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E-Book

Déja-vu?

Lehren aus historischen Wirtschaftskrisen für eine zukuftsorientiere Anlagestrategie

VerlagNZZ Libro
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl268 Seiten
ISBN9783038239697
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,30 EUR
Die aktuelle Finanzkrise befindet sich bereits im fünften Jahr. Politiker und Notenbanken präsentieren zwar regelmässig neue Massnahmen, ursachengerechte Lösungen sind jedoch weit und breit nicht in Sicht. Das Buch «Déjà-vu?» wirft einen Blick in die Geschichte, denn viele der heutigen Probleme sind nicht neu, ebenso wenig deren mögliche Lösungen. Welche Lehren aus historischen Wirtschaftskrisen gezogen werden können, zeigen die Autoren in ihrem Buch. Mit Beiträgen von Ricardo Cordero, Patrick Erne, Christof Reichmuth und Tobias Straumann. Der erste Teil des Buchs leitet aus der Analyse historischer Krisen eine Typologie von Wirtschaftskrisen her: Hyperinflation, Depression, Zwillings- bzw. Drillingskrise sowie Stagflation. Anhand konkreter Beispiele werden Ursachen und Folgen dieser Krisentypen und die Lösungen aufgezeigt, die zu deren Überwindung geführt haben. Der Leser erfährt auf einprägsame Art, wie sich Währungen, Zinsen, Aktien, Immobilien oder Gold vor, während und nach den einzelnen Krisentypen verhielten. Im zweiten Teil wagen die Autoren einen konkreten Ausblick auf mögliche künftige Entwicklungen der Finanzmärkte. Dabei werden aus den Erkenntnissen der Vergangenheitsbetrachtung Analogien zur heutigen Finanzkrise gezogen und Lösungsansätze präsentiert. Das Buch zeigt auf, wie ein Anleger sein Vermögen in Zeiten der Hyperinflation, der Depression, in Zwillings- bzw. Drillingskrisen oder bei einer Stagflation schützen kann und welche Chancen sich nach Überwindung des jeweiligen Krisentyps eröffnen. Die Sicht des Anlegers zieht sich dabei wie ein roter Faden durch das gesamte Buch.

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Leseprobe

1 PROLOG:

DIE RÜCKKEHR DER GESCHICHTE

TOBIAS STRAUMANN

1.1  Ausgangslage

Jedes Jahr treffen sich die Gouverneure der wichtigsten Zentralbanken im Spätsommer zum Jackson-Hole-Symposium im US-Bundesstaat Wyoming. Umringt von einer malerischen Berglandschaft diskutieren sie mit eingeladenen Gästen aus Wissenschaft und Wirtschaft über aktuelle Themen.

2005 fand ein denkwürdiges Treffen statt. Man blickte mit Ehrfurcht auf die Leistung von Alan Greenspan zurück, der kurz vor seinem Rücktritt als Chairman des Federal Reserve stand. Man war sich einig, dass dank Greenspans kluger Geldpolitik keine schlimmen Wirtschaftskrisen mehr möglich seien.

Nur einer wagte es, den Konsens zu stören. Raghuram Rajan, Professor an der University of Chicago, kam in seinem Vortrag zum Schluss, dass in der Ära Greenspan die Welt unsicherer geworden sei. Das Risiko einer grossen Finanzkrise sei wegen der hohen Risiken im Bankensektor gestiegen. Der Störenfried wurde jedoch schnell in die Schranken gewiesen, am heftigsten von Lawrence Summers, dem ehemaligen Finanzminister unter Präsident Clinton. Es stimme zwar, dass die Risiken grösser geworden seien, argumentierte Summers, aber man müsse sich keine Sorgen machen. Das moderne Transportsystem verursache ja auch grössere Unfälle als früher und trotzdem funktioniere es reibungslos.

Ein Jahr nach der denkwürdigen Diskussion begannen die Häuserpreise in den USA zu fallen, darauf gerieten Hedgefonds und Geschäftsbanken in Schieflage, und im Herbst 2008 rutschte die Weltwirtschaft in die schlimmste Krise seit den 1930er-Jahren. Rajan hatte recht gehabt. Das moderne Finanzsystem war viel weniger robust, als gescheite Männer wie Summers geglaubt hatten. Es war falsch anzunehmen, dass Greenspans Geldpolitik die Welt sicherer gemacht habe. Erstmals seit 80 Jahren trat in Nordamerika und Europa eine Krise auf, die nicht wie eine normale Rezession mit Zinssenkungen bekämpft werden konnte. Diesmal handelte es sich um eine spezielle Krise, die unkonventionelle Massnahmen erforderte.

Wenig später sahen sich die Länder der Eurozone mit grossen Problemen konfrontiert. Griechenland, Irland und Portugal konnten sich auf dem Markt nicht mehr zu vernünftigen Konditionen refinanzieren und mussten einen neu geschaffenen Rettungsfonds in Anspruch nehmen. Im Sommer 2011 stiegen auch die Renditen der italienischen und spanischen Staatsanleihen auf ein gefährlich hohes Niveau. Die Staatschefs der EU-Länder versuchen seit zwei Jahren die Krise einzudämmen. Doch auch hier zeigt sich, dass es sich nicht um eine normale Rezession, sondern um eine spezielle Krise handelt.

Wenn die Situation unübersichtlich wird und die Unsicherheit zunimmt, ist es folgerichtig, auf die Geschichte zurückzugreifen. Nur durch den Vergleich mit ähnlichen Situationen in der Vergangenheit ist man in der Lage, die Tendenzen der Gegenwart besser einzuschätzen. Natürlich ist die Übereinstimmung zwischen damals und heute nie vollständig. Aber wie der Basler Historiker Jacob Burckhardt schrieb, ist das Studium der Vergangenheit auf jeden Fall lohnend, denn es mache zwar nicht «klug (für ein andermal)», dafür aber «weise (für immer)». (Burckhardt, 1929, S. 7)

Ein Ziel dieser Publikation ist deshalb, einen Beitrag zum besseren Verständnis der aktuellen Krisen in den USA und Europa zu leisten. Wir entwickeln eine Krisentypologie, die helfen sollte, die Dynamik der aktuellen Ereignisse besser einzuschätzen. Ob Sie sich nach der Lektüre tatsächlich weiser fühlen werden, können wir zwar nicht versprechen – sollte dem jedoch so sein, hätten wir unser diesbezügliches Ziel erreicht.

1.2  Krisentypen

Finanzkrisen sind in der Regel schädlicher als normale Rezessionen, weil hinter ihnen fundamentale Ungleichgewichte stehen. Private Haushalte, Anleger, Banken oder Staaten haben in der guten Zeit über ihre Verhältnisse gelebt, wofür sie in einer Abschwungsphase teuer bezahlen müssen. Wir unterscheiden in dieser Publikation vier Typen von Ungleichgewichten, die zu Finanzkrisen führen.

Im ersten Typ, der Hyperinflation, bilden die Staatsschulden und die Staatsdefizite den Kern der Krise. Beim zweiten Typ, der Depression, sind es die privaten Schulden von Banken, Firmen und Haushalten, die in der Boomphase überdurchschnittlich schnell gewachsen sind und eine schmerzhafte Korrektur erzwingen. Beim dritten Typ, der Zwillings- und Drillingskrise, steht die Auslandsverschuldung von Schwellenländern im Zentrum, sei es durch den Staat oder Banken, Firmen und private Haushalte. Und beim letzten Typ, der Stagflation, läuft das Wachstum der Geldmenge während der Boomphase aus dem Ruder, weil die Zentralbank zu wenig Mut hat, den Aufschwung zu bremsen. Im Folgenden möchte ich diese vier Typen von Finanzkrisen kurz beschreiben.

1.2.1  Hyperinflation

Hyperinflationen sind selten, aber sie kommen immer wieder vor. Besonders berühmt sind zwei Beispiele: die französische Hyperinflation während der Revolutionszeit vor über 200 Jahren oder die deutsche Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg. Zuletzt hat die Bevölkerung von Simbabwe eine Hyperinflation erleben müssen.

Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, damit eine Hyperinflation möglich wird: hohe Staatsschulden und -defizite und politische Instabilität. Die französische Revolutionsregierung brauchte dringend Staatseinnahmen, um den Krieg mit den Nachbarn zu finanzieren. Sie kam auf die Idee, sogenannte Assignaten herauszugeben, das heisst Wertpapiere, die nicht durch Gold oder Silber, sondern durch staatlichen Grund und Boden gedeckt waren. Weil aber die Verwaltung der staatlichen Güter ungenügend war und die Regierung immer mehr Assignaten druckte, verlor die Bevölkerung das Vertrauen in diese Papierwährung.

In Deutschland spielte sich Ähnliches ab. Das Land hatte den Krieg verloren, eine grosse Kriegsschuld angehäuft und eine hohe Reparationssumme aufgebürdet bekommen. Zudem hatte man bereits während des Kriegs einen Teil des Staatsdefizits mit der Ausgabe von neuen Banknoten finanziert. Als Belgien und Frankreich im Januar 1923 das Ruhrgebiet besetzten, um die Zahlung der Reparationen in Form von Rohstofflieferungen zu beschleunigen, leisteten die Arbeiter aus Protest gegen den Einmarsch der fremden Truppen passiven Widerstand. Die Regierung in Berlin garantierte die Lohnfortzahlung, indem sie die Reichsbank anwies, Noten zu drucken. Nach einigen Monaten verschwand das Vertrauen in die Papierwährung, die Preise explodierten.

Alle Fachleute sind sich einig, dass die Folgen einer Hyperinflation absolut verheerend sind. Selbst der britische Ökonom John Maynard Keynes, der hauptsächlich wegen seiner Kritik an den Folgen der Deflation berühmt wurde, schrieb: «Es gibt kein feineres und kein sichereres Mittel, die bestehenden Grundlagen der Gesellschaft umzustürzen, als durch die Vernichtung der Währung. Dieser Vorgang stellt alle geheimen Kräfte der Wirtschaftsgesetze in den Dienst der Zerstörung, und zwar auf eine Weise, die nicht einer unter Millionen richtig zu erkennen imstande ist.» (Keynes, 1920, S. 192)

Die französische Revolutionsregierung kam durch die Hyperinflation unter grossen Druck. Die Revolution war nur durch einen erfolgreichen Krieg und Terror gegen alle innenpolitischen Feinde zu retten. Die junge Weimarer Republik wurde durch die Hyperinflation in ihren Grundfesten erschüttert. Davon sollte sie sich nie mehr ganz erholen.

Das Ende der Hyperinflationen kam durch Währungsreformen zustande. In Frankreich setzte Napoleon mit der Gründung der Banque de France im Jahr 1800 dem Währungschaos ein Ende. In Deutschland ersetzte man die entwertete Mark in einem ersten Schritt durch die Rentenmark, das heisst eine Währung, die durch Grund und Boden und das Gewerbevermögen gedeckt war, in einem zweiten Schritt durch die Reichsmark, eine Währung, die ans Gold gebunden war. Der erste Schritt war nicht mehr als ein fiktives Manöver, um das Vertrauen ins Papiergeld wiederherzustellen. Verblüffenderweise wirkte jedoch der Trick. Mit der Einführung des Goldstandards war das Währungssystem Deutschlands wieder auf eine dauerhafte Grundlage gestellt.

1.2.2  Depression

Depressionen sind das pure Gegenteil von Hyperinflationen. Bei ihnen steht nicht die Preisexplosion, sondern der Preiszerfall im Zentrum, der als Symptom für eine Nachfrageschwäche zu verstehen ist: Die privaten Haushalte halten sich mit dem Konsum zurück, die Firmen verzögern ihre Investitionen, und die Geldpolitik bleibt passiv. Das berühmteste Beispiel aus der Vergangenheit ist die Grosse Depression der 1930er-Jahre in den USA.

Sie kann ohne Übertreibung als schlimmster Wirtschaftseinbruch der letzten 150 Jahre bezeichnet werden. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte um ein Drittel, die Industrieproduktion um die Hälfte. Die Arbeitslosigkeit erreichte über 20 Prozent, in bestimmten Regionen sogar noch mehr. Von 25 000 Banken mussten 10 000 geschlossen werden. Die amerikanische Demokratie war nie ernsthaft gefährdet, aber im Winter 1932/33 begann sich ein Teil des Elektorats gefährlich zu radikalisieren.

Am Anfang steht, wie bei Zwillings- und Drillingskrisen in den Schwellenländern, eine über längere Zeit andauernde Verschuldung. In den Goldenen Zwanzigerjahren, den Roaring Twenties, waren es vor allem die privaten Haushalte und die Firmen, die sich zunehmend mit Krediten finanzierten. Angetrieben wurden der Konsum-...

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