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Der Peloponnesische Krieg

Vollständige Ausgabe

AutorThukydides
Verlagmarixverlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl638 Seiten
ISBN9783843801911
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Die Geschichte des Peloponnesischen Krieges sollte nicht nur die tatsächlichen Ereignisse schildern, sondern auch die anthropologischen Fundamente dieser Auseinandersetzung freilegen. Zur Klärung der Vorgeschichte und der Ursachen des Krieges blickte Thukydides weit in die altgriechische Geschichte zurück, um daran die chronologische Darstellung des Krieges bis zum Jahr 411 v. Chr. anzuschließen. Die sachliche Schilderung basiert auf Namen, Zahlen und ihrer chronologischen Anordnung. Thukydides zog auch archäologische Funde, Urkunden u.a. Quellen mit heran. Erstmals zeigte sich ein Geschichtsschreiber um Objektivität und Faktengenauigkeit bemüht, während er unbelegbare Traditionen, Legenden und Mythen aus seiner Erzählung ausklammerte.

Thukydides wurde um 460 v. Chr. in Athen geboren und lernte Rhetorik und Philosophie. Er war vertraut mit dem Werk Herodots, dessen Vorlesungen er selbst beiwohnte. Später war er im attischen Militär als General tätig und nahm 424 v. Chr. als Flottenkommandant am Peloponnesischen Krieg (431-404) teil. Da er dabei den Fall der Stadt Amphipolis an den spartanischen Feind nicht verhindern konnte, wurde er für 20 Jahre aus Athen verbannt. Sein Exil verbrachte er in Thrakien, wo er den Verlauf des Krieges genau beobachtete und analysierte. Auf diese Weise schuf Thukydides sein umfangreiches Geschichtswerk. Nach Ende des Peloponnesischen Krieges (404 v. Chr.) kehrte Thukydides vermutlich nach Athen zurück, wo er um 400 v. Chr. verstarb. Im Gegensatz zu Herodot, der heute als Vater der Geschichtsschreibung gilt, kann Thukydides als Begründer der politischen Geschichtsschreibung und als Geschichtsphilosoph betrachtet werden. Denn der Gang der Ereignisse erscheint bei ihm nun nicht mehr dem Willen der Götter untergeordnet, sondern als ein Produkt menschlichen Handelns. Mit seiner Unterscheidung zwischen augenscheinlichen Anlässen und tiefer liegenden Ursachen historischer Ereignisse lieferte Thukydides überdies ein bis heute beachtetes methodisches Grundprinzip der systematischwissenschaftlichen Geschichtsschreibung.

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Leseprobe

Seinen festen Wohnsitz während der Verbannung soll, nach der biographischen Tradition, Thukydides auf dem thrakischen Besitztum gehabt haben; das ist wohl nur ein Wahrscheinlichkeitsschluss, aber in der Tat der nächstliegende. Seine umfassenden Erkundigungen, von denen das ganze Werk zeugt, nötigen jedoch auch zu der Annahme, dass er in dieser Zeit ausgedehnte Reisen unternahm, darunter wohl auch eine nach Sizilien.

Das Kriegsende, auf welches zwei Stellen seines Werkes eindeutig (II, 65 u. V, 26) und eine Reihe von weiteren Stellen sehr wahrscheinlich Bezug nehmen, dürfte er um mindestens einige Jahre überlebt haben, da er wichtige Partien seines Werkes, wenn nicht überhaupt erst die eigentliche Niederschrift nach 404 verfasst hat. Ob er nach seiner Rückberufung aus der Verbannung seinen Wohnsitz wieder nach Athen verlegte und wann er starb, ist unbekannt; man vermutet, dass es um die Jahrhundertwende war, da Anspielungen auf Ereignisse der Folgezeit fehlen. Der Tod scheint überraschend eingetreten zu sein, da die Darstellung nur bis in das Jahr 411 hineinreicht – also nur zu etwa drei Vierteln fertiggestellt war – und mitten in einem Satz abbricht. Die Fortsetzung, die sein jüngerer Zeitgenosse Xenophon verfasste, schließt unmittelbar an diese Abbruchstelle an; das Werk war also der ersten Generation nach Thukydides in genau dem gleichen Umfang erhalten wie uns.

Als Gegenstand seiner Darstellung bezeichnet Thukydides »den Krieg der Peloponnesier und Athener«, und an dieses Thema hat er sich, mit nur wenigen Abschweifungen, streng gehalten, es allerdings ausgeschöpft in der ganzen Tiefe der Entstehungsgeschichte und Breite aller Erscheinungen. Stofflich gesehen, tritt er damit in die Nachfolge des Heldenepos; Kampf und Krieg waren der volkstümlichste, sozusagen natürliche Interessengegenstand der altgriechischen Menschheit von Urzeiten her, und die für modernes Gefühl gelegentlich die Grenzen des Unwichtigen streifende Ausführlichkeit des Thukydides im kriegsgeschichtlichen Detail erklärt sich aus dieser Tradition. Aber wie schon für den Iliasdichter dieser Stoff der Untergrund ist, auf dem er das Abbild einer Welt sichtbar macht, so will auch zweifellos Thukydides in der engen und absichtlichen Ausschließlichkeit seiner Thematik ein »Weltbild« gestalten, das neue, von ihm entdeckte Bild der Menschheit, die Welt des Politischen. Visionär gefasst wurde diese Konzeption wohl ursprünglich und vor allem im Widerspruch zu der Herodots und beruht also ganz auf dessen Vorgang, wie indirekt auch auf dem des Hekataios. Geschichtliche Aufgaben waren von diesen Vorgängern der Reihe nach gelöst worden: Entmythisierung, Länder- und Völkerkunde, Rekonstruktion der Vergangenheit aus ihrer eigenen Darstellung und im wesentlichen im Geiste ihrer eigenen Sinndeutung, deren Erledigung die Möglichkeit der Entdeckung neuer freigab: Gegenwartsgeschichte, Analyse der geschichtlich wirksamen Kräfte und Typologie ihrer Gesetzlichkeit als Lehre für die Zukunft. So leicht es für uns ist, diese Schrittfolge als eine natürliche nachzuzeichnen, so außerordentlich hoch haben wir für jeden dieser Schritte die Originalität zu veranschlagen, schon bei Hekataios und Herodot, aber in noch stärkerem Grade gilt dies für Thukydides, dessen Darstellung, soweit sie nicht nur Erzählung, sondern Deutung ist, Gesetzlichkeiten vorausnimmt, die, in seiner eigenen Zeit wohl nur den Wenigsten ahnungsweise und unsystematisch wahrnehmbar, erst in der Neuzeit, ja vielleicht überhaupt erst in unseren Tagen, in der gleichen beherrschenden Deutlichkeit an die Oberfläche der Geschichte treten und die Berechtigung seines Ansatzes bestätigen.

Hierin: in der Entdeckung des Politischen als eines isolierbaren Phänomens in der Fülle der geschichtlichen Erscheinungen und damit – wie Thukydides glaubt – des Systems ihrer eigentlichen Antriebe, liegt die entscheidende Leistung des Thukydides für die Geschichtswissenschaft, nicht so sehr in seinen Errungenschaften für die Methodik der Nachrichtenbehandlung und damit eine wissenschaftlich einwandfreie Ermittlung der tatsächlichen Hergänge, welche oft überschätzt und einseitig hervorgekehrt worden sind. Denn weder war Herodots historische Technik »vorwissenschaftlich« oder gar »unkritisch« noch hat Thukydides in den berühmten Worten über seine eigenen methodischen Grundsätze (I, 22) irgendeine Richtlinie aufgestellt, die nicht Herodot im Prinzip bereits befolgt hätte. Da an keiner Einzelstelle Thukydides uns durch Quellenangaben die Nachprüfung seiner Arbeitsweise erlaubt, sind wir, um unparteiisch zu bleiben, lediglich zu dem allgemeinen Schluss berechtigt, dass seine politische Sehweise ihm den Instinkt für die Qualität von Nachrichten und ihre richtige Einordnung in Zusammenhänge so geschärft haben dürfte, dass er in der Ermittlung des faktisch Richtigen Herodot gewiss übertraf – jeder fühlt das beim Vergleich ihrer Darstellungen –, doch ist dieser Unterschied jedenfalls nur ein gradueller, und der von Natur viel schwierigere Kampf, den Herodot mit der Nachrichtenbeschaffung aus ferner und fernster Vergangenheit kämpfte, muss gebührend in Rechnung gesetzt werden.

Hingegen ist die erste Darstellung eines geschichtlichen Ablaufs in rein politischer Sinngebung eine Tat, die nicht nur nachweislich für die Historiographie aller Zeiten und höchstwahrscheinlich für die politische Bewusstwerdung der Menschheit überhaupt weitesttragende Folgen gehabt hat, sondern in ihrer Zeit einsam und von unbegreiflicher Selbstständigkeit gewesen ist. Gewiss lassen sich bedeutende Umwelterscheinungen benennen, die sie angeregt und begünstigt haben: vor allem die von der ionischen Naturphilosophie abstammende religiöse Aufklärung, die gerade in den Jugendjahren des Thukydides durch die Wirksamkeit des Anaxagoras in Athen die gebildete Oberschicht lebhaft bewegte, und die Lehre der Sophisten, deren Erziehung zur praktischen Lebenstüchtigkeit durch alle Formen geistiger Schulung in ganz Hellas breiteste Resonanz hatte. Die Wirkung der Sophistik auf Thukydides ist nicht nur äußerlich greifbar in der Dialektik und sprachlichen Figuration seiner Reden und einigen seiner geschichtsphilosophischen Prämissen, wie der von der Naturgesetzlichkeit der Herrschaft des Stärkeren über den Schwächeren (I, 76; V, 105), sondern auch in der kühnen Gesamtkonzeption, dass die Vergegenwärtigung der Geschichte ihren Sinn aus ihrem Nutzwert empfange, politische Lehre für die Zukunft zu sein (I, 22). Und wie wäre ohne die Aufklärungsbewegung der das griechische Geschichtsdenken revolutionierende Leitgedanke vorstellbar, dass der Gang der Geschichte bestimmt werde von den unwandelbaren Grundzügen der Menschennatur (I, 22; III, 82), nicht, wie Herodot es noch gelehrt hatte, durch das Wesen und den Ratschluss der Götter! Auch wurde ja Thukydides nicht nur selbst von den Ausstrahlungen dieser geistigen Bewegungen berührt, sondern mehr oder weniger ebenso die ganze, zahlenmäßig gewiss kleine Gesellschaftsschicht, innerhalb derer vor allem er sein historisches Nachrichtenmaterial sammelte; die starke wirtschaftliche Belebung und Prosperität Griechenlands nach den Perserkriegen tat das Ihrige, mit dem Geist des Materialismus den nüchternen Realitätssinn auf allen Lebensgebieten zu befördern. Wie also Herodot aus seinem Stoff: der Vergangenheitsgeschichte, ständig den Einfluss des alten Zeitgeistes empfing, so Thukydides aus dem seinigen den des neuen. Kurz, das allgemeine Fluidum war seinem Unternehmen günstig. Dennoch wäre nichts falscher, als sich das thukydideische Werk als eine Art Kollektivleistung des griechischen Geistes vorzustellen, so als hätten »die Griechen« seiner Zeit ihr Staatsleben und ihre Geschichte so gesehen wie er, und sein Anteil sei nur gewesen, dem vollkommenen Ausdruck zu geben. Alles, was uns von griechischer Philosophie und Sophistik, Historiographie und Beredsamkeit, vor ihm, gleichzeitig mit ihm, ja sogar auch nach ihm noch, hinterlassen ist, ist, was die Behandlung des Geschichtlichen und Politischen angeht, so weit überwiegend andersartig in der allgemeinen geistigen Haltung, in der speziellen Thematik, wie auch vielfach im Niveau, dass man sagen muss: wiewohl erkennbar ein Kind seiner Zeit, fällt er doch gänzlich aus ihr heraus, ja in dem, was sein Werk unsterblich macht: der Eigenart seiner geschichtsphilosophischen Lehre, aus der Antike überhaupt. Gerade in der eigenen Zunft, bei den antiken Historikern, hat er keinen einzigen echten Gesprächspartner mehr gefunden. Er wurde fortgesetzt und nachgeahmt – die Art seines Berichtes, die Präponderanz des Politischen und Militärischen als scheinbarer Hauptinhalt der Geschichte, macht von daher Schule bis zum heutigen Tage –, aber damit nicht verstanden in seinem eigentlichen Anliegen: die treibenden Kräfte im geschichtlichen Leben der Völker und die Gesetzlichkeit ihres Mit- und Gegeneinanderwirkens aufzudecken (vgl. weiter unten).

Der Kern dieser seiner Lehre ist einfach und leicht in wenige Sätze zu fassen. Als das Wesen der Geschichte und ihren nahezu erschöpfenden Inhalt sieht er den Kampf um die Macht, im Kleinen der Individuen und Interessengruppen, im Großen der Staaten. In Bewegung gesetzt und gehalten wird dieser Kampf durch zwei...

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