Es wird allgemein angenommen, dass Rongorongo die Osterinselschrift ist. Seit ihrer Entdeckung im Jahr 1864 durch Eugen Eyraud auf der Osterinsel bis heute wurde viel geforscht, viel geschrieben, viel vermutet, viel (angeblich) bewiesen – aber eine überzeugende Entzifferung von „Texten“ in Rongorongo gibt es noch immer nicht. Das Interesse an der vermeintlichen Osterinselschrift wächst ständig, was zahlreiche neue Einträge im Internet belegen. Hier findet man auch Literatur zur Genüge, die aber oft wissenschaftlich geschrieben ist und an der Sache interessierte Menschen teilweise überfordert, weil das Verständnis wissenschaftlicher Arbeiten immer eine gehörige Portion Fachkenntnis voraussetzt.
Texte über Forschungsergebnisse sind keine Romane oder Kurzgeschichten. Bei allem Bemühen, so verständlich wie möglich zu schreiben, muss die wissenschaft-liche Nomenklatur bleiben.
„Sie sind doch Maler. Ich hab’ da was für Sie. Sehen Sie doch mal nach, ob Ihnen etwas auffällt !“.
Das war für mich der Anfang, der bis heute noch immer kein Ende hat. Vor über 25 Jahren war es der Tübinger Wissenschaftler Thomas Sylvester Barthel, (1923 – 1997) der mir mit diesen Worten am Ende einer Tagung im Jahr 1988 im Senckenberg-Museum, Frankfurt/M. sein Buch in die Hand legte:
Thomas Barthel
Grundlagen zur Entzifferung der Osterinselschrift
Cram, De Gruyter & Co, Hamburg 1958
Barthel hielt es für möglich, dass aus der bislang in der Rongorongo-Forschung nicht genutzten Richtung „Kunst“ neue Hinweise oder neue Sichtweisen kommen könnten.
Das Buch war die Habilitationsschrift von Barthel und zeigte nach fast 100 Jahren seit der Entdeckung von Rongorongo, wie dieses System aus Zeichen genannt wird, erstmalig die Abschriften von 24 Objekten. Heute gehen wir davon aus, dass es ca. 15.000 Zeichen sind, die noch immer auf ihre Entzifferung warten.
Barthel hatte 9 wissenschaftliche Arbeiten zu seinen Rongorongo-Forschungen veröffentlicht, die letzte im Jahre 1990.
Niemand kann ein Buch über Rongorongo schreiben, ohne immer wieder auf Barthel hinzuweisen, einen Bezug zu seiner Arbeit herzustellen, ihn als ersten Rongorongo-Forscher mit wissenschaftlichem Anspruch zu zitieren. Barthel hatte mich zu eigenen Forschungen über die vermeintliche Osterinselschrift animiert und bis zu seinem Tod 1997 auch begleitet. Wir hatten unterschiedliche Auffassungen und sind natürlich auch zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen.
Bei aller Kritik an seinem analytischen Vorgehen, an seinen Hypothesen und Theorien, gebührt ihm das Verdienst, die vermeintliche Osterinselschrift aus der Ecke der Vergessenheit und der unhaltbaren Behauptungen ihrer Unentzifferbarkeit geholt und in den Fokus einer wissenschaftlichen Bearbeitung gebracht zu haben.
Es gäbe vermutlich keine Rongorongo-Forschung, wenn Barthel nicht den (zwar gescheiterten) Versuch unternommen hätte, zumindest mehr Licht in das Dunkel einer Schrift von der polynesischen Insel mit dem Namen Rapanui zu bringen, die keine Schrift ist.
Barthel ist der Bewahrer von Rongorongo und der Totengräber in einer Person. Er hatte mich immer angehalten, auf unseren vielen Arbeitsgesprächen „auf der Burg“ in Tübingen, meine Kritik an seinen Ergebnissen nicht zurückzuhalten. Ein „angedachtes gemeinsames Projekt“ kam nicht mehr zustande.
Es war mir ein großes Anliegen, meine Erstveröffentlichung in
Asian and African Studies, Bratislava 1998
„Kleine Augen auf großer Fahrt.
Zur Sternnavigation in Rongorongo“
mit einer Widmung zu versehen:
In Memoriam Thomas S. Barthel
Fast 40 Jahre nach Barthels Abschriften der Rongorongo-Tafeln und des einzigen Stabes publizierte der amerikanische Wissenschaftler Dr. Fischer die Ergebnisse seiner Rongorongo-Forschungen mit neuen Abschriften der Objekte:
Steven Roger Fischer
Rongorongo
The Easter Island Script
History, Traditions, Texts
Clarendon Press, Oxford 1997
Damit gab es für die Forschung erstmals Vergleichsmaterial für die Abschriften der Originale. Das Ergebnis zwischen Barthel und Fischer ist eine entsetzliche Katastrophe, denn die Differenz beträgt mehr als 30%.
Das sind die beiden einzigen Bücher zum Thema in deutscher und englischer Sprache. Im Internet findet der interessierte Leser noch mehr Artikel – fast ausschließlich in englischer Sprache. Der gemeinsame Nenner aller Publikationen seit 1864 bis heute besteht darin, dass jeder Forscher von „Schrift“ ausgeht und seine Ergebnisse und Theorien an diesen nicht bewiesenen Fakten festmacht. Es gibt keine wissenschaftliche Arbeit, die über seriöse und nachvollziehbare Beweise darlegen kann, dass Rongorongo eine Schrift ist. Es gibt nur Hypothesen! Um Schrift zu entziffern, muss man die Sprache kennen, in der die Schrift ihre Notationen verbirgt. Das ist die Ultima Ratio in der Schriftforschung, die sich bisher stets als richtig erwiesen hat. Sind die Zeichen aber keine Schrift, dann muss man herausfinden, was das „meaning of design“ bedeutet, wie es der schweizer Osterinselforscher Alfred Métraux bereits 1934 im Zusammenhang mit Rongorongo formulierte.
Summa summarum kommen dann doch etwa 40 Jahre Forschung bei mir zusammen. Wie oft ich gebeten wurde, doch endlich mal aufzuschreiben (aber so, dass es jeder versteht), was ich herausgefunden habe, kann ich nicht mehr angeben.
Wäre Rongorongo tatsächlich eine Schrift, hätte ich kein einziges Atom zu deren Verständnis beitragen können, denn ich verstehe keinen der ca. 40 gesprochenen Dialekte auf den Inseln im Pazifik.
Ohne näher darauf einzugehen, kann man davon ausgehen, dass ab 1938 Rongorongo alternativlos zur Schrift erklärt wurde und zur Osterinselschrift durch den österreichischen Wissenschaftler Heine-Geldern.
Der Fundort der meisten Objekte ist nachweisbar die Osterinsel, aber keinesfalls aller noch existierenden Artefakte. So wurde beweislos der Fundort zum Tatort stilisiert, was von Steven Fischer extrem mehr behauptet als bewiesen wurde.
So kann es doch nicht verwundern, dass alle bisher in Erscheinung getretenen Wissenschaftler Linguisten waren. Das ist nun einmal ihr Job und das können sie perfekt. Zwar fanden diese Spezialisten bis heute keine einzige zutreffende Zeichenerklärung in den Rongorongo-Glyphen, aber sie kämpfen mit Nachdruck und ohne Beweise dafür, dass Rongorongo eine Schrift ist und nur sie davon etwas verstehen. Das ist so seit immerhin fast 150 Jahren!
Querdenker gab es zu allen Zeiten und der so sehr gefürchtete Quereinsteiger in ein wissenschaftliches Fachgebiet hat schon immer wie ein Peitschenknall im Hühnerhof gewirkt. Citizen Science kommt aus Amerika und meint, dass der normale Bürger ohne akademischen Hintergrund, sehr nützliche Forschungen machen kann, die letzten Endes dann Wissenschaftlern wieder helfen.
In diese Ecke will ich aber nicht abgedrängt werden, denn Kunst ist eine Profession, die der Wissenschaft nicht unterlegen ist. Kunst und Wissenschaft haben sich vor etwa 400 Jahren getrennt, um eigene Wege zu gehen. Rongorongo verlangt aber, dass hier ein runder Tisch eingerichtet werden muss, denn ohne das Duo Kunst und Wissenschaft bleibt Rongorongo so stumm, wie seit 150 Jahren.
Ich habe die vermeintliche Osterinselschrift nicht entziffert - aber über meine Profession der bildenden Kunst einen neuen Ansatz gefunden und beweiskräftig vorgetragen, der das Verständnis von Rongorongo in gänzlich neue Bahnen lenkt.
Nach 150 Jahren erfolgloser Forschung kann doch nur ein neuer Gedanke, ein neues Denken den so lange gesuchten Ausweg zeigen.
In der Wissenschaft hat man sich schon immer schwer getan, neues Denken zuzulassen. Man muss doch nur die alten Paradigmen an neue Ideen anlegen und schon ist die Sache vom Tisch. Früher wurde das Neue noch bekämpft, aber dadurch bekam es Öffentlichkeit. Heute wird es verschwiegen, was sehr viel effektiver ist.
Rongorongo ist ein System bildhafter Zeichen zur Notation astronomischer Befunde wiederum zum Zwecke der Navigation zwischen den Inseln im unendlich großen Stillen Ozean. Bildhafte Zeichen zu analysieren ist im Pflichtenheft der Grafiker festgeschrieben und ganz gewiss nicht bei Linguisten.
Wenn nach...