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Hartz plus

Lohnsubventionen und Mindesteinkommen im Niedriglohnsektor

AutorKlaus Uwe Gerhardt
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl236 Seiten
ISBN9783531903002
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis42,99 EUR
Mit Lohnsubventionen und sozialen Einschnitten neue Jobs zu schaffen, war das Reformziel des ehemaligen VW-Managers Peter Hartz. Der Reformerfolg bleibt jedoch bislang aus. Arbeitsanreize für Minijobs bewirken nur dann eine spürbare Verbesserung der Arbeitsnachfrage, wenn eine Lohnuntergrenze und neue Investionsanreize für eine dynamische Binnennachfrage sorgen. Überdies ist das Ende der Vollbeschäftigung erreicht. Klaus-Uwe Gerhardt untersucht, ob und wie sich die Grundsicherung zu einem garantierten Grund- bzw. Mindesteinkommen weiterentwickeln lässt. Er zeigt Perspektiven zur Annäherung von Erwerbstätigkeit und nicht marktvermittelter Tätigkeiten (z. B. Familien- bzw. Eigen- und Gemeinwesenarbeit) auf.



Dr. rer. pol. Klaus-Uwe Gerhardt gehörte in den 1980er Jahren zu den Pionieren der deutschen Diskussion um ein Grund- bzw. Mindesteinkommen. Er arbeitet heute als Handelslehrer und freiberuflicher Wirtschaftswissenschaftler.


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Leseprobe
1 Einleitung (S. 15)

1.1 Arbeitsmarktkrise und politisches System

Das geänderte Arbeits- und Sozialrecht soll die Langzeitarbeitslosigkeit mit angebotsorientierten Instrumenten spürbar senken. Einkommensergänzungsleistungen spielen dabei eine besondere Rolle. Den Daten zufolge blieben Beschäftigungserfolge der Niedriglohnstrategie aus, Einkommensarmut nahm zu und die soziale Desintegration breiter Gesellschaftsschichten wuchs. Welche ökonomischen und politischen Restriktionen einer Rückkehr zur Vollbeschäftigung entgegenstehen, ist zunächst zu klären.

Aufstieg der Arbeiterschaft

Anknüpfungspunkt ist die populäre Feststellung des Endes des goldenen „sozialdemokratischen Zeitalters (Hobsbawm 1999: 285-465) in allen westlichen Industrieländern (vertreten in der OECD). Die Ära begann nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und sie endete ökonomisch mit der Ablösung des Bretton-Woods-Systems und politisch nicht abrupt, sondern sukzessive in den verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

Einige Autoren sehen die Anfänge auch erst im New Deal in den Vereinigten Staaten der dreißiger Jahre. Es gibt kaum eine Diskussion darüber, dass das Herzstück dieses übergreifenden industriegeschichtlichen Zeitalters in den zweieinhalb Jahrzehnten zwischen 1950 und 1975 anzusetzen ist.

Es war von einer weit gehend erfolgreichen Durchsetzung wohlfahrtsstaatlicher institutioneller Regelungen auf der Basis einer ökonomischen Boomphase (im Zeichen von Taylorismus/Fordismus1 und preisgünstigen fossilen Brennstoffen) gekennzeichnet. Nicht nur im Bereich der organisierten Facharbeiter (Insider), sondern auch für un- und angelernte Arbeiter (Outsider), dem Gros der Beschäftigten, gab es Verteilungskämpfe und -erfolge (Sockelungspolitik).

Neuorganisation der industriellen Beziehungen

Die Gründe für das Ende des sozialdemokratischen Zeitalters liegen m. E. in dem von zwei Seiten ausgeübten Druck auf die Profitrate (profit squeeze) insbesondere des industriell gebundenen Kapitals, welches den ökonomischen Prozess in den westlichen Industrieländern bis dahin vorangetrieben hatte.

Einerseits setzten die Arbeitsorganisationen im Zusammenwirken mit den damals meistens dominanten sozialdemokratischen Parteien und ihren linksliberalen Verbündeten aus dem (Klein-) Bürgertum verstärkt auf Lohnerhöhungen sowie Arbeitszeitverkürzungen (Wochenarbeitszeit, Urlaubsverlängerung) bei vollem Lohnausgleich. Arbeitsverhältnisse wurden zusehends sozialstaatlich reguliert – vom Management als lästig empfunden-, wobei der Kündigungsschutz im Mittelpunkt stand und der damit verbundene Zwang zu finanziellen Abfindungen bei Entlassungen.

In den meisten Industrieländern wurden in dieser Phase nach dem Zweiten Weltkrieg auch viele andere gesetzliche Vorgaben für das Ar- beitsverhältnis durchgesetzt, darunter als deutsche Besonderheit das Betriebsverfassungsgesetz und die erweiterte Mitbestimmung.

Andererseits konnte das industrielle Kapital solche Profit mindernden Zugeständnisse unter Strafe des eigenen Untergangs nicht mehr, wie bis dahin, durch tayloristische Produktivitätsgewinne kompensieren, weil es seit den siebziger Jahren zunehmend unter internationalen Konkurrenzdruck aus Fernost geriet: zuerst aus Japan, dann aus den „Tigerstaaten und zuletzt aus China. Preisgünstige Warenimporte erhöhten die Preis- und später die Qualitätskonkurrenz insbesondere für langlebige Gebrauchsgüter.

Die z. T. krisenhafte Entwicklung führte oft zum Untergang und/oder zur Verlagerung der lohnintensiven Branchen (Textilindustrie, Kleiderfertigung, Lederwaren). Es folgten Fotoindustrie und elektrotechnische Gebrauchsgüter. Derzeit werden die Autozulieferung und die Autoindustrie von diesem Prozess erfasst. Es verwundert nicht, dass der Automobilmanager Peter Hartz den konfliktträchtigen Arbeitsmarkt reorganisieren sollte.

Interessensgegensätze zwischen Arbeit und Kapitel, innerhalb einzelner Kapitelinteressen und zwischen Insidern und Outsidern am Arbeitsmarkt werden in Kapitel 3 dargestellt. Im Verhältnis der industriellen Beziehungen impliziert der Untergang von Großunternehmen zugunsten kleiner Gewerbe und Dienstleistungen (Revelli 1999, Piore/Sabel 1985, Kern/Schumann 1984) sowie anhaltend hohe Arbeitslosigkeit eine massive Schwächung der gewerkschaftlichen Verhandlungsmacht, denn die Gewerkschaften besaßen in der Großindustrie ihre wichtigste organisatorische Basis.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Abbildungsverzeichnis8
Tabellenverzeichnis9
Abkürzungsverzeichnis10
Vorwort14
1 Einleitung16
1.1 Arbeitsmarktkrise und politisches System16
1.2 Der sozioökonomische und technische Rahmen17
1.3 Fragestellungen und Aufbau der Arbeit20
2 Die Fakten: Struktur der Arbeitslosigkeit22
2.1 Die Anatomie der Krise22
2.2 Internationale Erfahrungen34
2.3 Beschäftigungspotenzial und Lohnstruktur41
2.4 Hartz plus – Zwischenfazit43
3 Die Ursachen: Angebot oder Nachfrage?44
3.1 Erklärungsdefizite der Mainstream-Ökonomie44
3.2 Makroökonomische Schocks und Arbeitslosigkeit56
3.3 Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums67
3.4 Finanz- und wirtschaftspolitische Optionen72
3.5 Hartz plus – Zwischenfazit80
4 Die Hintergründe: Konstitution der Lohnarbeit82
4.1 Entstehung eines Marktes für Arbeit82
4.2 Rechte und Chancen85
4.3 Arbeitsmarkt und Gesellschaft94
4.4 Zukunft der Arbeit und soziale Sicherheit98
4.5 Hartz plus – Zwischenfazit104
5 Lösungsvorschläge: Lohnsubventionen und negative Einkommensteuer106
5.1 Allheilmittel – Rettungsanker – Notnagel?106
5.2 Modelle der Lohnsubventionen108
5.3 Modelle der negativen Einkommensteuern119
5.4 Lohnsubventionen – das deutsche Großexperiment124
5.5 Hartz plus – Zwischenfazit126
6 Das Experiment: Hartz und der deutsche Arbeitsmarkt128
6.1 Einzelwirtschaftliche Kostensenkungsprogramme bei VW128
6.2 Gesamtwirtschaftliche Kostensenkungsprogramme132
6.3 Das Projekt Hartz I136
6.4 Das Projekt Hartz II138
6.5 Das Projekt Hartz IV147
6.6 Hartz plus – Zwischenfazit160
7 Die Wirkungen: Hartz – ein anderes „Modell Deutschland“?162
7.1 Mikroanalyse: Gewinner und Verlierer der Hartz-Reformen162
7.2 Makroanalyse I: Chancen der Zielerreichung169
7.3 Makroanalyse II: Risikofaktoren der Zielerreichung182
7.4 Gesetzescontrolling und Social Monitoring191
7.5 Hartz plus – Zwischenfazit199
8 Der Vorschlag: Mindesteinkommen und Lohnsubvention202
8.1 Kriterien des Reformkonzeptes202
8.2 Vorschlag eines garantierten Mindesteinkommens205
8.3 Finanzierungsvorschlag208
8.4 Hartz plus – Zwischenfazit217
9 Concluding Remarks218
Literatur222
Index244

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