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E-Book

Es muss im Leben mehr als Alles geben!

AutorElke Naters, Sven Lager
Verlagadeo
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl248 Seiten
ISBN9783863347192
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
'Vor acht Jahren wohnten wir in Berlin Mitte und waren an einem Punkt unseres Lebens, an dem sich Überdruss und Unzufriedenheit breitmachten, die schwer zu fassen waren. Berliner Winterdepression? Midlifecrisis? Bücher schreiben, Kinder kriegen, trinken gehen, ein paar rauschhafte Nächte, gute Filme, anregende Gespräche. So zog das Leben vorbei, die meiste Zeit recht angenehm, ohne besonderen Schmerz, aber auch ohne besondere Tiefe. War das wirklich alles? Wir hatten den Mauerfall erlebt in Berlin, waren Pop, mittendrin in der neuen deutschen Literatur. Wir hatten in Bangkok gelebt, aber waren wieder nach Hause zurückgekehrt auf der Suche nach einer Heimat im Leben und im Herzen - einem Weiter, Besser, Größer. Aber der kulturelle Reichtum der Kunst, Musik und Literatur boten keine Antworten mehr. Wir waren durstig und hungrig, aber wir wurden nicht satt. Wir haderten mit dem Deutschsein, dem Gesetzten und Überskeptischen, dem Saturierten. Wir sehnten uns nach sozialen Utopien, die wirklich umgesetzt wurden, und weniger nach Konsum und sozialem Aufstieg. Uns verlangte nach Gemeinschaft und nicht Vereinzelung, nach Exzentrik und weniger Ordentlichkeit. In Südafrika fanden wir schließlich die Antwort auf Fragen, die uns immer wieder das Glück geraubt hatten.' Elke Naters und Sven Lager

Jahrgang 1963. Zunächst absolvierte sie eine Schneiderlehre und studierte Kunst und Fotografie, bevor sie 1998 mit ihrem Debütroman 'Königinnen' einen großen erfolg als Schriftstellerin landete. Sie gilt als wichtige Vertreterin der Popliteratur. Zusammen mit dem Schriftsteller Sven Lager und ihren zwei Kindern lebt sie in Hermanus, Südafrika.

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Leseprobe

Mormor in Bangkok

Das Haus, von dem wir geträumt hatten, lag gleich am Ende der Straße. Ein zweistöckiger Bau aus den 60ern, in dem früher einmal jemand aus der amerikanischen Botschaft gelebt hatte. Es hatte einen kleinen Garten mit Hibiskusbüschen und Strelizien und ein stiller Kanal umrundete die acht Häuser der kleinen Enklave, an deren Eingang ein Wachmann in seinem Sessel schlief.

Die Winterurlaube am Strand in Thailand waren jedes Jahr um einen Monat länger geworden. Wir lebten in einer kleinen Hütte, schrieben Romane, spielten mit unseren Kindern, oft kamen Freunde und Familie für ein paar Wochen vorbei, wir mussten nicht kochen und nicht frieren, aber irgendwann wurden uns die Palmen und die weißen Sandstrände zu viel. Uns zog es zurück in die Stadt. Nicht nach Berlin. Nach Bangkok. Schriftstellerfreunde waren dahin gezogen, wir hüteten ihr Haus für ein paar Wochen und suchten in dieser Zeit nach einem für uns. Die Motorradtaxifahrer an der Straßenecke halfen uns dabei. Sie kannten die Gegend wie kein anderer. In ihren grünen Westen rasten sie durch den Stau zwischen den Wolkenkratzern, und wir saßen hintendrauf, ohne Helm, weil die angeblich voller Läuse waren.

Einer der Motorradtaxifahrer brachte uns auch zu unserem Haus in einem stillen Wohnviertel. Es stand seit Jahren leer und hatte auf uns gewartet. Der Besitzer, ein reicher Chinese, der gerne handelte, bestand darauf, dass wir es für mindestens ein Jahr mieteten. So war die Entscheidung gefallen und unser Traum, für ein paar Jahre im Ausland zu leben, wurde wahr. Nicht gemütlich am Strand, wo sich das Leben wie Dauerferien anfühlte, sondern in Bangkok, der aufregendsten Stadt Asiens.

Mit nur zwei Koffern waren wir angekommen, es war warm und wir brauchten nicht viel. Im Haus waren Betten, Stühle und ein Tisch, große Bäume und ein riesiger Bambus spendeten Schatten und gleich nebenan lagen die Straßen Soi Thonglor und Ekkamai mit kleinen Bars und Musikstudios, wo junge kreative Thais sich trafen.

Jeden Tag liefen wir unsere stille Straße hinab zur Sukhumvit, auf der immer Stau herrschte und über der gerade der Skytrain eröffnet worden war, mit dem man statt in drei Stunden in nur 20 Minuten in die Innenstadt kam. An den Straßenecken standen unzählige Essensstände, an denen wir uns Mangos mit süßem Reis, Hühnchenspieße oder Suppen kauften und manchmal gleich an kleinen Plastiktischen aßen. Es war heiß und schwül und wir bewegten uns stets langsam. Die Bordsteine waren eng, aber die Thais bemühten sich immer, höflich und ohne einen zu berühren, an einem vorbeizugehen. Wenn es zu eng schien, streckten sie eine flache Hand aus, als würden sie vorsichtig den Zwischenraum wie mit einem Schwert teilen können, um so aneinander vorbeigleiten zu können.

In unserer kleinen Anlage lebten fast nur Ausländer, die, mit vielen Vergünstigungen ausgestattet, von ihren Firmen nach Thailand versetzt worden waren, sogenannte Expats. Die amerikanische Familie zwei Häuser weiter hatte einen Gärtner, zwei Maids und einen Chauffeur. Die Frau bekam jedes Jahr ein Kind. Gegenüber wohnten Engländer mit ihren drei Söhnen, die jeden Morgen mit dem kleinen Schulbus der englischen Privatschule abgeholt und nachmittags wieder abgeliefert wurden und die wir sonst so gut wie nie zu Gesicht bekamen. Ihr Hund dagegen, ein trauriger Labrador, zog bei uns ein und ging nur noch zum Fressen nach Hause.

Der Amerikaner neben uns war Anwalt und hatte eine Thaifreundin, die den ganzen Tag im klimatisierten Wohnzimmer vor dem Fernseher saß, außer am Wochenende, wenn seine Motorradgang kam. Mit der trank er dann Whiskey, spielte Billard und schlug den Mädchen auf den Hintern. Unsere Kinder nannten sie die Süßigkeitennachbarn, weil sie immer Bonbons bekamen, wenn sie gemeinsam mit den Nichten und Neffen der Thaifreundin Horrorfilme guckten, während wir dachten, sie schauten sich Zeichentrickserien an. Thais nehmen ihre kleinen Kinder auch mit ins Kino, egal wie blutrünstig der Film ist. Sie sehen es als reine Unterhaltung.

Wenig erinnerte uns an Deutschland. Nur wenn das Rudel Pekinesen des Japaners hinter uns mit ihren Glöckchen aufgeregt zum Tor lief, dachte ich manchmal an Weihnachten und Schnee.

Auf der Straße trafen wir ausschließlich sanfte Thais, die mit geradem Rücken vor sich hin wandelten oder mit sanfter Stimme plauderten. Die ganze Haltung der Thais war erstaunlich. Nie schrie einer oder knallte wütend eine Tür zu, nie schubste einer oder drängelte sich vor. Die Motorradtaxifahrer in ihren Neonwesten riefen sich manchmal etwas zu oder glotzten Mädchen nach, aber es gab keine groben Bemerkungen oder obszöne Pfiffe. Die Frauen an den Curryständen ratschten manchmal laut und lachten auf, aber waren vollendete Höflichkeit, wenn man ein Plastiktütchen rotes Fischcurry bestellte.

Die Ruhe und Sanftheit der Thais beeindruckten mich. Ein Friede ging von ihnen aus, der das Gegenteil zu der Ruppigkeit der Berliner ist und sogar in unserem Haus zu spüren war. Unser Leben in Bangkok war die reinste Erholung. Fast bewegungslos trieben die Frangipaniblüten auf dem Kanal hinterm Haus, Eichhörnchen sprangen fröhlich hoch oben von Ast zu Ast und die Großstadt brummte beruhigend in der Hitze wie ein ferner Wasserfall.

Wir lernten Thai bei einem jungen Mann, der uns manchmal mit brother oder sister ansprach, weil er dachte, wir wären Christen, worüber wir nur lachten. Christen in Thailand? Wir? Das klang absurd. Wo hier doch alles mit friedensstiftendem Buddhismus gesättigt war. Und nachdem wir ein paar Dutzend Worte und Redewendungen gelernt hatten, wurde uns noch klarer, wie zutiefst kindlich und reich die Kultur und die Menschen in Thailand sind.

An der Ecke Ekkamai lag ein Massagesalon, in dem wir uns oft von blinden Masseuren aus dem Isaan, dem armen Norden, massieren ließen. Männer wie Frauen hatten ungewöhnlich starke Hände, mit denen sie anfingen, die Füße zu kneten, und sich unendlich langsam hocharbeiteten, wenn sie überhaupt über die Beine hinauskamen. Es waren die besten Massagen meines Lebens, und nachdem ich ein paar Worte Thai gelernt hatte, begann ich ihr pausenloses Geplapper zu verstehen. Zu meiner Überraschung unterhielten sich die Masseure nicht über Politik, Aktien, Sex oder Fernsehserien, sondern darüber, was für ein frisches und gutes grünes Curry sie eben zum Frühstück an der Thonglor bei der Dame mit dem roten Kopftuch gegessen hatten (so wurde sie von allen genannt). Oder darüber, was für einen knusprigen, kleinen Wels sie sich gleich nach der Massage vom Grill kaufen würden, oder dass sie nach der Arbeit ganz sicher mal den neuen Nudelstand neben dem Kino ausprobieren würden. Sonst sprachen Taxifahrer, Polizisten, Studenten und Zufallsbekannte auch gerne übers Wetter oder die Familie.

Mitten im Juni, wenn es jeden Tag zur exakt gleichen Zeit eine Stunde lang regnete, hört sich eine Konversation dann so an: „Heute regnet’s sicher wieder!“ – „Ja! Ganz schön viel Wasser.“ – „Soll aber kühler werden.“ – „Wie schön!“ – „Und den Kindern geht’s gut bei der Großmutter auf dem Land?“ – „Ja, alle wohlauf und in der Schule.“ – „Ahh, da auf dem Dorf gibt’s den besten Klebereis mit Bohnen!“ – „Ja, mögen Sie die Hühnchenspieße an der Soi 38?“ – „Und die Nudelsuppen!“ – „Ich glaube auch, dass es heute wieder regnet.“ – „Ich auch.“ – „Ganz sicher sogar.“

Verwunderung kam immer dann auf, wenn wir erwähnten, dass wir nicht in Bangkok lebten, weil eine Firma uns bezahlte, sondern weil wir gerne hier waren, ganz aus freien Stücken. Und dass wir Schriftsteller sind, Bücher schreiben. Über Thailand? Ganz sicher. Was für ein nach Jasmin duftendes, vom Lachen junger Menschen erfülltes Land, das schön ist wie eine unerwartete Waldlichtung! Aber so blumig konnten wir es dann doch nicht beschreiben. Überhaupt dauerte es eine Weile, bis Thais begriffen, dass wir nicht Englisch mit Dialekt, sondern Thai sprachen. Dann gab es ein großes Aha und dann wieder Lachen, weil wir wahrscheinlich so klangen wie für uns Sachsen, deren Vorfahren im 17. Jahrhundert nach Peru oder Transsylvanien ausgereist sind und die immer noch gutes altes Lutherdeutsch sprechen.

Thais lachen, wenn sie sich freuen, aber noch mehr, wenn etwas peinlich ist. Die Freude, uns Thai sprechen zu hören, war also doppelt. Nur unser Sohn war erbost, dass die Leute immer lachten, wenn er hinfiel oder sich irgendwo anstieß. Ich konnte ihm noch so oft erklären, dass sie das tun, damit er sein Gesicht wahren kann und es weniger peinlich ist. Tatsächlich sah man Thais nie hinfallen oder kleckern. Sie waren die reine, friedliche Selbstbeherrschung. Nur die reichen Thais, wenn sie chinesischstämmig waren oder Emporkömmlinge, schienen ein Recht auf Herumkommandieren und Anschnauzen zu haben. Aber das sahen wir selten.

Ich liebte das Kindliche und Herzliche der Thais. Sie teilten alles und es war unmöglich, Thaifreunde zum Essen einzuladen, weil sie immer mehr mitbrachten, als alle zusammen essen konnten. Es musste mit den kleinen Schreinen zu tun haben, die entlang der Straße oder in kleinen Tempeln standen. Frauen mit Einkaufstüten knieten vor Buddha-Statuen und beteten mit Räucherstäbchen in den Händen. Wir taten es ihnen nach, rieben Goldblätter auf die Buddhas und knieten andächtig vor ihnen nieder. Die Tempelpriester, Bonzen nannte man sie, sprachen Segen über die Besucher und besprenkelten sie mit Wasser. Manchmal klingelten ihre Handys mittendrin, sie trugen goldene Uhren und viele von ihnen sahen aus wie der Dalai...

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