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Der indirekte Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland

Eine Analyse des Distributionssystems

AutorRobert Knasmüller
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl105 Seiten
ISBN9783638062596
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Printmedien, Presse, Note: Sehr Gut, , 20 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Studie analysiert die Voraussetzungen und Strukturen für den erfolgreichen Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland. Konkret wurden die Vertriebskanäle - Verlag -> Pressegrosso -> Presseeinzelhandel -> Leser' und - Verlag -> Bahnhofsbuchhandel -> Leser' analysiert. Im Fokus steht die Frage, wie leistungsfähig bzw. effizient diese beiden Vertriebswege für Medien mit kleiner bis mittlerer Auflage sind. Presse- und Informationsfreiheit sind ein demokratisches Grundrecht und damit öffentliches Gut. Rechtsnormen, insbesondere der Artikel 5 des Grundgesetzes, determinieren den Vertrieb von Printmedien ausdrücklich mit dem Ziel, die Vielfalt von Medien bzw. Meinungen sicherzustellen. Zeitungen und Zeitschriften sind damit ausdrücklich keine 'normalen' Handelswaren, deren Preis ausschließlich über Angebot und Nachfrage - also den Markt - bestimmt wird. Die Printmedien dienen auch gesamtgesellschaftlichen Interessen, die daraus abgeleiteten rechtlichen Rahmenbedingungen geben dieser Arbeit einen interdisziplinären Ansatz vor. Der Aufbau der Arbeit beginnt mit einem Kurzüberblick über den Pressemarkt. In weiteren Kapiteln werden sowohl die Normen und Rahmenbedingungen erläutert, die für den Vertrieb von Presseerzeugnissen weitreichende Konsequenzen haben, als auch die Handelspartner und deren Funktionen im indirekten Distributionssystem beschrieben. Im Zuge eines Auflagenvergleichs werden Zeitschriften in die Kategorien kleine, mittlere und hohe Auflage eingeteilt und dargestellt und die Auflagenhöhe zur Remissionsquote in Bezug gesetzt. In Form von qualitativen Interviews werden Akteure und ihre Sichtweisen dargestellt. Darauf basierend wird eine SWOT-Analyse erstellt und darauf aufbauend Vorschläge zur Verbesserung gemacht.

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Leseprobe

3. Pressedistribution - Normen und Rahmenbedingungen


 

3.1. Die Presse als meritorisches Gut


 

Um den gesellschaftlichen Wohlstand zu erhöhen, ist der Staat daran interessiert, die Informations­basis der Entscheidungsträger zu verbessern.[35] Die Presse- und Informationsfreiheit ist im deut­schen Grundgesetz verankert, die Presse ist laut ökonomischer Theorie ein meritorisches

 

(= „verdienstvolles“) Gut zweiter Ordnung.[36] Im Gegen­satz zu meritorischen Gütern erster Ordnung, wie der (Pflicht-)Schulausbildung oder Impfungen, die gesetzlich vorgeschriebenen sind,[37] greift der Staat bei meritorischen Gütern zweiter Ordnung fördernd und lenkend ein. So wird der Konsum etwa durch Steuererleichterun­gen (die Umsatzsteuer für Printmedien beträgt nur sieben Prozent), staatliche Zuwendungen sowie durch besondere gesetzliche Rahmenbedingungen gefördert.

 

3.2. Besonderheiten im Pressevertrieb


 

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“ Der Art. 5/1 des Grundge­setzes hat für den Pressevertrieb weitreichende Konsequenzen, die sich in Form von Sonderregeln und -bestimmungen ausdrücken. Nach der geltenden Rechtsauffassung leitet sich auch für das Presse-Grosso ein besonderer Grundrechtsschutz ab.[38] 

 

3.2.1. Leitbild Ubiquität[39]


 

Bereits in den 1950er-Jahren forderten die Großverlage vom Presse-Grosso eine ubiquitäre Distri­bution. Der Kunde sollte keine langen Wege in Kauf nehmen müssen, um zu seiner Zeitung zu kommen.[40] Das Konzept einer flächendeckenden Versorgung mit Printmedien nicht nur in städti­schen Ballungsräumen, sondern auch am Land war für die Bild-Zeitung als Straßenverkaufs- bzw. Boulevardzeitung von besonderer Bedeutung.[41] Mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Verkaufs­stellen­netz. 116.500 Verkaufsstellen gibt es zurzeit in Deutschland (Bahnhöfe mit einge­rechnet), das entspricht circa 700 Einwohnern pro Verkaufsstelle. Im Vergleich dazu stehen in Frankreich[42] nur 38.000 Verkaufstellen zur Verfügung, das entspricht rund 1500 Einwohnern pro Ver­kaufsstelle.

 

3.2.2. Preisbindung, Handelsspannen und Verwendungsbindung


 

Der Verlag legt für seine Presseerzeugnisse einen fixen Verkaufspreis fest, der vom Handel ver­bindlich eingehalten werden muss. Die Preisbindung ist für die Sicherung der Pressevielfalt essen­tiell, durch diese Regelung ist der Wettbewerb über den Preis auf der Ebene des Groß- und Einzel­handels unterbunden.[43] Der Verlag ist verpflichtet, die Einhaltung der Preisbindung zu überwachen. Der feste Endverkaufspreis für Verlagserzeugnisse wurde im Jahr 1887 vom Börsenverein des deutschen Buchhandels durchgesetzt und ist im Buchbereich nicht unumstritten. So bekämpfte die österreichische Firma Libro dieses Gesetz in den 1990er-Jahren auf EU-Ebene massiv. Mittler­weile wurde zwischen Buch- und Pressepreisbindung eine Trennung vollzogen, die nationale Preisbindung für Presseerzeugnisse ist nun ge­setzlich extra geregelt und auf EU-Ebene unstrittig.

 

Auf Basis von vertraglichen Vereinbarungen legt der Verlag bei Presseerzeugnissen nicht nur den Verkaufspreis, sondern gleichzeitig auch die Handelsspannen für die nachgelagerten Handelsstufen fest. Die Handelsspanne für den Großhandel beträgt zurzeit zwischen 10,6 und 29 Prozent und für den Einzelhandel rund 20 Prozent. Beim Bahnhofsbuchhandel, der ein Direktbelieferungsrecht ge­nießt, werden diese beiden Spannen in der Regel addiert, die Spannen bewegen sich demnach zwi­schen 30,5 und 49,5 Prozent. Damit ist auch sichergestellt, dass unabhängig von der Marktmacht auf Ebene des Einzelhandels ein fester, nicht verhandelbarer Rabattsatz zur Anwendung kommt. Zusätzlich verpflichten sich Groß- und Einzelhandel durch die Verwendungsbindung, die Zeitungen und Zeitschriften nur in dem Vertriebsweg anzubieten, für den sie bestimmt sind.

 

3.2.3. Dispositionsrecht und Remissionsrecht


 

Ein unmittelbares Ergebnis des Anspruchs auf Ubiquität war, dass die Verlage die Groß- und Ein­zelhändler mit vollem Remissionsrecht beliefern. Damit liegt das Herstellrisiko bei den Verlagen, die komplementär dazu das Dispositionsrecht gegenüber den nachgelagerten Handelsstufen aus­üben, damit tragen Presse-Grosso und Einzelhandel das Vertriebs- und Remissionskostenrisiko.[44]

 

3.2.4. Erstverkaufstagsregelung (EVT)


 

Der Erstverkaufstag wird vom Verlag festgelegt, dadurch ist sowohl der Verkaufsbeginn als auch die Angebotszeit geregelt. Besonders bei den Publikumszeitschriften hat sich aus diesem Grund ein fixer Wochentag als EVT im Handel etabliert, der verbindlich eingehalten wird. Da am Wochen­ende die Konsumenten mehr Zeit zum Lesen haben, sind die EVT-Tage Richtung Wochenende hin stärker.

 

3.2.5. Sonderregelungen für Pressegroß- und -einzelhandel


 

Gebietsmonopol und Alleinauslieferungsrecht: 78 Grossisten sind für die flächendeckende Versor­gung mit Presse zuständig, Deutschland ist in 95 Auslieferungsgebiete unterteilt.[45] In 93 Gebieten haben die Grossisten ein Gebietsmonopol, sie beliefern damit als einziger Lieferant alle Einzel­händler des betreffenden Gebiets mit dem gesamten Pressespektrum von rund 4000 Titeln - mit  zwei Ausnahmen: West-Berlin und Hamburg. In diesen beiden Städten beliefern  jeweils zwei Grossisten alle Einzelhändler im Vertriebsgebiet, aus diesem Grund herrscht hier strikte Objekt­trennung - es gibt also auch hier keine Doppelbelieferungen. Man nennt diese Städte auch Wett­bewerbsgebiete, denn für den Verlag besteht dort die Möglichkeit, den Grossisten zu wechseln, wenn er mit der Vertriebsleistung eines Grossisten nicht zufrieden ist.

 

Vertriebsneutralität, Kontrahierungszwang und Alleinauslieferungsrecht bilden eine Einheit und sind wesentliche Voraussetzung für Pressefreiheit und -vielfalt. Der Grossist hat ein Nachfragemo­nopol gegenüber den Verlagen und ein Angebotsmonopol gegenüber den Einzelhändlern. Aus die­sem Grund besteht für das Grosso ein Kontrahierungszwang gegenüber den Verlagen (bis auf Ber­lin und Hamburg haben sie ja keine Wahlmöglichkeit) einerseits und gegenüber den Einzelhändlern andererseits. Die Einzelhändler wiederum haben einen Abnahmezwang für alle Titel, die für sie verkäuflich sind und die ihnen der Grossist liefert[46] s. Dispositionsrecht. Bezüglich der Neutralitätspflicht der Grossisten bedeutet das, dass auch Klein- und Kleinstverlage Zutritt zum Markt haben, auch dann, wenn die Aufnahme in das Sortiment aus betriebswirtschaftlicher Sicht für das Grosso nicht sinnvoll erscheint. Man spricht in diesem Zusammenhang von Quersubventionierungen. Die Neutralitätspflicht beinhaltet auch, dass unmittelbar vergleichbare Konkurrenztitel vom Grosso auch die gleiche Leistung erhalten müssen, zum Beispiel in Bezug auf Verteilerbreiten und Verteilermengen im Einzelhandel. Diese Leistungsmaßstäbe sind im deutschsprachigen Raum nicht Usus. So argumentiert der Schweizer Presse-Grossist Valora - die Schweiz ist ebenfalls ein Monopolgebiet -, nur solche Pressetitel in den Vertrieb aufnehmen zu können, die aus Unternehmenssicht auch eine reelle Verkaufschance haben.[47] In Österreich gibt es noch immer eine Wahlmöglichkeit bei den Grossisten, allerdings hat sich die Situation durch die Fusion der Vertriebsfirmen Morawa und Mediaprint verändert. Da der Pressegroßvertrieb Salzburg[48] bis auf eine Ausnahme nur Buntware, also Zeitschriften, ausliefert, gibt es im Bereich der Tageszeitungen bereits ein Monopol. Generell ist aber festzustellen, dass sich die Pressegroßhändler in Österreich stark an den deutschen Qualitätsmaßstäben und Leistungsnormen orientieren.

 

3.2.6. Der Pressegroßhandel als natürliches Monopol


 

In der Volkswirtschaftslehre geht man davon aus, dass Monopole sich dann von selbst herausbilden, „wenn eine einzige Unternehmung allein für den gesamten Markt billiger als alle Konkurrenten produzieren kann“.[49] Auch die Grossisten in den Monopolgebieten können ihre Dienstleistung aufgrund fallender Durchschnittskosten günstiger erstellen, als wenn mehrere Anbieter im gleichen Gebiet agieren würden. Sowohl im Bereich der fixen Kosten, wie Personal, EDV und Verwaltung, als auch in dem der variablen Kosten wie Transport und Logistik - nur ein Fahrzeug ist zum jeweiligen Einzelhändler unterwegs -, erscheint dies sinnvoll. Im Gegensatz zu anderen natürlichen Monopolen wie der Stromversorgung  oder der Post- und Telekommunikation, die früher unter staatlichem Einfluss agier­ten, ist das Presse-Grosso in kleine Gebiete unterteilt, in denen mehrheitlich inhabergeführte mittelständische Unternehmen agieren. Das...

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