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E-Book

Einführung in das systemische Lerncoaching

AutorTorsten Nicolaisen
VerlagCarl-Auer Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783849780975
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Lernen umfasst weitaus mehr als kognitiv-rationale Komponenten. Es ereignet sich im Erleben des Lernenden und steht in permanenter Wechselwirkung mit somatisch-emotionalen Anteilen. Diese Aspekte finden in der herkömmlichen Lernbegleitung wenig Beachtung. Lerncoaching nutzt diese Zusammenhänge für das Selbstmanagement des Lernenden. Es liefert wichtige Impulse für eine individuelle Förderung und für das selbstgesteuerte Lernen. Im systemischen Lerncoaching agiert der Coach quasi als Resonanzkörper: Er geht ressourcenorientiert auf das subjektive Erleben der Lernenden ein und gestaltet achtsam den Dialog über mögliche Lösungen. Insbesondere Emotionen, die sich auf das Lernen auswirken, werden in die Arbeit einbezogen. Die systemische Perspektive richtet den Fokus auf die Interaktion zwischen dem Lernenden und dem Lerncoach sowie auf die inneren Erlebensprozesse beider Akteure. Die innere Haltung, mit der der Coach dem Dialogpartner begegnet, bildet die Basis für jegliche Interventionen in der Lernbegleitung. Die Einführung in das systemische Lerncoaching geht ausführlich auf diese Komponenten ein und erweitert damit das Handlungs- und Wirkungsspektrum von Lehrenden.

Torsten Nicolaisen, universitär zertifizierter Coach und Trainer für Coaching und pädagogisches Coaching, zertifizierter systemischer Organisationsberater, Zertifikat Generative Coaching, Geschäftsführer Context Vertrauen & Entwicklung. Arbeitsschwerpunkte: Coaching-Ausbildungen (Konzeption und Durchführung), Lerncoaching, Organisationsentwicklung, Selbstkompetenz-Training.

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Leseprobe

2 Zum Begriffsfeld »Coaching – Systemik – Lernen«


Der Begriff »systemisches Lerncoaching« führt verschiedene Themenfelder zusammen. Um die Sinnhaftigkeit dieser Kombination darzustellen, sollen zunächst begriffliche Annäherungen vorgenommen werden. Mit diesen Klärungen kann das systemische Lerncoaching als spezifische Form von Coaching an Kontur gewinnen.

2.1 Coaching


Coaching wird in der Fachliteratur als personzentrierter dialogischer Beratungsprozess beschrieben (Rauen 2003). Es fördert die ergebnisorientierte Reflexion und unterstützt das Erreichen selbstkongruenter Ziele (Greif 2008). Damit dient Coaching der Selbstregulation sowie dem Erweitern von Handlungskompetenz. Der Coach geht auf die persönlichen Anliegen seines Klienten ein und arbeitet mit dessen subjektiven Sichtweisen. Um dies zu bewerkstelligen, benötigt der Coach eine entsprechende Qualifizierung bzw. Ausbildung.

Coaching steht als professionelle Beratungsform neben Supervision und Mediation (Pallasch u. Petersen 2005). Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Sportkontext. Dort hat der Coach die Funktion, Individuen oder Teams in ihrer Leistungsfähigkeit optimierend zu unterstützen. In diesem Verständnis wurde Coaching im Laufe der 1980er-Jahre als Angebot für Leistungsträger im Management entwickelt. Zunächst vollzog sich dies in pragmatischer Ausrichtung und ohne eingehende theoretische Begründung. Allmählich fand der Coachingansatz auch in sozialpsychologischen Arbeitsfeldern zunehmende Anwendung. Außer der Erweiterung und Vertiefung von beruflichen Kompetenzen dient Coaching nunmehr auch dem Selbstmanagement sowie dem Bearbeiten privater Anliegen. Es gilt als Hilfe zur Selbsthilfe.

Arbeitsweise beim Coaching

Beim Coaching wird vornehmlich auf der Prozessebene gearbeitet (Rauen 2003). Statt Ratschläge auf fachlicher Ebene zu geben, nimmt der Coach Dynamiken und Elemente in den Blick, welche die Situation oder das aktuelle Erleben des Anlassgebers (Coachee) beeinflussen. Eine Arbeit auf der Prozessebene bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Coach keinerlei Lösungen vorgibt. Vielmehr agiert er als Spiegel und konstruktiver Dialogpartner für sein Gegenüber. Situativ angemessen begegnet er ihm mit der nötigen Balance zwischen empathischem Verstehen und konfrontativem Konkretisieren. Das Problem und die Lösung gehören dem Klienten.

»Coaching bedeutet, das Potenzial eines Menschen zu erschließen, sodass er seine Leistungsfähigkeit optimieren kann. Es bedeutet, Menschen beim Lernen zu helfen, statt sie zu belehren« (O’Connor u. Lages 2009, S. 19).

Dieses Zitat weist darauf hin, dass es im Coaching grundsätzlich um ein Lernen geht (Nicolaisen 2016b). In erster Linie lernt der Anlassgeber von sich selbst. Der Coach gestaltet die Beratungsbeziehung und den -prozess. Er liefert Ideen und Resonanzen – keinesfalls belehrt er.

Professionalisierung von Coaching

Seit den 1990er-Jahren findet der Begriff »Coaching« eine zunehmende Verbreitung. Er ist zum Modewort geworden (König u. Volmer 2009). Im Laufe der Zeit haben sich thematische Spezifizierungen gebildet, wozu auch Lerncoaching zu zählen ist.

In der Praxis ist Coaching als eklektizistisches Vorgehen zu verstehen. Je nach Ausrichtung versammelt es Modelle und Methoden aus verschiedenen Beratungsfeldern. Zahlreiche Aus- und Fortbildungsanbieter benutzen den Coachingbegriff in wenig reflektierter Weise. Daher sollte ein Coachingansatz theoretisch begründet und praxeologisch in ein Handlungskonzept gebracht sein (Ukowitz 2011). Derart lassen sich begriffliche Beliebigkeiten reduzieren und Qualitätsstandards setzen.

Vor diesem Hintergrund haben sich seit 2004 im deutschsprachigen Raum eine Anzahl an Coachingverbänden gegründet, die sich zwischen Qualitätssicherung und Interessenvertretung bewegen (vgl. Schreyögg u. Schmidt-Lellek 2015). Somit kann es als sinnvoll erachtet werden, dass Coaching zum Gegenstand professionssoziologischer Überlegungen und empirischer Forschung wird (Fietze 2011). Mittlerweile widmen sich Hochschulen und Kongresse dem Thema »Coaching«. Schreyögg und Schmidt-Lellek (2015) geben einen Überblick zum aktuellen Stand der Professionalisierung von Coaching.

Erste Annäherung an den Begriff »Lerncoaching«

Lerncoaching stellt eine spezifische Form von Coaching dar, welche auf die Begleitung von Lernprozessen ausgerichtet ist. Ähnlich dem Stammbegriff »Coaching« findet auch »Lerncoaching« einen zunehmenden sprachlichen Gebrauch – oftmals jedoch ebenso unscharf und ohne theoretische Präzisierung. Beispielsweise werden die Begriffe »Lerncoaching« und »Lernberatung« mitunter synonym gebraucht (vgl. Liedtke-Schöbel, Paradies u. Wester 2013).

Lerncoaching bedarf einer konzeptionellen Grundlegung, welche sowohl theoretische Referenzen aufzeigt wie auch Bezüge zur wissenschaftlichen Forschung (wie z. B. Motivationspsychologie). Dies gibt die Basis für jeglichen Methodeneinsatz. Weiterhin sollte das Konzept die innere Haltung des Lerncoachs in den Blick nehmen. Auf der Beziehungsebene hat sie maßgeblichen Einfluss auf die Wirksamkeit von Coaching. So trägt eine gute Selbstklärung aufseiten des Coachs zum gelingenden Beratungsprozess bei. Dies gilt umso stärker, wenn die Coachingtätigkeit eine Rollenerweiterung im Verhältnis zum bisherigen Professionsverständnis mit sich bringt. Lehrpersonen agieren als Lerncoachs auf andere Art als in ihrer herkömmlichen Rolle der fachbezogenen Wissensvermittler. So mag es hilfreich sein, die Unterschiede zur Coachrolle zu klären: für sich selbst als auch gegenüber den Lernenden. Je klarer der Lerncoach seine Rolle konturiert, desto förderlicher wird sich dies auf den Beratungsprozess auswirken (Nicolaisen 2013a).

Das Erlernen einer Coachinghaltung plus entsprechender Gesprächsführung und methodischer Vorgehen benötigt eine qualifizierte Ausbildung als Lerncoach. Sie sollte in einem guten Maß theoretische und praktische Aspekte kombinieren. Basiskompetenzen für die Lerncoachingtätigkeit schildern Nicolaisen und Pallasch (2010). Der Erwerb entsprechender Fähigkeiten braucht ein Erfahrungslernen und lässt sich nicht an einem Tag vollziehen.

Die Verbreitung von Lerncoaching kann als Indikator dafür gedeutet werden, dass sich die Anforderungen an Lehrpersonen verändern. In weiten Teilen der Lehrerausbildung wie auch in betrieblichen Ausbildungen wird das Lernen als kognitiv-linearer Vorgang gesehen. Doch der Bildungsalltag zeigt, wie sehr Lernvorgänge von Emotionen und Umwegen geprägt sind. Darauf weisen nicht zuletzt neurowissenschaftliche Erkenntnisse hin (vgl. Roth 2011). Der überwertige Fokus auf dem inhaltlich-fachlichen Aspekt kommt mehr denn je an seine Grenzen.

Vor solchen Hintergründen taucht der Begriff »Lerncoaching« auf. Allgemein- und berufsbildende Schulen machen ihn sich zu eigen. Seit 2010 findet er sich im Weiterbildungsangebot diverser Institute für Lehrerfortbildung und Schulentwicklung (vgl. z. B. Landesinstitut für Lehrerfortbildung und Schulentwicklung Hamburg 2011; Landesinstitut für Schulentwicklung Baden-Württemberg 2015). Industrie- und Handelskammern führen seit 2005 Fortbildungen für Lerncoaching (vgl. z. B. IHKAkademie Koblenz). Auch im Zusammenhang mit hochschuldidaktischen Praxismodellen findet (Lern-)Coaching Erwähnung (Arn 2016; Schumacher 2007). Weiterhin wird es als Element von Organisationsentwicklung genannt (Nicolaisen 2013b).

Anbieter von Fortbildungskursen und Fernstudiengängen benutzen den Begriff als Schlagwort. Aus dem NLP-Bereich gibt es Methodenangebote für Schüler, die auf ein optimiertes Lernen ausgerichtet sind (NLPäd; siehe z. B. http://nlpportal.org/nlpedia/wiki/NLP%C3%A4d [19.1.2017]). Auch in diesem Zusammenhang wird »Lerncoaching« mitunter als Titel verwendet. Dies kann von Fall zu Fall kritisch gesehen werden. Denn Lerncoaching bedeutet weitaus mehr als ein »Lernen lernen« und lässt sich nicht auf eine methodische Werkzeugkiste reduzieren.

In der Literatur wurde der Begriff zunächst auf theoretischer Ebene als didaktische Herausforderung skizziert (Pallasch u. Hameyer 2008). Eindeutige systemische Bezüge sind darin wenige zu finden. Sie wurden erst mit einem stärkeren Blick auf die Praxis formuliert (Nicolaisen 2013a). Eine eingehende Untersuchung zu den Begriffen »Lernbegleitung«, »Lernberatung« und »Lerncoaching« liefern Perkhofer-Czapek und Potzmann (2016).

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