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Ethnische Differenzierung in der deutschen Grundschule: Die institutionelle Diskriminierung von Migrantenkindern

AutorFlorian Zöllner
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl47 Seiten
ISBN9783955496982
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Viele groß angelegte Studien haben wiederholt belegt, wie potenziell ausschließend das deutsche Schulsystem ist. Leidtragende sind nicht nur sozial schwache Kinder sondern auch eine stetig wachsende Schülerpopulation mit Migrationshintergrund. Erklärungen für die schulischen Problemlagen von Migrantenkindern werden in der öffentlichen Diskussion bevorzugt in den Defiziten der Betroffenen und in ihrem familiären und kulturellen Milieu gesucht. Im vorliegenden Buch wird ihre prekäre Bildungssituation aus einer anderen Sichtweise beleuchtet und die Institution Schule als Verursacher von ethnischer Differenz in den Fokus gestellt. Die deutsche Grundschule wird auf ihre Funktionsweise und ihre strukturellen und organisatorischen Handlungsabläufe untersucht, welche ethnische Selektionsprozesse einleiten, legitimieren und aufrechterhalten. Es werden gängige Mechanismen und Praktiken institutioneller Diskriminierung und ihre schädigende Wirkung auf die wichtigen Entscheidungsstufen der Grundschule herausgearbeitet, analysiert und bewertet. Abschließend zeigt der Autor bildungspolitische und pädagogische Handlungsalternativen auf.

Florian Zöllner wurde 1983 in Berlin geboren. Er ist staatlich anerkannter Heilerziehungspfleger. Ein Heilpädagogik Studium an der Katholischen Hochschschule für Sozialwesen schloss er mit vorliegender Bachelorthesis erfolgreich ab. Sein persönliches Int

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3.3, Die Grundschule als diskriminierende Organisation: 3.3.1, Schulische Bestandsinteressen und sozialräumliche Verteilungsmuster: Migrationsprozesse beeinflussen nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch die Struktur und Zusammensetzung der jeweiligen Population, die eine Bildungsorganisation besucht. Die migrationsspezifische Konzentration auf bestimmte Schultypen ist dabei ein beachtenswerter Effekt. Es ist zu untersuchen, inwieweit Schüler mit Migrationshintergrund lokalen Konstellationen von Ungleichheit ausgesetzt sind. Im Fokus steht dabei das (mehr oder weniger schwach koordinierte) Zusammenspiel mehrerer Handelnder in unterschiedlichen sozialräumlichen Strukturen innerhalb verschiedener Organisationskontexten. Faktoren wie z.B. die lokale Schulangebotsstruktur, die Nachfrage, das Schulwahlverfahren der Eltern und besonders das Angebotsprofil bzw. die Aufnahme-, Versetzungs- und Empfehlungspraxen einzelner Schulen haben maßgeblichen Einfluss auf die Bildungskarriere eines Kindes. Aus der Summe der Entscheidungen der Akteure ergeben sich Effekte, die eine Bevor- oder Benachteiligung für den Schüler oder die Schülerin haben können. In unserem Kontext muss also die (statistisch belegte) migrationsspezifische Konzentration auf bestimmte Schultypen als Ergebnis diffiziler struktureller Vorgänge gesehen werden. Mit Augenmerk auf die Grundschule ist festzustellen, dass sich die Wahl sich bis heute in aller Regel aus dem jeweiligen Einzugsgebiet ergibt. Dennoch können aus verschiedenen Gründen Änderungen vorgenommen werden (z.B. Schulschließung und Schulöffnungen aufgrund sich verschiebender Bewohnerzahlen eines Einzugsgebietes, Erweiterung bzw. Begrenzung von Schuleinzugsbezirken). Frank Olaf Radke entwirft die Annahme, dass die sozialräumliche Verteilung von bestimmten (ethnischen) Schülergruppen an bestimmte Schulen organisatorisch gelenkt und bewusst als Exklusionsmöglichkeit genutzt wird. Andere Schulen werden dadurch von ihrer Integrationsaufgabe entlastet. Es ist anzunehmen, dass über Jahre hinweg ähnliche Verteilungs- und Übergangsmuster zum Nachteil von Migrantenkindern produziert werden. Erwartbare Schülerströme stellen für die abgebenden und aufnehmenden Institutionen dabei eine Planungssicherheit dar. Es bilden sich stabile Konstellationen zwischen Kitas, Grundschulen und weiterführenden Schulen heraus, die flexibel bei der Interpretation von Leistungen und im Interesse der Vermeidung von Planungsrisiken wiederkehrende Über-gangsmuster in höhere Bildungsgänge hervorbringen. Ethnische Differenzierung und Diskriminierung sind deshalb das Ergebnis des Zusammen-spiels von Stadtentwicklung, Wohnraumbewirtschaftung, Schulentwicklungsplanung und dem Aufnahmeverhalten einzelner Schulen. 3.3.2, Das organisatorische System der Grundschule: Ohne tiefer auf verschiedene Systemtheorien einzugehen, illustriere ich nachfolgend einige organisatorische Charakteristika der Grundschule, die mir im Zusammenhang mit dem Thema relevant erscheinen. Die strukturelle Macht der Schule, hervorgehend aus den dort institutionalisierten Routinen, Rahmungen, Regeln, Gewohnheiten und Konzepten (d.h. den internen Logiken, operativen Codes und Programmen für die Strukturierung sozialen Handelns), ist für die Lernenden immens. In ihr interagieren verschiedene Individuen, die in hierarchischen, sich ergänzenden Leistungs- und Klientenrollen (in die sie durch zeitweilige Mitgliedschaft eintreten) für die Interaktion in Anspruch genommen werden. Mitgliedschaft bildet den institutionellen Kern der Schule. Durch sie wird die Zugehörigkeit zum System reglementiert. Die Mitgliedschaftsrolle ist an eine Reihe von normativen Handlungs- Verhaltens- und Aufgabenerwartungen gekoppelt. Die Erfüllung der Mitgliedschaft bewegt sich in einem Rahmen des Erwartbaren, um Ungewissheit und Nichtplanbarkeit organisatorisch handhabbar zu machen. Die Beteiligten stehen in starker struktureller und zeitlicher Kopplung zur Einrichtung. Über die Entsprechung der Mitgliedschaftserwartungen wird von der Schule in einer kontinuierlichen zeitlichen Abfolge anhand organisationsinterner Verfahren entschieden. Um die Leistungen der Schülerschaft komprimiert einschätzen zu können, hat sie ein festes Instrumentarium. Notenvergabe und schriftliche Einschätzung dienen zur Leistungsklassifikation. Die vielschichtige Lernwirklichkeit wird damit auf einen generalisierten Code herunter gebrochen. Bestärkung/Tadel, Ja/Nein- Entscheidungen und die formelle sechsstufige Notenskala stellen eine zeitliche Kontinuität her, begrenzen soziale Anschlüsse und verleihen den einzelnen Beurteilungsverläufen sachliche Substanz. Richtet man den Blick auf den Einfluss einer Organisation, so wird die Bedeutung der in und an ihr beteiligten Personen, ihrer Motive und ihres Wahlverhaltens hingegen relativiert. Dem individuellen Handeln prägt sich die Rationalität der Organisation. Unter Rationalität versteht man in diesem Kontext die kulturelle Standardisierung von Problemlösungen. Die Schule kann als ein lose gekoppeltes Kommunikationssystem (loosely- coupled system) betrachtet werden, in dem die Interaktionsebenen Unterricht, die Entscheidungsebene (Selektion und Allokation) und die Begründungsebene eben nur locker miteinander verknüpft sind. Das System bietet daher ständig Gelegenheiten für formale Entschlüsse und legt fest, wer an Entscheidungsprozessen teilnehmen kann. Charakteristisch ist, dass diese in aleatorischen Konstellationen und unter schwer überschaubarer internen und externen Bedingungen zustande kommen. Hauptmerkmal ist die begrenzte und zerstreute Verantwortlichkeit der getroffenen Entscheidungen. Die Ebene der Interaktion, d.h. wie im Unterricht in der Autonomie des pädagogischen Personals situationsabhängig gehandelt wird, bleibt weitgehend unkontrolliert. Handlungs- und Entscheidungsabläufe im System Schule sind alterprobt und bewegen sich, im strukturell vorgegebenen Raster, relativ ungesteuert, arbiträr, und mit hohem eigendynamischen Potenzial. Zur Legitimation der Beschlüsse stellt die Schule bewährte Problemlösungsmuster bereit, die eine Fortsetzbarkeit der Verfahren und den Erhalt der Organisation gewährleisten sollen.
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