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Die 'Historia von D. Johann Fausten' zwischen Wissenschaft und Christentum der frühen Neuzeit

AutorDaniel Kellersmann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl107 Seiten
ISBN9783638683470
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Germanistik - Literaturgeschichte, Epochen, Note: 1,0, Universität Osnabrück, 104 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Während der Frühen Neuzeit verhärteten sich die Fronten zwischen Wissenschaft und Christentum. Ein Repräsentant dieser Zeit war der historische Faust. Knapp 40 Jahre nach seinem Tod (ca. 1540) erschien die 'Historia von D. Johann Fausten' (im Folgenden kurz: 'Historia'). In der 'Historia' wird Faust, als wissbegieriger 'Schwarzkünstler' und 'Zauberer' dargestellt, der sich mit dem Teufel verbündet, um '(...) alle Gruend am Himmel vnd Erden [zu] erforschen (...). Anders als beim sehr viel später erscheinenden 'Faust' von Goethe bezahlt der Faust der 'Historia' den Pakt mit dem Teufel schließlich mit der ewigen Verdammnis in der Hölle. In der wissenschaftlichen Diskussion ist man sich nicht einig, weshalb der Faust der 'Historia' eigentlich als negatives Exempel für alle Christen dienen sollte. Die gängige Erklärung (Henning, Mahal, u.a.) besagt, Fausts Drang nach Wissen habe ihn zum Abfall von Gott und in die Arme des Teufels getrieben. Könnecker, Göres und andere betonen aber, das genau dies nicht der Fall wäre. Der Drang nach Erkenntnis spiele, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Im Mittelpunkt stehe die gotteslästerliche Hoffahrt, konzentriert im Verlangen Fausts nach Macht, genauer: der Macht Gottes, auf den Lauf der Dinge mit Hilfe magischer Praktiken Einfluss nehmen zu können. Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist, dass mir keine Arbeit begegnet ist, die sich im Kontext der 'Historia' mit dem Wissen der frühen Neuzeit auseinandersetzt und somit in einem Punkt für Klarheit schaffen würde: Kann die 'Historia' als christliche Warnschrift vor den Wissenschaften verstanden werden? Ist die Figur des Faust letzten Endes als Sinnbild des christlichen Menschen zu verstehen, der sich in den Tiefen wissenschaftlicher Erkenntnis zu verlieren droht? Ziel dieser Arbeit soll deswegen sein, zu untersuchen was die 'Historia' 'im Innersten zusammenhält'. Welchen Einfluss könnten die Entwicklungen innerhalb der Wissenschaft der frühen Neuzeit auf die 'Historia' gehabt haben. Konkret: Gibt es triftige Gründe dafür, die 'Historia' von D. Johann Fausten' als christliche Warnschrift gegen die Wissenschaft an sich zu verstehen?

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Leseprobe

2. Die „Historia von D. Johann Fausten“


 

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die „Historia von D. Johann Fausten“. Im Gegensatz zu Goethes Bearbeitung des „Faust-Themas“, die ca. 200 Jahre später erschienen ist, haben wir es in diesem Fall nicht mit einem „Drama“ im klassischen Sinne zu tun, sondern mit einem „Volksbuch“ (dass diese Gattungsbezeichnung jedoch nicht genau zutrifft, wird noch gezeigt). Die „Historia“ ist zwar nicht die älteste bekannte Bearbeitung dieses Stoffes – es existiert eine Handschrift („Wolfenbüttler Handschrift“), die allem Anschein nach wenige Jahre zuvor entstanden ist – sie gilt aber dennoch als das erste wichtige literarische Zeugnis einer Person namens „Faust“, da es durch seine gedruckte Form massenhafte Verbreitung finden konnte und fand. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Person des Faust im Rahmen der „Historia“ nicht als fiktiv zu verstehen ist. Der unbekannte Verfasser schildert das Leben einer historischen Person, die zum Protagonisten eines weit reichenden Sagenschatzes der Menschen dieser Zeit geworden ist; natürlich nicht ohne ein bestimmtes Ziel dabei zu verfolgen.

 

Der eigentliche Kern dieser Arbeit ist die „Historia“ selbst. Doch bevor auf Inhalt und Wirkung dieses Werkes eingegangen wird, soll ein kurzer historischer Überblick dazu dienen, ein Gefühl dafür zu bekommen, unter welchen Einflüssen die „Historia“ entstanden ist. Da sich Inhalt und Schilderung auf eine Person bezieht, die tatsächlich gelebt haben soll, wird im Anschluss an den literarischen Faust, im Sinne einer Komplettierung des Faustbildes, auch auf den historischen Faust eingegangen.

 

2.1. Die Zeit des historischen und literarischen Faust


 

Die Zeit des historischen Faust und seiner literarischen Rezeption in der „Historia von D. Johann Fausten“ war eine Zeit radikaler Umwälzungen in allen Bereichen der Gesellschaft. Umreißt man den für diese Darstellung erforderlichen Zeitrahmen von der Geburt des historischen Faust (ca. 1480) und der Veröffentlichung der „Historia“ (1587), kommt man ungefähr auf einen Zeitraum von 100 Jahren. Um ein Gefühl für diese Zeit zu entwickeln soll ein kurzer Über­blick über diese Zeit gegeben werden. Da es sich bei dem Folgenden gewisser­maßen um „Allgemeinwissen“ handelt, habe ich i.d.R. auf Quellen­angaben verzichtet.

 

Im Jahre 1492 entdeckte Kolumbus die Neue Welt und legte den Grundstein für die Kolonisierung Amerikas und die Expansion der europäischen Kultur weit über die Grenzen Europas hinaus. Diese historische Leistung wäre zu diesem Zeitpunkt aber wohl nicht möglich gewesen, wäre es nicht zuvor zu einer geistigen Bewegung, wie der Renaissance, gekommen.

 

Die Bewegung der Renaissance griff zurück auf Kunst und Kultur der Antike und verdrängte das mittelalterliche Denken aus vielen Bereichen des gesellschaft­lichen, künstlerischen und wissenschaftlichen Lebens. Einher mit der Renaissance ging der Humanismus. Diese Geistesströmung der frühen Neuzeit setzte sich zum Ziel, die antiken Autoren und deren Schriften, die während des Mittelalters verschollen, oder nur in schlecht übersetzten Fassungen vorhanden waren, „wiederzuentdecken“. Die Neubeschaffung und Neuübersetzung antiker Werke führte wiederum zu neuen und teils revolutionären Ansichten in den Wissenschaften.

 

Kopernikus setzte im Jahre 1453 mit seiner Behauptung, die Erde drehe sich um die Sonne, in Gang, was knapp 200 Jahre später in der Auseinandersetzung zwischen Galilei und der römisch katholischen Kirche vorerst endete: Die weitestgehende Spaltung von Wissenschaft und Christentum.

 

Das Christentum hatte zu dieser Zeit jedoch nicht nur mit den Wissenschaften zu kämpfen. Die einsetzende Reformation trug noch viel bedrohlichere Züge. Luthers Veröffentlichung der 95 Thesen im Jahre 1517 setzte eine Entwicklung in Gang, an dessen Ende die Spaltung der europäischen Christenheit stand. Die Menschen reagierten sehr verunsichert auf diese Entwicklung, bestimmte doch die christliche Lehre maßgeblich das gesellschaftliche Zusammenleben und letztlich auch das Weltbild der Menschen dieser Zeit. Die Abspaltung eines Teils der Christenheit musste maßgebliche Zweifel in den Köpfen der Menschen über die Verlässlichkeit und Richtigkeit der kirchlichen Lehre aufkommen lassen. Die Reformation bewirkte jedoch nicht nur die Spaltung der Christenheit, sie gilt auch als Auslöser gesellschaftspolitischer Entwicklungen. Die Bauernkriege der Jahre 1522-1525 haben ihre Ursache sowohl in der Reformation, als auch in den zunehmenden Fehlentwicklungen innerhalb des mittelalterlichen-feudalistischen Systems. Der an Länge und Grausamkeit kaum zu überbietende 30 jährige Krieg (1618-1648) hatte letztlich viele Ursachen, er begann aber als Auseinandersetzung zwischen der Katholischen Liga und der Protestantischen Union und steht somit in engem Zusammenhang mit der Reformation.

 

Die Zeit des Faust und der „Historia“ ist ebenfalls die Zeit der großen Hexen­verfolgungen in Europa, der an die 100.000[3] Menschen, meist Frauen, zum Opfer fielen. Grundlage für dieses dunkle Kapitel der europäischen Geschichte war vor allem das magische Weltbild dieser Zeit. Magie war zur Zeit des Faust und der „Historia“ ein alltägliches Phänomen. Viele Erscheinungen des Alltags, aber auch in den Wissenschaften konnte man sich lediglich aufgrund magischer Vorstellungen erklären.

 

Die Zeit des historischen und literarischen Faust war eine Zeit großer und tief greifender Veränderungen. Im Gegensatz zum Hoch- und Spätmittelalter war die frühe Neuzeit eine Periode großer Verunsicherung. Das klar gegliederte Weltbild des Mittelalters zerbrach und wurde ersetzt durch das Weltbild der Neuzeit. Der Mensch rückte aus dem Zentrum des Weltgeschehens in die scheinbare Peripherie. Es war aber auch die Zeit großer Persönlichkeiten, die sich dieser Entwicklung annahmen und stellten. Zusammenfassend lässt sich festhalten:

 

„Es war die größte progressive Umwälzung, die die Menschheit bis dahin erlebt hatte, eine Zeit, die Riesen brauchte und die Riesen zeugte, Riesen an Denkkraft, Leidenschaft, und Charakter, an Vielseitigkeit und Gelehrsamkeit[…]“[4]

 

Diese Zeit ist die Zeit des Faust, sie bildet gleichzeitig den Rahmen für die „Historia“, die im Zentrum dieser Arbeit steht.

 

2.2. Der literarische Faust


 


Am Ausgangspunkt dieser Arbeit steht der literarische Faust. Die im Jahre 1587 erschienene „Historia von D. Johann Fausten“ berichtet von D. Faustus, der mit Hilfe des Teufels und der schwarzen Magie, „[…] alle Gruend am Himmel vnd Erden erforschen […]“ will und schließlich für diesen Hochmut, anders als bei vielen nachfolgenden Autoren, mit der Höllenfahrt bezahlen muss. Die „Historia“ ist nicht zu verstehen als „Lebensweg“ des historischen Faust, sondern eher als Abstraktion des am Glauben Zweifelnden und nach gewagten Erkenntnissen strebenden Menschen.[5] Bevor wir uns allerdings mit der Wirkung, die dieses Werk auf seine Zeitgenossen ausgeübt hat, beschäftigen, soll zunächst der Inhalt der „Historia“ in seinen groben Zügen wiedergegeben werden.

 

2.2.1. Inhalt der „Historia von D. Johann Fausten“


 


Der komplette Titel der „Historia“ lautet:

 

Historia Von D. Johann Fausten / dem weitbeschreyten Zauberer vnnd Schwartzkuenstler / Wie er sich gegen dem Teuffel auff eine benandte zeit verschrieben / Was er hierzwischen fuer seltzame Abentheuwer gesehen / selbs angerichtet vnd getrieben / biß er endtlich seinen wol verdienten Lohn empfangen. Mehrertheils auß seinen eygenen hinterlassenen Schriften / allen hochtragenden / fürwitzigen und Gottlosen Menschen zum schrecklichen Beyspiel / abscheuwlichen Exempel / vnd treuwherziger Warnung zusammen gezogen / vnd in den Druck verfertigt.

 

Iacobi IIII. Seyt Gott vnderthaenig / widerstrebet dem Teuffel / so fleuhet er von euch.“[6]

 

Dem eigentlichen Text vorangestellt sind zwei Vorreden. Die erste wendet sich an „den ehrenhaften, Wohlachtbaren vnnd Fürnemmen Caspar Kolln, Churfürstlichem Meyntzischen Amptschreiber, vnd Hieronymo Hoff, Theutmeistern in der Grafschaft Königsstein“[7]. Die zweite trägt den Titel „Vorred an den Christlichen Leser“. Diese „Vorred“ dient dem unbekannten Verfasser dazu, dem Leser von vornherein unmissverständlich klarzumachen, wie die von ihm verfasste „Historia“ zu verstehen ist, nämlich als Warnschrift vor der „Zauberey“ und „Schwartzkuenstlerey“:

 

„Ohn allen zweiffel aber ist die Zauberey vnd Schwartzkuenstlerey die groeste vnd schwereste Suende fuer Gott und fuer alle Welt.“[8]

 

„Zauberey“ und „Schwartzkuenstlerey“ sind die „groeste vnd schwereste Suende“, weil sie für den Autor den Abfall von Gott darstellen:

 

„Abgoetterey vnd Zauberey / dadurch sich ein Mensch aller dings von Gott abwendet / sich den Goetzen und Teuffeln ergibt / vnd denselben an Gottes statt mit gantzem Willen vnnd Ernst...

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