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E-Book

Die Wahrheit macht uns zu Freunden

Wie Christen morgen miteinander leben wollen

AutorAnselm Grün, Jörg Zink
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783783182064
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Zwei große spirituelle Autoren über das, was verbindet: über die konfessionellen Grenzen hinaus stoßen sie zum Kern des christlichen Glaubens vor. Der Benediktiner Anselm Grün, geb. 1945, und de evangelische Pfarrer Jörg Zink, geb. 1922, zeigen Perspektiven eines gelingenden Miteinanders. Beide erreichen ein Millionenpublikum.

Jörg Zink (1922-2016) war einer der bekanntesten evangelischen Theologen der Gegenwart. Eine Vielzahl erfolgreicher Bücher zu Fragen des christlichen Glaubens und Lebens stammen aus seiner Feder. Der verheiratete Pfarrer engagierte sich in der Friedensbewegung und für den Umweltschutz. Bekannt wurde er außerdem als Sprecher für das Wort zum Sonntag in der ARD. Anselm Grün OSB, Dr. theol., geboren 1945, trat mit 19 Jahren in den Benediktinerorden ein. Seither lebt und arbeitet er in der großen Benediktinerabtei Münsterschwarzach. Anselm Grün wirkt als geistlicher Begleiter und erteilt Kurse in Meditation, Fasten, Kontemplation und tiefenpsychologischer Auslegung von Träumen. Er ist der weltweit populärste christliche Autor unserer Tage. Seine Bücher zur Spiritualität und Lebenskunst, zu den Themen Glück, innere Balance und positives Lebensgefühlerreichen seit Jahrzehnten eine breite Leserschaft. Pater Anselms Texte machen auf wunderbar einfühlsame Weisespirituelle Themen, Meditation, Kontemplation und Fastenverständlich. Das Positive in den einfachen Dingen wahrzunehmen und spürbar zu machen, das ist benediktinische Lebensweisheit. Anselm Grüns Botschaft: Der Mensch ist geboren glücklich zu sein. Es gibt Quellen der Kraft, die in jedem stecken.

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Leseprobe

I
Drei Liebeserklärungen


1 Anselm Grün: Ich liebe meine katholische Kirche


AG: Ich will mit einer Liebeserklärung beginnen. Wenn man wissen will, wie eine Familie zustande kommt, dann beginnt alles zu allererst mit der Entdeckung einer Liebe. Ich sage also zunächst nicht, ich liebte irgendeine künftige Kirche, von der ich noch nichts sehe, sondern ich liebe meine katholische Kirche. Sie ist mir nah und vertraut und heimatlich.

Ich liebe meine katholische Kirche mit ihrer reichen Tradition, mit ihrer geistlichen Überlieferung, wie sie mir im frühen Mönchtum und in den mystischen Strömungen einer Hildegard von Bingen, eines Meister Eckharts, einer Teresa von Avila und eines Johannes vom Kreuz begegnen. Ich bin dankbar, in diesen geistlichen Strom einzutauchen und daraus zu schöpfen. Und ich liebe meine katholische Kirche wegen ihrer Liturgie, in der ich mich von Kindheit an wohlgefühlt habe. Schon als Kind war ich fasziniert von den morgendlichen Rorateämtern in der Adventszeit und von der Liturgie der Karwoche und der Osternacht. Da hat mein kindliches Herz etwas erfasst, das ich auch heute noch spüre, wenn wir in der großen Abteikirche mit vielen Menschen, vor allem mit vielen jungen Menschen, die Osternacht feiern. Und ich liebe meine katholische Kirche mit ihren Sakramenten, die mich als Priester immer wieder beglückt haben, wenn ich mit den Menschen das Fest des Lebens feiern durfte.

Ich liebe meine katholische Kirche wegen ihrer »Katholizität«, das heißt ihrer umfassenden Weite. Sie hat schon in den ersten Jahrhunderten bewiesen, dass sie fähig war, die religiösen Sehnsüchte der Menschen, die sie damals in ihren Religionen ausgedrückt haben, aufzugreifen und zu verchristlichen. Das, was uns Karl Barth manchmal vorgeworfen hat, dass wir zu viel Religion und zu wenig Glauben hätten, halte ich gerade für einen Reichtum, der mich weit macht und frei und mich mit allen Menschen in ihrer religiösen Sehnsucht verbindet.

Für mich ist die katholische Kirche meine Heimat. Dieses Heimatgefühl hatte ich immer wieder, wenn ich in Kenia oder in Argentinien, in Brasilien oder Mexiko, in Taiwan oder Korea mit den Menschen Eucharistie gefeiert habe. Sobald wir miteinander beten und Eucharistie feiern, entsteht eine Gemeinschaft, die die Grenzen der Völker aufhebt. Und so fühle ich mich überall auf der Erde daheim, wo Eucharistie gefeiert wird.

Ich liebe meine katholische Kirche auch wegen ihrer Versuche, um die rechten Formulierungen zu ringen, den Glauben an Jesus Christus für uns heute angemessen auszudrücken. Manchmal sieht das umgekehrte Bemühen, nämlich die Kontinuität der verschiedenen Aussagen darzulegen, etwas naiv aus. Aber ich spüre darin die Ehrfurcht vor den Formulierungen früherer Zeiten. Sie legen uns nicht fest, sondern fordern uns heraus, immer wieder neu unseren Glauben zu bedenken und ihn so zu formulieren, dass er die Menschen heute anspricht. Dabei hat die Kirche immer den Dialog mit der jeweiligen Philosophie geführt. Ich versuche, diesen Dialog weiterzuführen, indem ich vor allem das Gespräch mit der Psychologie suche, die heute die Philosophie in ihrer Bedeutung für das Denken der Menschen abgelöst hat.

Natürlich leide ich manchmal auch an meiner Kirche, an ihrer Enge, an den Machtstrukturen, an ihrer Unbeweglichkeit. Aber da ich immer um meine eigene Begrenztheit weiß, verspüre ich wenig Lust, die Bischöfe oder den Papst anzuprangern. Die Schwäche gehört wesentlich zur Kirche. Wir leben nicht in einer vollkommenen Kirche, sondern in einer Kirche von Menschen. Und dennoch dürfen wir dankbar sein für die Kirche als den Ort, an dem uns Jesus Christus mit seinem Geist erfüllt. In diesem Wissen um die Schwäche der Kirche bin ich dankbar für viele evangelische Freunde, die mit mir gemeinsam darum ringen, den Glauben heute in einer Weise zu verkünden, die die Herzen der Menschen berührt und in der der Geist Jesu heute wirksam wird.

2 Jörg Zink: Ich liebe meine evangelische Kirche


JZ: Ich möchte Ähnliches auf meine Weise sagen. Ja, ich liebe meine evangelische Kirche. Nicht ganz so, wie ich meine Frau geliebt habe, als sie ein junges Mädchen war, auch nicht ganz so, wie ich sie liebe, da sie nach 60 Jahren gemeinsamen Lebens zu einer gütigen und weisen alten Frau geworden ist. Anders. Aber ich liebe meine Kirche so, wie einer das Haus liebt, in dem er ein Kind war, wie er ein Land liebt, in dem sich sein Leben abgespielt hat, oder eine Heimat, deren Wanderwege er oft und oft unter den Füßen hatte und deren Eigenart ihm vertraut ist.

Ich liebe meine evangelische Kirche, obwohl an den entscheidenden Punkten meines Lebens immer wieder auch ein Katholik seine wichtigen Spuren hinterlassen hat. Ein Mann der französischen Widerstandsbewegung: ein katholischer Priester, der mir das Profil eines vertrauenden Christen in einer schrecklichen Extremsituation vor Augen gestellt hat. Oder Romano Guardini, mein wichtigster Lehrer, der mich durch einen langen Krieg hin geistig begleitet und mich später tief geprägt hat. Oder eine Base, die Generaloberin einer Dominikanerinnenkongregation war und mit der ich viele wichtige Gespräche in tiefer Verbundenheit geführt habe.

Ich liebe meine Kirche in der Schlichtheit ihrer Erscheinung, ihrer Offenheit, ihrer Freiheit und Suche nach der genauen Wahrheit, die für unsere Zeit gilt. Ich liebe sie nach den 60 Jahren, die ich nun für sie lebe und arbeite, und stehe gerne auch zu ihren inneren und äußeren Gefährdungen, Fehlern und Schwächen. Und ich liebe die vielen Menschen in ihr, deren Freundschaft und Nähe mich bis heute begleiten.

Ich liebe ihre Offenheit und Verletzbarkeit, ihren vom Anfang ihres Werdens im 16. Jahrhundert ihr wesenseigenen Verzicht auf äußere Herrschaft. Ich liebe sie als das, was sie im Grunde einzig beansprucht zu sein, nämlich, wie schon gesagt, die kleine Stimme auf dieser Erde, die die große Stimme Gottes nachspricht, die einzig ein Hinweis auf den armen Mann von Nazareth sein will, dem sie als ihren Herrn und Erlöser zu dienen versucht. Ein Hinweis auf die souveräne Gnade und Liebe Gottes, die ihr allein aus der Heiligen Schrift zugesprochen wird. Ein Hinweis auf den Glauben, der von uns gefordert ist, und auch das Vertrauen, das wir dem kommenden Reich Gottes entgegentragen. Ein Hinweis endlich auf den lebendigen Geist Gottes, der in den einzelnen Christen wie auch in ihren Versammlungen sein Leben schaffendes Werk tut.

Das alles freilich kann mich nicht daran hindern, mich in der katholischen Gemeinschaft zu bewegen wie unter Schwestern und Brüdern und mich zu freuen an jedem Zeichen, das mir an den evangelischen Merkmalen der Kirche von dort herüber begegnet. Und ich bin dankbar dafür, dass ich den Geist dieser Freiheit im Lauf meines langen Lebens auch in der katholischen Kirche immer wieder beglückend erfahren habe.

3Wir lieben, was uns verbindet, aber auch viel, was uns unterscheidet


AG: Ich liebe auch alles, was mich aus dem Leben der evangelischen Kirche anrührt. Was mich überzeugt. Was groß und wahr an ihr ist, schön oder stark oder wesentlich. Was uns an ihr den gemeinsamen Weg zeigt, was durch sie mir ein Verstehen eröffnet hat. Gewiss, wir lieben das Besondere an unserer eigenen Kirche. Aber das ist nicht alles. Viel verbindet uns. Im Grunde mehr als uns trennt. Und wir wären Toren, wenn wir immer nur anstarren wollten, was uns falsch erscheint an der anderen Kirche oder der anderen Glaubensweise. Warum soll ein Katholik nicht seinen Glauben mit anderen Empfindungen leben dürfen als ein Protestant? Warum sollte ein Protestant von der Freiheit und der Genauigkeit seines Nachdenkens nicht etwas anderes an Hilfe für sein Leben erwarten als ein Katholik? Warum sollte die Jahrtausende alte Rechthaberei unter den Christen immer den einen vom anderen, und das für Zeit und Ewigkeit, abschotten?

 

JZ: Ja, warum? Die Besonderheit eines Glaubens ist niemals die ganze Wahrheit. Das Ganze ist eine breite Gemeinsamkeit, der entlang zu denken mindestens ebenso wichtig sein wird, wie die Fahne der eigenen Wahrheit an der Stange aufzuziehen. Es ist unter Menschen immer so gewesen, dass irgendeiner eine Wahrheit ausgerufen hat – ich meine nicht eine angebliche, sondern eine wirkliche –, dass er aber dabei blind wurde für die Wahrheit, die ein anderer sah. Ich habe schon als Kind im grünen Allgäu die Flurbegehungen der katholischen Gemeinde gesehen und mich gefragt: Warum gibt es das bei uns nicht? Ich sehe die Marienandachten katholischer Frauen und frage mich, warum denn Gott, evangelisch gesehen, so einseitig männlich vorgestellt werde, was er, wenn er wirklich Gott ist, ganz gewiss nicht sein kann? Katholische Kinder gehen von Haus zu Haus und malen ihr C+M+B an die Türen. Ich meine nicht, ich persönlich müsste in der Fülle dieser Sitten mitleben. Aber ich finde es schön, wenn ich es sehe. Und ich mache ihnen Mut, ihren Gang von Haus zu Haus weiterzugehen.

Ich liebe aber auch alles, was uns verbindet. Was uns in unserem Land geprägt hat. Die christlichen Überlieferungen, die Kirchen, die in jedem Dorf mitten inne stehen, die Überlieferungen des christlichen Kalenders, seine Feste und Begehungen. Die christlichen Schriften von Denkern und Dichtern, die christliche Kunst in unserem Land aus 1000 Jahren, die Zeugnisse der christlichen Geschichte, der Länder und der Städte. Die Musik, die von der christlichen Überlieferung redet, nicht nur von Bach, sondern auch die vielen Lieder, die uns zwischen evangelisch und katholisch gemeinsam sind; die Wegzeichen, die Friedhöfe, aber auch die Wissenschaft, die...

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