Die deutschen Warenimporte und -exporte wiesen zwischen 1991 und 2010 im Kontext der voranschreitenden weltweiten Wirtschaftsverflechtungen eine äußerst expansive Entwicklung auf. Der Wert der Einfuhren stieg von 329 Mrd. auf 797 Mrd. Euro, was mehr als einer Verdopplung bzw. einer jahresdurchschnittlichen Wachstumsrate von 4,8% entspricht (vgl. Abbildung 1). Gleichzeitig verdreifachten sich die Ausfuhren von 340 Mrd. auf 952 Mrd. Euro und erreichten damit eine durchschnittliche Wachstumsrate von 5,6%. Die Entwicklung des Außenhandels pro Einwohner fiel dabei mit durchschnittlichen Wachstumsraten von 4,7% bei den Einfuhren und 5,5% bei den Ausfuhren nur geringfügig schwächer aus. Insgesamt wuchs der deutsche Außenhandel deutlich schneller als das deutsche Bruttoinlandsprodukt.[16] Schneller stiegen jedoch die weltweiten Exporte, welche sich mehr als vervierfachten und damit eine durchschnittliche Wachstumsrate von 8,0% erreichten.
Abbildung 1: Entwicklung des deutschen Außenhandels, 1991 bis 2010, jeweilige Preise in Mrd. Euro
(Quellen: Statistisches Bundesamt; Eigene Berechnungen)
Die deutschen Exporte stiegen mit Ausnahme der Jahre 1993 und 2009 in jedem einzelnen Jahr des betrachteten Zeitraums. Der Rückgang im Jahr 1993 war zum einen durch binnenwirtschaftliche Ursachen[17] sowie durch die Krise des europäischen Währungssystems (EWS)[18] bedingt, die 1992 und 1993 zu erheblichen Turbulenzen im europäischen Wirtschaftsgefüge führte. Zum anderen verstärkte paradoxerweise das Inkrafttreten des Europäischen Binnenmarktes[19] am 1. Januar 1993 den statistischen Einbruch.[20] Mit dem Wegfall der Zollerklärungen, die zuvor die Basis der Außenhandelsstatistik gebildet hatten, konnte der für die Bundesrepublik wichtige Handel mit den EU-Staaten[21] nur noch über Meldungen der Unternehmen erfasst werden.[22] Die damit verbundenen Erhebungslücken verursachten mit hoher Wahrscheinlichkeit einen nicht unerheblichen Teil des statistischen Außenhandelsrückgangs des Jahres 1993.[23] Zwischen 2001 und 2003 kam es im Kontext der von den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) ausgehenden weltweiten Rezession[24] erneut zu einer Schwächephase des deutschen Außenhandels. Anschließend wuchsen die deutschen Importe und Exporte dann wieder mit höheren Raten, bevor der Außenhandel im Jahr 2009 im Zuge der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise den stärksten Einbruch (Ausfuhr: -18,4%; Einfuhr: -17,5%) seit dem Ende des zweiten Weltkriegs erlebte.[25] Nach einer raschen Erholung (Ausfuhr: +18,5%; Einfuhr: +19,9%) wurde jedoch bereits im darauffolgenden Jahr annähernd wieder das Vorkrisenniveau erreicht.
Beachtlich ist der Anstieg des Außenhandelsüberschusses um das Vierzehnfache, von 11,2 Mrd. Euro im Jahr 1991 auf 154,9 Mrd. Euro im Jahr 2010. Insbesondere ab der Jahrtausendwende kann in diesem Zusammenhang von dem Entstehen eines außenwirtschaftlichen Ungleichgewichts gesprochen werden. Allein zwischen den Jahren 2000 und 2007 verdreifachte sich der deutsche Überschuss von 59 Mrd. Euro auf 195,3 Mrd. Euro. Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 hatte allerdings eine starke Reduktion des Außenhandelssaldos zur Folge, welcher im Jahr 2010 mit 154 Mrd. Euro weit unter dem Höchststand von 2007 lag. Bei der Interpretation der expansiven Entwicklung des Außenhandelsüberschusses ist zu berücksichtigen, dass dieser unter anderem in Folge der Wiedervereinigung zwischen 1990 und 1991 um 80% nachgegeben hatte und sich vorrübergehend auf einem relativ niedrigen Stand befand. Dies erklärt teilweise den starken prozentualen Anstieg der Folgejahre[26].
Des Weiteren muss auf die Rolle der zunehmenden Internationalisierung von Produktionsprozessen verwiesen werden. Die Außenhandelsstatistik wird nach dem Bruttoprinzip erstellt. Das heißt, alle Warenströme werden bei Grenzübertritt in voller Höhe erfasst.[27] Wird beispielsweise eine Ware von Deutschland zur Weiterbearbeitung (Veredelung) ins Ausland versendet, so registriert die Außenhandelsstatistik dies zunächst als Ausfuhr.[28] Wird die veredelte Ware dann anschließend wieder eingeführt, so erfolgt entsprechend eine Registrierung als Einfuhr in Höhe des gesamten Einfuhrwerts. Verursachungsgerecht wäre die Registrierung des gesamten Vorgangs als eine Einfuhr in Höhe der Differenz des Ausfuhrwertes vor Veredelung und Einfuhrwertes nach Veredelung. Da die Bedeutung solcher grenzüberschreitender Produktionsprozesse im Zuge der Globalisierung deutlich zugenommen hat, kommt es in der Folge zu einer „Aufblähung“ der Außenhandelsstatistik, die die Vergleichbarkeit der Ergebnisse im Zeitverlauf beeinträchtigt.[29]
Die Entwicklung der nominalen, das heißt tatsächlichen Ausfuhr- bzw. Einfuhrwerte wird sowohl von Mengenänderungen, als auch von Preisschwankungen beeinflusst. Folglich vermittelt sie für sich betrachtet noch keine nützlichen Erkenntnisse über die eigentliche Bewegung der ein- und ausgeführten Mengen einerseits und der Durchschnittswerte (Preise) andererseits.[30] Da die Kenntnis dieser beiden Entwicklungen allerdings von einiger Bedeutung für die Beurteilung der Entwicklung des Außenhandels ist,[31] folgt an dieser Stelle eine separate Betrachtung der Mengen- und Preisentwicklung im Außenhandel. Im einfachsten Fall könnte eine solche Untersuchung anhand der im Außenhandel bewegten Massen (in Tonnen) erfolgen.[32] Allerdings wäre eine Summierung aufgrund der Inhomogenität der gehandelten Waren nicht sinnvoll, da Güter mit einem hohen Stückgewicht das Gesamtergebnis dadurch entscheidend beeinflussen können, dass sie die Mengenbewegungen höherwertiger, aber leichterer Gütergruppen überdecken.[33] Dies wäre beispielsweise bei Blei und Kaviar der Fall. Aus diesem Grund berechnet das Statistische Bundesamt in regelmäßigen Abständen Volumen- und Preisindizes.[34]
Der Volumenindex (nach Laspeyres) stellt das Ein- bzw. Ausfuhrvolumen in Preisen eines Basisjahres dar. Er spiegelt folglich die von Durchschnittswertveränderungen (Preisveränderungen) bereinigte Außenhandelsentwicklung wider:[35]
Da die Zusammensetzung des Warenkorbes kontinuierlich Änderungen unterworfen ist, welche die Vergleichbarkeit der Ergebnisse beeinflussen, wird das Basisjahr seit 1995 vom Statistischen Bundesamt in Fünfjahresschritten aktualisiert.
Der Durchschnittswertindex (nach Paasche) stellt die Entwicklung der Einfuhr- und Ausfuhrdurchschnittswerte dar, welche mit den Mengen des aktuellen Berichtszeitraums gewichtet werden:[36]
Der Durchschnittswertindex ist dabei kein „echter“ Preisindex, da seine Aussage nicht nur durch die in den Durchschnittswerten enthaltenen (Einzel-)Preise, sondern auch durch Struktur und Qualität der Waren beeinflusst wird.[37] Im Gegensatz dazu spiegeln die im Rahmen der Preisstatistik vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Preisindizes tatsächliche Preisveränderungen wider.[38] Da jedoch nach einer Untersuchung von Silke Gehle vom Statistischen Bundesamt der Durchschnittswertindex in der Regel nur etwa 3% vom Außenhandelspreisindex abweicht[39], kann er als verlässliches Maß der Außenhandelspreisentwicklung herangezogen werden.
Im Zeitraum von 1991 bis 1999 nahm der Nominalwert bei den Warenexporten insgesamt um 49,8% und bei den Warenimporten um 35,1% zu. Die Untersuchung der Außenhandelsindizes zeigt, dass diese Expansion des Außenhandels primär auf einem kräftigen Anstieg der gehandelten Warenmenge beruhte, während die Wertkomponente (Außenhandelspreise) sogar rückläufig war. So stieg der Index des Volumens insgesamt bei den Exporten um 57,4% und bei den Importen um 41,5% an. Dabei war 1993 das einzige Jahr, in dem der Index des Volumens bei Exporten und Importen sank (3,9% bzw. 7,1%).
Der Index der Durchschnittswerte verringerte sich von 1991 bis 1999 bei den Exporten insgesamt um 6,1% und bei den Importen um 6,4%. Wie Abbildung 2 zeigt, verlief die Entwicklung des Index der Durchschnittswerte besonders bei den Importen ungleichmäßig. Zunächst kam es von 1991 bis 1994 zu einer deutlichen Abnahme des Index von 100 auf 91,3 Punkte. Auf diese folgte eine Steigerung in den Jahren 1995 und 1997. Bis 1999 war der Index erneut leicht rückläufig. Bei den Exporten verlief die Entwicklung des Durchschnittspreisindex gleichmäßiger. Dieser fiel mit Ausnahme der Jahre 1997 und 1998 in den...