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Der Verfassungsbruch.

Verbotene Extra-Diäten - Gefräßige Fraktionen.

AutorHans Herbert von Arnim
VerlagDuncker & Humblot GmbH
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl155 Seiten
ISBN9783428536061
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,90 EUR
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit zahlen Parlamentsfraktionen seit Jahren verfassungswidrige Zulagen in Millionenhöhe an eine Vielzahl von Abgeordneten in Bund und Ländern. Erlaubt sind Zusatzgehälter nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für Parlamentspräsidenten, Vizepräsidenten und Fraktionsvorsitzende. Doch die Verfassungsgrenze wird fast überall hemmungslos überschritten. Der Bundestag wollte einmal vorbildlich transparent sein. Durch die Kuppel des Reichstages sollte der Bürger nicht nur einen Blick mitten unter die Abgeordneten werfen können. Auch deren Finanzierung sollte durchsichtig sein. Doch hinsichtlich der Zusatzgehälter von Fraktionsfunktionären ist das Gegenteil der Fall. Selbst auf Anfrage der Medien geben gerade die größten Sünder keine Auskunft, obwohl es um Steuergeld geht. Demokratische Transparenz sieht anders aus. Der doppelte Verfassungsbruch (Verstoß gegen das Transparenzgebot und das grundsätzliche Zulagenverbot) geschieht nicht nur da und dort, sondern in fast allen deutschen Parlamenten, also den höchsten demokratischen Organen unseres Landes. Den Fraktionen fällt es leicht, an der Verfassung vorbei, viele lukrative Posten für ihre Funktionäre zu schaffen, weil sie sich selbst unmittelbar aus der Staatskasse üppig und mit gewaltigen Wachstumsraten versorgen, dies gezielt vor der Öffentlichkeit verbergen und wirksame Kontrollen weit gehend ausschalten. Das Zulagenunwesen ist die Folge einer Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle.

Hans Herbert von Arnim ist Jurist und Volkswirt. Nach der arbeitsrechtlichen Promotion in Heidelberg leitete er zehn Jahre lang das Forschungsinstitut des Bundes der Steuerzahler in Wiesbaden. Er habilitierte sich in Regensburg für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht, lehrte in Marburg und folgte 1981 dem Ruf der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften nach Speyer, wo er auch über seine Pensionierung hinaus lehrt und forscht. Von 1993-1995 war er Rektor der Hochschule. Sein Thema sind Grundfragen von Staat und Gesellschaft, was direkte Einmischung in die Politik aber nicht ausschließt.

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Leseprobe
E. Zum Jagen tragen: Die Rechnungshöfe (S. 98-99)

I. Prüfungs- und Verö?entlichungsp?icht


Die Fraktionen ?nanzieren sich fast ausschließlich aus ö?entlichen Mitteln. Sie bewilligen sich ihr Geld in eigener Sache unmittelbar aus dem Staatshaushalt. In derartigen Fällen ist die Kontrolle durch Ö?entlichkeit und Rechnungshöfe dringend geboten.

Gleichwohl entziehen sich die Fraktionen beinahe überall der ö?entlichen Kontrolle. Eine Gesetzesänderung mit der entsprechenden Ö?entlichkeitswirkung, wie sie bei Erhöhungen der Parteien?nanzierung (siehe § 18 Parteiengesetz) und der Diäten (siehe die Abgeordnetengesetze) von Verfassungs wegen zu erfolgen hat, geschieht im Bund und in den meisten Ländern bei Aufstockung der Fraktionsmittel bisher nicht.

Obwohl die Fraktionen Teile des Parlaments und damit der organisierten Staatlichkeit sind, bewilligen sie sich ihre Mittel in Form einer Globalsumme ohne die ansonsten für ö?entliche Mittel geforderte Spezi?kation nach Ausgabenzwecken. Die Globalsumme wird lediglich in den Haushaltsplan eingesetzt und geht dort in den tausenden anderen Titeln unter. Wieviel davon in die Funktionszulagen ?ießt, bleibt unbekannt. Auch die nachträgliche Rechnungslegung ist gerade hinsichtlich der Funktionszulagen nicht ausreichend spezi?ziert und nennt in der Regel nur die Gesamtsumme.

Welche Gruppen von Funktionsträgern wie hohe Zahlungen erhalten haben, bleibt auch nachträglich verborgen. Das ist wegen unzureichender Transparenz bei der Bewilligung der Mittel und bei der nachträglichen Rechenschaftslegung bereits verfassungswidrig. Es ist auch politisch hoch problematisch, schließlich geht es um die Verwendung von Steuergeld (siehe S. 49 ?.). Die Entschärfung der gerade bei Entscheidungen in eigener Sache so wichtigen Ö?entlichkeitskontrolle verlangt erst recht eine umso intensivere Finanzkontrolle durch die Rechnungshöfe. Mit dem Bundesverfassungsgericht ist deshalb darauf zu bestehen, dass die Rechnungshöfe die Fraktions?nanzierung regelmäßig prüfen und ihre Ergebnisse verö?entlichen müssen.

So hat das Gericht 1989 betont, der Bundesrechnungshof sei „verp?ichtet, die ordnungsgemäße Verwendung der Fraktionszuschüsse ... regelmäßig nachzuprüfen, Verstöße ... aufzudecken und zu beanstanden, gegebenenfalls Abhilfevorschläge zu unterbreiten und Beanstandungen in den jährlichen Prüfungsbericht aufzunehmen (Art. 114 Abs. 2 Der verfassungsrechtliche Prüfungsauftrag des Bundesrechnungshofs umfasst die Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwendung von Fraktionszuschüssen in gleicher Weise und nach den gleichen verfassungsrechtlichen und haushaltsrechtlichen Maßstäben wie bei anderen Etatmitteln auch.“

Prüfungsmaßstab ist – neben Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit – die Rechtmäßigkeit. Selbst der vom Bayerischen Landtag beauftragte Gutachter, Hans-Jürgen Papier, hält eine intensive, ö?entlichkeitswirksame Kontrolle der Fraktions?nanzierung durch die Rechnungshöfe von Verfassungs wegen für dringend geboten. Wörtlich führt Papier aus.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Vorwort6
Inhalt8
A. Einleitung12
1. Verfassungsbruch: Folge unkontrollierter Fraktionsfinanzierung12
2. Landtagspräsident Rheinland-Pfalz versus Südwestrundfunk12
B. Transparenz, Kontrollen, Grenzen15
I. Die Herausforderung: Missbräuchliche Selbst-Bewilligung15
1. Entscheidung der Politik in eigener Sache15
a) Überblick15
b) Rechtsprechung und herrschende Lehre16
c) Widerspruch parteigeneigter Wissenschaftler17
aa) Hans Hugo Klein und Walter Schmitt Glaeser17
bb) Gerhard Leibholz20
2. Politische Kartelle: Schwächung der Oppositions- und Wählerkontrolle21
II. Die Antwort des Rechts: Verschärfte Kontrollen21
1. Intensive Gerichtskontrolle und öffentliche Gesetzgebung22
2. Deckelung der „Staatsknete“24
C. Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle26
I. Die Lage26
1. Gemeinsame Selbst-Bewilligung der „Demokraten“26
2. Verstecken im Haushaltsplan27
3. Auswirkungen: Unersättliche Fraktionen28
a) Sprunghafte Steigerungen28
b) Fraktionsfinanzierung auf der Überholspur29
c) Ausbau des Fraktionsestablishments30
II. Die Bewertung30
1. Politisch unerträglich und verfassungswidrig30
a) Geheimverfahren30
b) Ohne spezialgesetzliche Regelung: verfassungswidrig32
c) Geneigte Veröffentlichungen33
aa) Auf dem Sprung nach Karlsruhe: Hans-Jürgen Papier34
bb) Wie unabhängig sind Parlamentsbedienstete? Sven Hölscheidt35
cc) Argumentationshilfe vom Nachwuchs: Georg Christoph Schneider36
2. Noch geheimer: Erhöhung im Blitzverfahren37
3. Wie man Berichtspflichten umgeht37
a) Bundestag: Gezielte Verwirrung38
b) Thüringer Landtag: Raffinierte Täuschung38
c) Saarland: Verstecken von Teilen der Erhöhung40
4. Geldfluss ohne Bremse: Wo bleibt die Obergrenze?40
5. Missbrauch von Fraktionsgeldern41
a) Grundsätze41
b) Thüringen45
c) Bayern45
d) Saarland46
6. Einladung zur Illegalität47
7. Wissenschaft: Vernachlässigte Fraktionen48
D. Extra-Diäten für Fraktionsfunktionäre50
I. Intransparenz pur50
1. Leichthändige Bewilligung und mangelnde Kontrolle von Funktionszulagen50
2. Veranschlagung in Haushaltsplan und Haushaltsrechnung? Fehlanzeige51
3. Mangelnde Transparenz in Bund und Ländern53
a) Schleswig-Holstein53
b) Sachsen53
c) Niedersachsen54
d) Übliche Regelung im Bund und in den Flächenländern55
e) Intransparenz total55
4. Resümee: Streng geheim und verfassungswidrig55
II. Im Schutze der Verborgenheit: Missachtung auch des materiellen Zulagenverbots57
1. Der Grundsatz: Verbot von Zulagen58
a) Gleichheit und Freiheit58
b) Wirkungen von Funktionszulagen60
aa) Verschärfung der Abhängigkeit durch Quasi-Einkommenslaufbahnen60
bb) Gefahr grenzenloser Aufblähung61
cc) Abdrängung der Zulagen in den parlamentarischen Untergrund62
dd) Ersatz für allgemeine Diätenerhöhungen62
ee) Gefahr der Verbeamtung von Abgeordneten63
c) Konkretisierung des Grundsatzes im Interesse der Rechtssicherheit63
d) Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Grundsätzliches Verbot von Funktionszulagen64
2. Ausnahmebereiche65
a) Stadtstaaten: Die Bürgerschaften von Hamburg und Bremen sowie das Abgeordnetenhaus von Berlin65
b) Bloße Kostenerstattung66
c) Ausnahmen für Parlamentarische Geschäftsführer?67
3. Anwendungsbereiche68
a) Vollzeit-Landtage mit Vollalimentation68
aa) Bindung der Länder gemäß §\'31 Abs.\,1 {NoBreak [BVerfGG]}68
bb) Geltung des grundsätzlichen Verbots von Zulagen über Art.\,28 Abs.\,1 GG70
cc) Verfassungsorgantreue72
b) Bundestag73
c) Verfassungspolitik74
d) Erst-recht-Geltung für Fraktionszulagen75
e) Verfassungskonforme Auslegung der Rechnungslegungsvorschriften77
4. Wes Brot ich ess’: Die Rolle des abhängigen Sachverstandes77
III. Bund und Länder im Einzelnen81
1. Bund81
a) Bezahlung von Fraktionsvorsitzenden: Abgedunkelt81
b) Geheimsache auch im Übrigen82
2. Baden-Württemberg83
3. Bayern84
4. Brandenburg85
5. Hessen86
6. Mecklenburg-Vorpommern86
7. Niedersachsen87
8. Nordrhein-Westfalen88
9. Rheinland-Pfalz89
10. Saarland90
11. Sachsen91
12. Sachsen-Anhalt91
13. Schleswig-Holstein92
14. Thüringen93
IV. Sonderprobleme93
1. Doppelalimentation93
2. Herausgabe der verfassungswidrigen Beute94
3. Auskunftsansprüche gegen Fraktionen94
4. Klage benachteiligter Abgeordneter97
5. Strafbare Untreue97
E. Zum Jagen tragen: Die Rechnungshöfe99
I. Prüfungs- und Veröffentlichungspflicht99
II. Beispiele für gesetzgeberische Entschärfung der Kontrolle101
1. Thüringen101
2. Sachsen102
3. Nordrhein-Westfalen103
4. Mecklenburg-Vorpommern104
III. Amtswidrige Kontrollscheu von Rechnungshöfen105
F. Zusammenfassung107
Ein persönliches Nachwort111
Literaturverzeichnis144
Personenregister149
Sachregister152

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