetränk empfand. Bis heute bin ich ein großer – inzwischen sehr anspruchsvoller – Apfelsafttrinker, und es ärgert mich maßlos, wenn immer noch Hotels auf ihren Frühstücksbüffets schlechten Orangensaft und keinen Apfelsaft anbieten, und dass die Gäste sich nicht beschweren.

Die Bremer Bratwürste habe ich immer sehr geschätzt, und später viele davon gegessen. So gab es keinen Abend im Ratskeller, an dessen Ende nicht „eine vom Rost“ vom Bratwurstglöckl neben dem Rathaus stand. Für das Lehrlingsgehalt war das eine große Ausgabe, so dass mein Kumpel von der Berufsschule und ich, wenn wir uns abends in der Stadt trafen, oft am Wurststand von Kiefert nur ein Brötchen für 5 Pfennig bestellten, dies mit viel Senf verspiesen und dabei den Duft der Rostbratwürste tief einatmeten. Wichtiger Bestandteil der Fleischversorgung waren auch hier die Dosen mit EVST-Fleisch, das gut gewürzt war, so dass man es auch kalt essen konnte.

Erfolgreicher Hühnerverkäufer


Wenn personell Not am Mann war, wurde mir schon in meiner Lehrzeit die Funktion eines Filialleiters übertragen. Das waren kleine Läden, ich war in der Woche der einzige Verkäufer, nur freitags und sonnabends kamen Aushilfen hinzu. Obst und Gemüse hat die unliebsame Eigenschaft, dass es, je länger es liegt, unansehnlich wird und verdirbt. Gemüsehändler standen in dem Ruf, dass sie ihren Kunden schlechte Ware untermogeln. Es wurde ja noch alles abgewogen und in Tüten verpackt, war nicht vorverpackt. Eine Tomate in der Tüte war immer matschig, manchmal auch mehrere. Das habe ich grundsätzlich nie gemacht. Wenn Ware dringend weg musste, dann wurde der Preis drastisch reduziert und es wurden gezielt die Kundinnen angesprochen, die dafür zu interessieren waren. Vor allem war es wichtig, diese Waren schnell loszuwerden, damit sie nicht das Bild des ganzen Ladens verdarben. Von meinem Lehrherrn habe ich für mein Leben den Merksatz mitgenommen: „Der erste Schaden ist der beste Schaden.“

Als Filialleiter bekam ich zusätzlich zu meinem Lehrlingssalär die Umsatzprovision, die generell den Filialleitern gezahlt wurde, 1 % vom Umsatz. Nun war das Problem, dass die Waren im Obst- und Gemüsehandel in der Regel ziemlich billig waren, die Provision also nicht viel einbrachte. Ein kg Rot- oder Weißkohl kostete damals 40 Pf. Es gab im Sortiment nur drei teure Artikel: Champignons, Eier und Geflügel. Wenn ich also mehr verdienen wollte, dann musste ich vor allem diese drei Artikel verkaufen.

Ein Filialleiter hatte mir als Lehrling zwei Merksätze beigebracht: „Licht lockt Leute“ und „Masse kann man nur durch Masse verkaufen“. Bei den Eiern hatte er mir das vorgemacht. Er packte die Eier aus den Pappen, in denen sie geliefert worden waren, und legte sie in die schrägen, mit schrägstehenden Spiegeln verdoppelten und besonders beleuchteten Fächer, in denen üblicherweise Äpfel, Birnen und Citrusfrüchte lagen. Ein tolles Bild, so viele Eier. Sein Kommentar: „Wir wollen doch Eier verkaufen, und keine Pappe.“ Unser Eierabsatz stieg beträchtlich.

Ähnlich machte ich es später mit den Hühnern, die am Freitag früh in großen Holzkisten für das Wochenendgeschäft geliefert wurden. Dazu muss man wissen, dass es in den Filialen meiner Lehrfirma keine Kühlmöglichkeiten gab. Die Hühner mussten also auf jeden Fall bis Sonnabend verkauft werden, weil sie das Wochenende nicht überstanden hätten. Entsprechend der Eier-Erfahrung räumte ich beide Schaufenster in meiner Filiale aus und stellte ausschließlich die Kisten mit dem Geflügel hinein, was enormen Eindruck machte. Der Hühnerabsatz florierte und ich lernte dabei, dass man es als Verkäufer schaffen musste, dass die Kundinnen das Huhn ihrer Wahl selbst in die Hand nahmen. Das löste offensichtlich den Reflex aus, dass sie das Tier in Besitz nahmen und nicht wiederhergeben mochten, dann doch lieber das Geld. Ich wurde so zum mit Abstand erfolgreichsten Hühnerverkäufer in unserer Firma, was meiner Umsatzprovision gut tat. Es war schließlich so, dass ich in meiner Filiale die eine Hälfte der Hühner und die übrigen 17 Filialen die andere Hälfte verkauften. Nun passierte es natürlich, dass ich zu viele Hühner geordert hatte und absehbar war, dass ich sie nicht bis zum Ladenschluss am Sonnabend verkaufen würde. Dann organisierte ich am Mittag einen Schlussverkauf zu einem Preis von 98 Pf. für das Pfund. Dies sprach sich schnell rum und ich musste den Zeitpunkt häufiger variieren, um zu verhindern, dass meine Kundinnen nicht einfach solange abwarteten und ihre Hühnerkäufe zurückstellten.

Die Hühner wurden gerupft aber nicht ausgenommen verkauft. Aber es gehörte zu unserem Service, dass wir sie auf Wunsch der Kundinnen ausnahmen. Dabei habe ich eine erhebliche Geschicklichkeit entwickelt. Meine Spitzenleistung lag bei 12 Hühnern in einer Stunde.

Wenn man sich heute vorstellt, dass Geflügel unter den damaligen Umständen verkauft würde, dann würde der Laden wahrscheinlich sofort geschlossen werden. Von Todesfällen in meiner Kundschaft habe ich allerdings nichts gehört.

Apfelsinenauktion im Bremer Fruchthof


Das Büro meiner Lehrfirma war im Bremer Fruchthof am Breitenweg. Hier fanden täglich die Obst- und Gemüseauktionen statt, bei denen die Preise nicht stiegen sondern sanken. Der Auktionator startete mit einem Preis, der höher lag, als der erwartete und ging dann herunter. Die Käufer, die wie in einem Hörsaal saßen, gaben Handzeichen, wenn sie bei einem bestimmten Preis kaufen wollten. Dann konnte es schnell hektisch werden, denn wer nicht rechtzeitig kaufte, bekam nichts ab. Dabei musste man sehr genau auf seine Bewegungen achten. Wenn man mit dem Zeigefinger einen Kreis gemacht hatte, hatte man 10 Kisten gekauft, machte man zweimal einen Kreis, waren es hundert. Dieses ausgefuchste Zeichensystem wurde dann allerdings durch die EDV abgelöst und jeder Auktionsteilnehmer hatte nun eine Tastatur vor sich, mit der durch Drücken...

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