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Hannover

Kleine Stadtgeschichte

AutorWaldemar Röhrbein
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2015
ReiheKleine Stadtgeschichten 
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783791760667
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Von der welfischen Landstadt des Mittelalters, die 1636 Residenzstadt wurde, über den rasanten Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Rolle als Verkehrs- und Wirtschaftsmittelpunkt Niedersachsens und Gastgeberin von EXPO 2000 und CeBit: In kurzgefasster Übersichtlichkeit bietet die Kleine Stadtgeschichte Hannovers die Entwicklung der niedersächsischen Landeshauptstadt von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ein wertvoller Reisebegleiter für die Besucher und ein unentbehrliches Nachschlagewerk für die Bewohner Hannovers!

Waldemar Röhrbein, Dr. phil. (1935-2014), studierte Geschichte, Anglistik, Pädagogik und Philosophie. Er war 1967-76 Leiter des Städt. Museums Göttingen, 1976-97 Direktor des Hist. Museums Hannover, 1995-97 auch des Kestner-Museums Hannover.

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Leseprobe

Hannover, eine welfische Landstadt


Eine günstige geografische Lage


Entstehung und Entwicklung der Stadt Hannover sind auf das Engste mit der Beschaffenheit der sie umgebenden und sie tragenden Landschaft verbunden. Links der Leine bildete sich infolge von Aufwehungen während und nach der Weichseleiszeit die Lösslandschaft des Bergvorlandes, rechts, auf der von der Leine berührten Niederterrasse, führten nachweichseleiszeitliche Trockenwinde auf dem Geestrücken zur Anhäufung längst abgetragener Sanddünen. Nach der letzten Eiszeit, der so genannten Weichsel- oder Würmeiszeit (ca. 115 000–10 000 v. Chr.), deren Eisschichten unseren Raum nicht mehr erreichten, änderte die Leine offenbar ihren Lauf. Sie floss nicht weiter in nördlicher Richtung in das Wietzetal, sondern wurde nach Nordwesten abgelenkt. Die Niederterrasse fällt zur Leine hin ziemlich steil ab, im Osten zur Eilenriede-Niederung nur ganz allmählich. In diesen landschaftlichen Gegebenheiten liegen die Voraussetzungen für die Entstehung der Stadt Hannover. Der Geestrücken war flussnah, aber hochwasserfrei und flachhügelig. Ihm war ein durch einen Leinearm abgetrennter Werder vorgelagert, dem sich ein Sporn des Lindener Berges so weit näherte, dass er die sonst 1,5–2 km breite Flussaue, die von zahlreichen Leinearmen durchzogen wurde, hier bis auf 500 m einengte. Die damit gegebene günstige Gelegenheit, Leinetal und Leine zu queren, was weder flussauf noch flussab auf weite Strecken möglich war, erwies sich verkehrstechnisch als der Hauptgrund für die Entstehung der Stadt Hannover.

Ur- und frühgeschichtliche Funde aus allen Stadtteilen


Die Archäologen haben innerhalb der heutigen Stadtgrenzen für eine Vielzahl von Plätzen sowohl Einzel- als auch Grab- und Siedlungsfunde aus allen Zeiträumen der Ur- und Frühgeschichte von der Steinzeit bis ins hohe Mittelalter nachweisen können. Daraus kann geschlossen werden, dass innerhalb des heutigen Stadtgebietes seit frühester Zeit Aufenthaltsorte, später Siedlungen bestanden, ohne dass immer von deren Kontinuität ausgegangen werden kann. Nach dem Sesshaftwerden der Menschen mit Ackerbau und Viehwirtschaft während des Neolithikums (ca. 5000–1800 v. Chr. ), das sich im Raum Hannover auf den Lössböden links der Leine um 4000 v. Chr., auf den weniger günstigen Lagen der Geestrücken rechts der Leine ab etwa 2500 v. Chr. vollzog, begann auch hier die sich schrittweise bis ins 18. Jahrhundert hinziehende Umwandlung der Naturlandschaft zur Kulturlandschaft. Keramikscherben aus der Bronzezeit (2000–ca. 700 v. Chr.) sowie Metallfunde aus der römischen Kaiserzeit (1.–3. Jh. n. Chr.) deuten auf weiträumige Beziehungen des als Durchgangslandschaft geltenden hiesigen Raumes hin, der damals zum Stammesgebiet der Cherusker gehörte.

 

HINTERGRUND

 

Hannover = Tulifurdum?

Die 2010 unter dem Titel »Germania und die Insel Thule« erschienene Entschlüsselung von Ptolemaios’ »Atlas der Oikumene« könnte nahelegen, eine darin genannte Siedlung Tulifurdum mit einer frühen Siedlung am hannoverschen Leineübergang in Verbindung zu bringen. Trotz der ermittelten großen Annäherungswerte zwischen den transformierten ptolemaiosschen und den modernen geographischen Koordinaten und der Möglichkeit, den Namensbestandteil furdum als jene Furt zu deuten, mittels der bei Hannover die Leine gequert werden konnte, bleiben erhebliche Zweifel bestehen.

 

Ein Mädchen aus dem vico hanovere


Die Anfangsphase der Stadtwerdung liegt in der für Hannover noch weitgehend schriftlosen Zeit des 9. bis 12. Jahrhunderts, so dass sich die Geschichtsschreibung trotz der zwischen 1948 und 1961 durch Helmut Plath vorgenommenen Ausgrabungen und Auswertungen sowie späterer Fundinterpretationen teils auf gewagte Hypothesen stützt. Als Mitte des 12. Jahrhunderts die »Miraculi Sancti Bernwardi« von einem Mädchen aus dem vico hanovere, also dem Dorf Hannover, berichten, das am Grabe des Hildesheimer Bischofs Bernward (um 960–1022, Bischof seit 993) Heilung von einem Augenleiden erfahren habe – eine Ersterwähnung Hannovers, die friedlicher nicht sein konnte – muss wohl eine Art Marktsiedlung vorhanden gewesen sein. Diese Annahme wird etwa um die gleiche Zeit von dem Reisebericht eines isländischen Abtes gestützt, der das damalige Hannover hanabruinborgar nennt. Mit dem Marktort, von dem beide, wenn auch nur in späteren Abschriften überlieferte Nennungen sprechen, dürfte wahrscheinlich die von Graf Hildebold von Roden zwischen 1124 und 1141 zusammen mit der Georgskirche angelegte Marktsiedlung gemeint sein.

Abb. 1: Ein Mädchen aus dem vico hanovere am Grab des Heiligen Bernward von Hildesheim. – Relief am Neuen Rathaus.

Auf die beiden genannten Erwähnungen Hannovers als Marktort folgte 1163 die erste urkundliche Nennung des Namens hanovere in einer Urkunde Heinrichs des Löwen, der hier einen Hoftag abhielt. Heinrich der Löwe wird für diese Zeit auch als Gründer der romanischen Aegidienkirche sowie der in ihrer Umgebung entstehenden und mit einer ersten Befestigung versehenen Siedlung angenommen. Dass in dieser Siedlung das in den Grenzbeschreibungen für das Bistum Hildesheim am Anfang des 11. Jahrhunderts genannte und in der älteren Literatur als Siedlung gedeutete tigisflehe aufging, ist in der Forschung umstritten. Das Zusammenwachsen dieser Aegidiensiedlung mit der Marktsiedlung und der Siedlung im Bereich des Herren- oder Wirtschaftshofes in der Nähe des Leineüberganges dürfte in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts vollendet gewesen sein. Das bedeutet: Hannover ist keine durch einen einmaligen Akt gegründete, sondern eine allmählich gewachsene Stadt. Diese entstehende Stadt hatte König Heinrich VI. in seinem Kampf gegen die Welfen 1189 niedergebrannt, nachdem er die kurz vorher in der Leinemasch bei Limmer von den Grafen von Roden, den Lehnsmannen Heinrichs des Löwen, erbaute Turmburg vergeblich belagert hatte. In den über die Zerstörung Hannovers berichtenden »Annales Steterburgenses« wurde Hannover von deren Verfasser, dem Abt Gerhard von Steterburg, zum ersten Mal als civitas, als Stadt, bezeichnet.

 

HINTERGRUND

 

 

Die Grafen von Roden waren offenbar Anfang des 12. Jahrhunderts von Lothar von Süpplingenburg, Herzog von Sachsen, Großvater Heinrichs des Löwen, als Untergrafen in dem von der östlich des Aegidientores in Richtung zur Wietze verlaufenden Grenze des Bistums Hildesheim bis in den Raum des Steinhuder Meeres reichenden Marstemgau eingesetzt worden. Zu diesem gehörte auch Hannover. Mitte des 12. Jahrhunderts scheint Heinrich der Löwe das Lehnsverhältnis erneuert zu haben.

 

Die Grafen von Roden: Klostergründer, Burgenbauer, Stadtherren


Nachdem Graf Konrad I. von Roden 1196 nordwestlich der Stadt auf einer nicht mehr zu erkennenden Leineinsel das Monasterium Sanctae Mariae in Werdere, das Kloster Marienwerder, gegründet hatte, dessen Kirche in ihren romanischen Teilen der älteste Sakralbau Hannovers ist, wird sein Sohn Konrad II. vor 1215 als Bauherr der Burg Lauenrode auf dem linken Leineufer gegenüber dem damaligen Westausgang Hannovers vermutet. Nach anderen Annahmen soll Pfalzgraf Heinrich, der Sohn Heinrichs des Löwen, der Bauherr gewesen sein. Konrad III. von Roden verkaufte offenbar zwischen 1227 und 1239, seinem Todesjahr, als Stadtherr der Siedlung hanovere das Recht der Selbstverwaltung durch consules (Ratsherren) und zur Führung eines Siegels. Schriftliche Überlieferungen dieser Rechtsakte sind genauso wenig bekannt wie zu dem möglicherweise in diesen Jahren erfolgenden Bau des ersten Rathauses. Die unumschränkte Herrschaft Konrads III. hatte ein Ende gefunden, als Otto das Kind, Neffe und Erbe des Pfalzgrafen Heinrich, 1235 seine dem Kaiser übertragenen Eigengüter als Fahnenlehen zurückerhalten hatte und als Herzog zu Braunschweig und Lüneburg in den Reichsfürstenstand erhoben wurde. Er zog die Stadt Hannover 1241 als welfisches Lehen wieder ein und wurde selbst Stadtherr.

1241: Hannover wird welfische Landstadt


Die als Folge dieser politischen Veränderung ausgestellte Urkunde vom 26. Juni 1241 – die älteste, in zwei Fassungen vorliegende Urkunde des Stadtarchivs – machte Hannover zu einer welfischen Landstadt. Sie bezeichnete Hannover zum ersten Mal offiziell als civitas, war aber keine Stadtrechtsverleihungsurkunde im eigentlichen Sinn, sondern enthielt die Bestätigung älterer Rechte und die Verleihung neuer Privilegien. Der Herzog versprach, die vorhandenen städtischen Rechte zu achten, zu verbessern und zu mehren. Die Aufsicht über die Stadt und die Zivil- und Strafgerichtsbarkeit lagen in den Händen des den herzoglichen Stadtherrn vertretenden Vogtes (advocatus). Ihm war der Worthzins, eine Grundbesitzabgabe, zu leisten, denn der Stadtherr hatte nach altem Recht das Obereigentum am Grund und Boden, auf dem sich die Stadt entwickelte.

hanovere, honovere, Hannover und die Deutung des Namens


Ursprung und Deutung des im 12. Jahrhundert sogleich in zwei Schreibvarianten vorkommenden Namens der Stadt sind bis heute ebenso umstritten wie deren Entstehungsgeschichte. Zuerst zwar als hanovere überliefert, benutzte ihn die Urkunde von 1241 wie auch das Siegel an einer Urkunde von 1266 als honovere. Abgelöst wurde diese Schreibweise erst durch den nachreformatorischen Rat, der 1534 – wieder zuerst in einem Siegel – die Schreibweise Hannover einführte, die sich dann bis 1600 durchgesetzt hatte.

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