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Das Zillebuch: Der Mann und das Werk (Autobiographie von Heinrich Zille)

Mit 223 meist erstmalig veröffentlichten Bildern

AutorHans Ostwald, Heinrich Zille
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl441 Seiten
ISBN9788026817024
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Das Zillebuch: Der Mann und das Werk (Autobiographie von Heinrich Zille)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Heinrich Rudolf Zille (1858-1929) war ein deutscher Grafiker, Maler und Fotograf. In seiner Kunst bevorzugte der 'Pinselheinrich' genannte Zille Themen aus dem Berliner Volksleben, das er ebenso lokalpatriotisch wie sozialkritisch darstellte. Zille gehört zu den bekanntesten Berlinern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und zählt neben Claire Waldoff, mit der er befreundet war, zu den Berliner Originalen. Um die Wende zum 20. Jahrhundert begann Heinrich Zille immer bewusster, Szenen aus der proletarischen Unterschicht für sich als Sujet zu entdecken. Zille fand sein 'Milljöh' in den Hinterhöfen der Mietskasernen, Seitengassen und Kaschemmen der Arbeiterviertel. Hans Ostwald (1873-1940) war ein deutscher Journalist, Erzähler und Kulturhistoriker. Hans Ostwald blieb seiner Absicht, unsere Kultur von unten zu beleuchten, in allen seinen folgenden Werken verpflichtet. So wurde er zu einem der produktivsten Chronisten der unteren sozialen Klassen und gesellschaftlichen Randgruppen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sowie zu einem der wichtigsten populärwissenschaftlichen Kulturhistoriker Berlins. Inhalt: Zille als Künstler, Zille in der Liebe des Volkes, Wenn man berühmt ist ..., Zille-Feste, Zille und seine Modelle, Zille-Studien und -Akte, Zille-Mächens, Die Männer der Mächens, Milljöh, Zille-Kneipen, Zille-Fräuleins, Zille-Kinder, Die Jugendlichen, Kleinbürger und Proletarier, Der fünfte Stand, Zille als Sozialkritiker, Aus Zilles Kindheit, Aus Zilles Lehrzeit, Aus der Gesellenzeit Heinrich Zilles, Heinrich Zille und die Soldaten, Zilles Lehrer und Kollegen, Zille-Witze, Zille-Weisheiten.

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Leseprobe

Zille-Kneipen.


Inhaltsverzeichnis


Wenn man Zille will verstehn, muß man in Zillekneipen gehn. Also in die Lokale, in denen das einfache Volk verkehrt und auch in solche Gastwirtschaften, in denen allerlei Entgleiste und Verunglückte, vor allem auch die Armen im Geiste und im Gelde eine billige Geselligkeit und eine wohlfeile Betäubung ihres Elends suchen. Dort wird man nicht nur seine Menschen finden, sondern zugleich auch manche Aufschlüsse über sie.

Aus seinen Schilderungen wird das Berliner Kneipenleben der letzten Jahrzehnte wach. Sie sind ein Stück Kulturgeschichte der Reichshauptstadt. Vor allem die Schilderungen aus den Kellern. Diese Kellerlokale sind ja in letzter Zeit fast ganz verschwunden – bis auf den berüchtigten Jägerkeller in der Jägerstraße, in dem auch gewisse Kavaliere aus der Friedrichstraße und manche von ihren Damen verkehren. Auch der »Stramme Hund« am Oranienburger Tor, in dem nach durchkneipter Nacht Studenten, Kellner, Künstler, Universitätsprofessoren und Droschkenkutscher an weißgescheuerten Tischen beisammen saßen und Erbssuppe speisten, besteht noch – mit fast demselben Publikum (Bild 106). Nur kommen anstatt der Droschenkutscher mit den blauen Pelerinenmänteln jetzt Schofföre in Lederjacken. Sie riechen nicht mehr nach Pferd und Stall, sondern nach Öl und Benzingas.

Im Osten und auch im Norden gibt’s noch Kellerwirtschaften. Aber sie sind doch recht vereinzelt. Und der Hammelkopp-Keller, in dem die abgeknabberten Köpfe unter den Tisch geworfen wurden, ist auch eingegangen. Von einem andern typischen Bierkeller (siehe Bild 105) erzählt Zille:

»Vor fünfundzwanzig Jahren verkehrte ich im Bayrischen Bierkeller in der Poststraße. Es ging eine gewundene Treppe runter. Unten saßen wir im Halbdunkel auf einfachen Bänken an Holztischen. Aber ‘n großen Seidel gab’s. Der Wirt – nu ooch schon tot … Da konnte man Leute finden. Fast alle ohne Kragen. Hausdiener – und Schiffer von der Mühlenschleuse. Und Gelegenheitsarbeiter. Feine Leute bei! Die jetzt bloß auf die Groschens für den Topp warteten und denn gleich runterkamen in den etwas dustern Raum. Feine Leute – zum Beispiel ein Deutsch-Russe, der in Rußland Inspektor auf einem ganz großen Gut gewesen war und Sonnabends Tausende an: die vielen hundert Arbeiter ausgezahlt hatte. Jetzt hatte er keinen Pfennig mehr in der Hand.

Und der Bierkeller ist längst ein Produktenkeller geworden.

Alter Dreck wird da gestapelt … Außer den diesem Kapitel beigefügten Bildern sind zur Ergänzung zu beachten: die Abbildungen zu »Die Männer der Mächens«, »Milljöh« und Bild 3.«

In diesen Kellern hat Zille manches Motiv gefunden. Das bezeichnendste ist wohl:

»Methyl.

›Der Bückling war jut. Bloß der Schnaps hatte so ‘n Beijeschmack nach Rosenlikör.‹«

In diesen Kellern verkehrte eben oft die armseligste Gesellschaft, die nicht viel für einen Schnaps zahlen kann. Und der Wirt ist auch nicht immer sehr gewissenhaft. Er will doch auch bestehen! Und die Leute verlangen doch nun einmal ein großes Glas »Kognak« für zehn Pfennige! Z.

*

Außer diesen Kellern gibt’s dann auch noch einzelne »Bouillonkeller«, die etwa um 1900 und bald darauf aufkamen. Das waren Lokale ohne Konzession, Schnaps und Bier auszuschänken … Sie hatten auch meist die ganze Nacht auf und schänkten billig warmen Kaffee und Milch sowie andere alkoholfreie Getränke. Es waren Ersatzlokale für die zu teuern Kaffeehäuser. In ihnen suchten alle Menschen Erfrischung, die nachts in der Weltstadt unterwegs sein mußten: Zeitungsdrucker, Kutscher, Straßenmädchen, deren Freunde, ferner Bettler – und auch Künstler, die nicht so leicht zur Ruhe kommen. Neuerdings hat ja ein ganz einfaches Kellerlokal einen ungeheuren Zulauf von Künstlern, Rechtsanwälten und andern Nachtbummlern. Allerdings gibt’s da auch Alkohol …

 

105. Der Bayrische Bierkeller in der Poststraße.

Typisches Lokal, in dem Straßenhändler, Bettler, Hausdiener und Schiffer verkehrten.

Nach einer Original-Radierung zum 1. Mal veröffentlicht.

 

In die Bouillonkeller aber kamen auch jene Nachtgestalten, von denen Zille allerlei erlauschte.

Wieviel rührende Sehnsucht und Zuversicht äußerte sich in dem Seufzer der blinden Bettlerin zu ihrem erbärmlich ausschauenden neuen Führer:

»Willem, ich glaube, du mußt ein schöner Mann sein!«

*

In manchen Bouillonkellern wurde auch gespielt. In der Mitte ein Tisch für den Bankhalter. Ringsherum die »Klub«mitglieder aus der Friedrichstraße, bepelzte Bardamen und andere Nachtvögel. Die Geldscheine wurden in der Inflation nur gebündelt in die Bank geschmissen oder dem Gewinner hingeworfen …

In solchen Bouillonkellern wurden aber auch gute Ratschläge von guten Freunden erteilt:

»Warum heiratste nich die Liese, Paule? Sie kocht dir, sie wäscht dir, sie flickt dir, – und wenn de besoffen bist, weeste wo de hinjehörst!« (Bild 82.)

Manche der Keller waren so niedrig oder hatten einen so niedrigen Eingang, daß größere Menschen sich beim Hinabsteigen bücken mußten. Sie bekamen dann davon ihren Namen, wie das »Hotel Bück Dich«. Der Wirt, der Patriotenwillem, hielt eine derbe Standpauke an seine Gäste, kümmerliches Bettelvolk:

 

106. Unterm Niveau. Im Keller zum Strammen Hund. »Der Herr und die Dame! Zweimal Schweineschnauze!«

Nach dem Original.

 

»Wenn ihr eene blasse Ahnung von Staatserhaltung un Sittlichkeit hätt’, tat ick eich wat von unse Parade vor S. M. erzählen. Aber ihr wißt ja nich eenmal, wer eich rausgelassen hat. Denkt bloß ans Fressen un Saufen, mir anzupumpen un Lause an de Stuhlbeene zu schmieren.«

Aber es gab auch andere Keller, zu denen bessere Gäste hinabstolperten. Zille erzählt:

»Ja, da war in der Jägerstraße auch der Meyerkeller. Wo jetzt der Jägerkeller ist. Da standen anstatt Tische nur Tonnen. Und auf einer Tonne saß so’n verkrachter Assessor. Der machte den Clown. Dafür hatte er Essen und freie Zeche. Der hängte jedem, der ‘rein kam, einen Namen an:

Nasenmeyer – wenn er eine große oder ‘ne Himmelfahrtsnase hatte.

Bartmeyer – wenn er einen langen Bart trug.

Hutmeyer – wenn der Hut auffällig war.

Schielmeyer – wenn er nicht grade sehen konnte.

Und dabei waren; die Leute vergnügt – und die Hauptsache war der Suff.«

*

Die meisten Kellerlokale aber waren von der Art der »Pansch-Apotheke«, deren Wirt einer jungen Mutter den allzu weisen Rat gab:

»Junge Frau, der Schnaps is gut for Kinder, da verdrücken sich die Würmer!«

Wie manche Wirte lebten und endeten, erzählte Zille einst drastisch:

»Ja, der eine Kellerwirt fürchtete das Delirium. Aber den ganzen Tag trank er nur Kognak. Wasser oder Kaffee oder gar Essen kam nicht über seine Lippen. Abends aß er ein Pfund Butter. Wenn er ganz voll war vom Kognak, dann ging er aufs Klosett und nahm sich ein Pfund Butter mit, das er da aß.

Oft fanden wir ihn morgens da eingeschlafen.

Einmal schrieb er an mich, aber ich kam schon zu spät

 

107. »Weißbier macht so voll!«

Studie zu einem Bilde aus einer Weißbierkneipe. Nach dem Original.

 

hin. Er war schon tot. Hing schon ganz kalt am Fensterriegel.

Ich sollte wohl für seinen kleinen Jungen sorgen, der bei der Großmutter lebte …«

*

»Vor allem aber gab es bei diesen Kellerwirten immer die echte Berliner Weiße. Für bessere Gäste, die 25 oder gar 3o Pfennige anlegen konnten, die große ›Märzweiße‹, ein Getränk, das nicht zu sehr mit Wasser versetzt war und mehrere Wochen oder Monate im dunklen Kellerloch lagerte. Und sonst die ›kleine Weiße‹ für 10 und i5 Pfennige. Zwischen jedem Glas Weißbier wurde ein Kümmel genehmigt. Die große Weiße wurde aus der Steinkruke in breite Glasstumpen ausgeschänkt, die von mehreren Gästen gemeinsam ausgetrunken wurden. Mit dem Daumen wurde ins Glas hineingefaßt und es an den bärtigen Mund geführt. Das war die Gegend, in der die dickbäuchigen und rotnasigen Trinker sagten:

›Weißbier macht so voll‹ –

›Ja – und es gibt Leute, die jar keens trinken können!‹

Da neckten sich die echten Schnapsbrüder:

›Ja, Willem, Nagels Kirsch mußte immer verdünn’, sonst’en kriegste Löcher ins Hemde!‹

Und die Familienmutter wies ihr Kind zurecht in solchem mit Papierband zurecht gemachten ›Bürgerheim‹:

›011er Brüllaffe, Vater muß doch erst trinken, dann kannste det Jlas auslecken!‹«

*

Eine solche gute Alt-Berliner Kneipe schilderte Zille mir in diesen Worten:

»An der Ecke vom Krögel war vorm Kriege noch so ‘ne richtige alte Berliner Weißbierkneipe. Wunderbar – echt Biedermeier. Mit bunten Glasecken im Fenster – Tisch und Stühle echt – die Schnapspullen fein gebaucht – und allerlei Raritäten.

 

108. »Familienleben.«

»Zu ville derf man ooch nich saufen, Fräulein, sonst kann man zu Hause de Olle nicht vahaun!«

Im alten Weißbierlokal am Molkenmarkt.

Nach einem...

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