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Geschichten vom Dachboden 2

Ein Soldatenschicksal aus Dortmund-Hörde im 1.Weltkrieg

AutorMarc Brasil
Verlagneobooks Self-Publishing
Erscheinungsjahr2017
ReiheGeschichten vom Dachboden 2
Seitenanzahl528 Seiten
ISBN9783742789594
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Dezember 2016 - eine alte Dame in Hamburg, die eine Fotopostkarte aus dem Karpaten-Gebirge erhält, ein deutscher Soldat, der 1915 in Belgien steht und sich für Sherlock-Holmes-Romane begeistert, ein empörter Professor aus Dortmund, der 1914 einen Brief an einen Schweizer Nobelpreisträger schreibt, und ein Oberlehrer, der das neue Schuljahr 1903/1904 im westpreußischen Deutsch-Eylau begeht - unterschiedlicher können Datums-, Orts- und Personendaten wohl kaum sein. Dennoch wird die Auswertung historischer Belege aufzeigen, dass sie mehr verbindet als man erahnen kann. Eine spannende und interessante Reise, die durch den Kauf von vier Belegen, bestehend aus zwei alten Postkarten, einem Brief ohne Kuvert und einem historischen Schulbericht beginnt. Vier verstaubte Papiersachen, die eigentlich keiner mehr haben wollte und die für drei Euro den Besitzer wechseln, sind der Beginn einer Geschichte, welche am Schluss ein Buch füllen wird. Durch umfangreiche Nachforschungen und dem Zukauf weiterer Teile des Briefe- und Papierkonvolutes begeben wir uns auf eine spannende und aufschlussreiche Zeitreise vor und während des Ersten Weltkrieges, die uns in die Menschen und deren damalige Rolle hineinversetzt. Erhalten Sie aus dem Blickwinkel von Schülern, Lehrern, Soldaten und weiteren Personen aus dem gleichen Umfeld, einen zusammenhängenden Überblick über die Gesellschaft und deren Alltag in der damaligen Zeit.

Marc Brasil, geboren 1969 in Erlangen, interessiert sich seit seinem 13.Lebensjahr für Geschichte rund um den 1.Weltkrieg. Auf einem Flohmarkt wird er auf Feldpost aufmerksam und erlernt die altdeutsche Schreibschrift Kurrent. Die Schicksale der Familien, welche er den Korrespondenzen entnehmen kann, fesseln ihn auch während seines Studiums der Elektrotechnik und späteren Arbeitslebens. 2016 veröffentlicht er ein transkribiertes Feldpostkonvolut, 2017 folgt sein zweites Buch.

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Leseprobe

Beziehungen


Was konnte auf der Reise zurück bis ins Jahr 1903 herausgefunden werden? Welchen Bezug hat Dr. Heinrich Schucht, der Oberlehrer aus Deutsch-Eylau in Westpreußen, zum Anschreiben an Carl Spitteler aus dem Jahre 1914? Und - Heinrich Schucht wird noch im Dezember 1903 seinen Kollegen und Schulleiter Ganske um Entlassung zum Ende des Schuljahres bitten. Lassen Sie mich aufklären, wie es dazu kommen wird und die erste Verbindung zwischen zwei Ereignissen herstellen:

 

Bereits Ende des 19.Jahrhunderts musste im Deutschen Reich durch den jeweiligen Schulleiter über die Schule ein umfassender, jährlicher Schulbericht angefertigt werden. Die vorgesetzte Schulbehörde wurde darin nach vorgegebenem Muster über das vergangene und neue Schuljahr unterrichtet. Enthalten sind neben allgemeinen Schulnachrichten, eine Übersicht der Stundenverteilung pro Klassenleiter, dem Ordinarius, sowie der Stundenverteilung pro Klasse, dem Lehrplan, von Verfügungen der vorgesetzten Behörden, eine kurze Schulchronik und statistische Mitteilungen wie Schüleranzahl und Bibliothekenbestand. Dieser Schulbericht des „Königlichen Progymnasiums zu Deutsch-Eylau“ aus dem Jahre 1903 liegt mir vor und daraus konnte auch eine kurze Vita von Dr. Heinrich Schucht entnommen werden. Heinrich Schucht wird am 30.Januar 1868 in Liebwalde im Kreis Mohrungen im damaligen Ostpreußen geboren. Sein Vater, ein Gutsbesitzer, schickt Heinrich auf das Königliche Gymnasium zu Marienburg, welches er 1887 mit dem Reifezeugnis (Abitur) verlässt. Heinrich Schucht studiert anschließend in Königsberg an der Albrechts-Universität die alten Sprachen, Geschichte und Erdkunde. 1892 kann er dort mit der Dissertation über attische Rednerurkunden „De documentis oratoribus Atticis insertis“ zum Doktor der Philosophie promovieren, 1893 besteht er die Staatsprüfung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Vorbereitungsdienst zum Lehramt ist er als Probekandidat am Königlichen Gymnasium zu Danzig und am Realgymnasium zu St. Johann ebenda in Danzig beschäftigt. Im April 1896 folgt er einem Rufe als wissenschaftlicher Lehrer an die Privat-Knabenschule nach Briesen, ca. 15 Kilometer westlich von Frankfurt an der Oder gelegen. Im November 1899 übernimmt Heinrich Schucht, der inzwischen verheiratet ist und mit seiner Frau Wanda einen einjährigen Sohn hat, eine neue Aufgabe. Ihm wird die Leitung einer kleinen Privat-Knabenschule im westpreußischen Ort Culmsee übertragen, welche er bis zu seinem erneuten Wechsel im Jahr 1902 an das Königliche Progymnasium in Deutsch-Eylau führt.

 

Dem Schulbericht kann entnommen werden, dass Heinrich Schucht bereits viele Stationen und Ortswechsel auf seinem bisherigen Lebensweg durchlaufen hat. Auch in Deutsch-Eylau bleibt er nur zwei Jahre, bevor er ein weiteres Mal die Anstellung wechselt. Er erhält zum 1.April 1904 die Möglichkeit in den städtischen Dienst der Kommune Hörde in Westfalen überzutreten. Das dortige Progymnasium hat eine Oberlehrerstelle ausgeschrieben, die Heinrich sehr zusagt, da er dort einen deutlich besseren Verdienst erhalten kann und unter anderem Griechisch unterrichten darf. Heinrich und seine Frau treffen eine weittragende Entscheidung und verlassen die preußische Heimat. Ein Umzug mehr als 1000 Kilometer in den Westen des Deutschen Reiches in die Bergbaugemeinde Hörde bei Dortmund wird es werden. Hörde ist neben der Kohleförderung insbesondere seit der Industrialisierung für seine eisen- und stahlproduzierende Hermannshütte bekannt. Mit mehreren Hochöfen, riesigen Dampfmaschinen und modernen Walzstraßen fertigen hunderte von Arbeiter und Ingenieure Eisenbahnschienen, Räder und Achsen. Direkt angrenzend an Hörde liegt die Stadt Dortmund mit weit über 100 Tausend Einwohnern. Eine gravierende Veränderung wird der Umzug für Familie Schucht, aber die Entscheidung ist getroffen.

 

 

Am 22.März 1904, dem letzten Tag des Schuljahres 1903/1904 verlässt Familie Schucht auf dem Bahnhof das schöne Städtchen Deutsch-Eylau in Richtung Westen. Schulleiter Ganske, Kollegen und Freunde verabschieden die Familie und bedauern noch einmal den schweren Verlust des angesehenen Kollegen für die Schule, hatte Heinrich Schucht doch bei der Eröffnung im Jahre 1902 und der Einrichtung des Unterrichts großen Anteil.

 

Familie Schucht hat den Umzug im Jahre 1904 gut überstanden und eine Wohnung in der Chauseestraße in Hörde beziehen können.

 

In Online-Archiven kann ich nun die Schulberichte von 1903 bis 1914 des Realgymnasiums in Hörde finden und so den weiteren Lebensweg von Heinrich Schucht verfolgen. Am 21.April 1904 beginnt das neue Schuljahr am Hörder Realgymnasium. 53 Schüler haben die Aufnahmeprüfung geschafft und die Gesamtanzahl der Schüler ist gegenüber dem Vorjahr nochmals auf insgesamt 218 gestiegen. Das Realgymnasium ist wie zu dieser Zeit üblich eine reine Knabenschule. Der Vordereingang des Gebäudes ist den Lehrern vorbehalten, die Schüler müssen den Hintereingang benutzen, um ins Schulhaus zu gelangen. An der Eröffnungsandacht zum neuen Schuljahr stellt Schuldirektor Dr. Adams in der Aula den neuen Oberlehrer Heinrich Schucht dem zwölfköpfigen Kollegium und den Schülern vor. Heinrich Schucht übernimmt die Klassenleitung für eine 8.Klasse, der Untertertia, und darf dort 24 Stunden in der Woche Deutsch, Lateinisch, Griechisch, Geschichte und sogar drei Stunden Turnen unterrichten. Das Schuljahr verläuft harmonisch. Heinrich Schucht gefällt sein neues Betätigungsfeld an der Schule und auch seine Familie fühlt sich in Hörde wohl. Aufgrund seiner rethorischen Begabung erhält er von Direktor Dr. Adams die Aufgabe, gegen Schuljahresende am 19.März 1905 beim großen Abschlusskonzert in der Aula der Schule den Eröffnungsvortrag über Musik zu halten. Für seine stimmungsvolle Rede und die Darbietungen eines Chors und verschiedener Sänger spendet die zahlreiche Zuhörerschaft großen Beifall. In den nächsten Jahren bringt sich Heinrich Schucht weiter an der Schule ein und erarbeitet sich große Wertschätzung bei Direktor Adams und seinen Kollegen. Die gut geplanten Schulausflüge mit seinen Klassen, wie eine Reise nach Bremen und Bremerhaven, sowie seine patriotischen Festreden zum Kaisergeburtstag und sein Engagement in verschiedenen Veranstaltungen, werden regelmäßig in den Schulberichten erwähnt. Heinrich Schucht und seine Frau Wanda sind durch ihre aufgeschlossene Art gut in ihrer neuen Heimat Hörde integriert. Die Familie hat sich einen großen Freundes- und Bekanntenkreis geschaffen. Mit örtlichen Geschäftsleuten wie dem Buchhändler Louis Halbach und dem Drogeriebesitzer August Piel ist die Familie gut bekannt. Häufig trifft man sich im Hause Schucht mit Lehrerkollegen zu Gesellschaftsabenden oder zu Kegelabenden im Kegelverein. Von einer fidelen Kegelrunde hat sich Heinrich Schucht eine Postkarte mit einer Freihandzeichnung seines Lehrerkollegen Professor Kunstreich aufbewahrt, die dieser 1907 angefertigt hat.

 

Am 2.Juli 1910 erhält Heinrich Schucht den Titel des Professors verliehen. 1913 kann die Familie ein schönes Häuschen in der Friedrichstraße 28 erwerben. Ein günstiger Umzug, denn in der gleichen Straße liegt auch das Realgymnasium Hörde. Zu Beginn des Schuljahres 1914/1915 am 22.April 1914, ist die Schule auf über 312 Schüler angewachsen. Professor Heinrich Schucht, inzwischen im 46.Lebensjahr, leitet eine 9.Klasse und hält dort die Fächer Latein, Griechisch und Geschichte. Den Turnunterricht hat er bereits vor einigen Jahren aus gesundheitlichen Gründen an den jungen engagierten Kollegen Dr. Hoffmann abgegeben.

 

Oben: Wanda und Heinrich Schucht in ihrem Haus in der Friedrichstraße in Hörde

 

Professor Schucht freut sich Ende Juni mit seiner Familie auf die Hauptferien, welche am 4.August 1914 beginnen werden, als sich die politischen Ereignisse überschlagen. Am 28.Juni 1914 nimmt die europäische Krise mit dem tödlichen Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger Erzherzog Franz-Ferdinand in Sarajevo seinen verhängnisvollen Lauf. Das Deutsche Reich erklärt am 31.Juli 1914 um ein Uhr mittags den „Zustand der drohenden Kriegsgefahr“. Am darauf folgenden Tag wird die Mobilmachung für Heer und Flotte angeordnet und mit der Kriegserklärung an Russland beginnt für Deutschland der Erste Weltkrieg. Durch die gegenseitigen Bündnisverpflichtungen der europäischen Staaten erfolgen in den nächsten Tagen weitere gegenseitige Kriegserklärungen, die Frankreich, England und weitere Länder zu Kriegsgegnern des Deutschen Reiches und seiner Verbündeten machen.

 

Für das Realgymnasium in Hörde stellen sich mit Kriegsbeginn viele Veränderungen ein. Zahlreich melden sich Lehrerkollegen und Schüler als Kriegsfreiwillige an die Front oder werden einberufen, was die Aufrechterhaltung eines durchgängigen geordneten Unterrichtes äußerst erschwert. Heinrich Schucht selbst hat das Eintrittsalter der Wehrpflicht bereits überschritten und unterrichtet im Kriegsjahr 1914 weiter die verbleibenden Schüler am Realgymnasium. An einem Wochenende im Dezember 1914 sitzt er zu Hause am Fenster seines Wohnzimmers neben dem kleinen, schön geschmückten Weihnachtsbaum, den seine Frau Wanda auf das kleine weiße Tischlein gestellt hat und schlägt die Dortmunder Zeitung auf. Es ist Sonntag, der 26.Dezember, als er in einem Aufsatz von der Rede des Schweizers Carl Spitteler erfährt. Professor Schucht ist enttäuscht und wütend über die Äusserungen Spittelers, schätzt er doch den Schriftsteller sehr und hat dessen Werke in vielen Vorträgen im Deutschunterricht behandelt. Er spricht mit seiner Frau Wanda über den Artikel und...

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