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Jenseits der Hierarchie

Status im beruflichen Alltag aktiv gestalten

AutorJohannes M. Lehner, Walter O. Ötsch
VerlagWiley-VCH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl270 Seiten
ISBN9783527800360
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR

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Leseprobe

2 Sprache und Status


Unentwegt teilen wir uns sprachlich mit: Wir sprechen mit anderen, wir schreiben Briefe und E-Mails oder verfassen Texte, die irgendwann jemand lesen soll. Seit der Kindheit haben wir feine Antennen entwickelt, die sorgsam auf Statussignale achten. In jeder sprachlichen Äußerung sind sie zu finden. In der Schule und im Freundeskreis haben wir gelernt, was andere Menschen attraktiv oder unbeliebt macht und wie sie sich im Statusspiel positionieren. Wir sind Statusexperten in Bezug auf Sprache. Watzlawick und seine Kollegen[1] haben einmal gesagt: »Wir können nicht nicht kommunizieren.« In gleicher Weise gilt: Wir können uns nicht nicht positionieren. Bei jeder sprachlichen Äußerung schwingt ein Statuselement mit. Schon wenn sich jemand bei uns in einer gewissen Art vorstellt, erhebt er damit automatisch den Anspruch, ihn so zu behandeln, wie es jemand seiner Art erwarten darf. Alles, was wir mit Sprache ausdrücken, enthält – ob offensichtlich oder verborgen – einen Statuskern. Mit jeder sprachlichen Äußerung positionieren wir uns zu unserem Gegenüber. Bei allem, was wir in der Sprache tun, werten wir uns und andere auf oder ab. Wir möchten mit diesem Kapitel diese Merkmale bewusst machen, die in jeder sprachlichen Äußerung enthalten sind. Damit wird der Weg frei, Positionierung durch Sprache gezielter einzusetzen.

Kommandos und Hierarchien


Ein Team hat sich zu einer Teambesprechung in einem Kreis versammelt. Der Teamleiter Herr Maier fragt seinen Mitarbeiter Herrn Müller: »Herr Müller, würden Sie bitte den Vorsitz übernehmen?«

Auf den ersten Blick haben wir den Eindruck, Maier würde sich freiwillig in eine untergeordnete Stellung begeben, indem er Müller die Leitung anbietet. Tatsächlich ist der Zusammenhang zwischen Hierarchie, Status und Kommandogeben viel verwickelter. Und das zeigt sich in der Sprache deutlich. Hierarchie ist zunächst ein zugewiesener Status. Der Übergeordnete hat die Macht, dem Untergebenen (Mitarbeiter) Anweisungen zu erteilen. Ein militärischer Offizier schreit: »Sprung – vorwärts – decken!« In der Wirtschaft werden Befehle meist höflicher verpackt: »Herr Maier, legen Sie mir bitte morgen den Quartalsbericht vor.« Der Vorgesetzte verschafft sich Maier gegenüber eine höhere Position. Im Gegensatz zum Militär äußern Vorgesetzte in der Organisation ihre Kommandos subtiler. Oft kleiden sie sie in höfliche Fragen, auf die sie keine Antwort erwarten, schon gar nicht ein »Nein«. Die Gratwanderung zwischen Höflichkeit und Bestimmtheit ist schwieriger als simple militärische Befehle. Aber es ist immer noch relativ einfach aus der Vorgesetztenposition. Zum Teil nimmt das pseudodemokratische Züge an.

Wir kennen ähnliche Situationen: Ein Sitzungsleiter bringt einen Vorschlag ein, der ihm wichtig ist. Statt eine Diskussion anzuregen, meint er, die Sitzungsteilnehmer kaum ansehend: »Wer gegen meinen Vorschlag ist, möge die Hand heben. Ich sehe keine Gegenstimmen. Danke, dass Sie einer Meinung mit mir sind.«

Interessanter wird es, wenn hierarchisch Gleichgestellte einander Kommandos geben oder wenn Untergebene Vorgesetzte anweisen. Jeder kennt eine Sekretärin, die tatsächlich ihrem Boss Befehle erteilt. In manchen Belangen ist sie die Chefin der Firma. Führen ist auch aus niedriger Position möglich, man braucht dazu aber eigene Strategien.

Fast immer kann ein Kommando wie im obigen Beispiel in eine Frage verpackt werden: »Frau Müller, könnten Sie bitte Kaffee machen?« »Herr Fischer, übernehmen Sie das Protokoll?« Noch eleganter ist es, eine Frage in die Möglichkeitsform zu verkleiden: Schmidt: »Herr Fischer, würden Sie bitte das Protokoll übernehmen?« Fischer könnte zwar nein sagen, wird dies aber kaum wagen. Ob er annimmt oder nicht, spielt für das aktuelle Statusspiel keine Rolle. Indem Schmidt die Frage gestellt hat, hat er sich Fischer gegenüber höher positioniert. Ein Nein würde diesen vermutlich als Störenfried oder Querulant erscheinen lassen. Hat Fischer überhaupt eine Chance, der Niedrigpositionierung zu entkommen? Ja, denn jeder Art von Kommunikation kann wirkungsvoll begegnet werden. Er müsste dazu aber das Statusspiel bewusst durchschauen. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird dies deutlich werden.

Ein als Frage getarntes Kommando positioniert hoch. Vorgesetzten kann man aber so kaum Anweisungen geben. Die sprachliche Höherpositionierung würde ihre hierarchische Stellung zu deutlich untergraben. Viel eleganter ist es, Kommandos in scheinbarem Einklang mit der Hierarchie zu geben. Soll der Betriebsleiter endlich eine Entscheidung treffen, könnte ein Mitarbeiter sagen: »Chef, treffen Sie endlich eine Entscheidung!« oder » Chef, wann treffen Sie die Entscheidung?« Die erste Version wird vermutlich als Affront empfunden, im zweiten Fall wird der Vorgesetzte versuchen, eine Antwort zu finden. In beiden Fällen hat sich der Mitarbeiter aber höher positioniert, ohne die hierarchische Macht des Vorgesetzten – in diesem Fall seine Entscheidungskompetenz – in Frage zu stellen.

Die Sekretärin Linde Kindler legt ihrem Chef, der langweilige Akten gerne liegen lässt, eine Akte auf den Tisch. Auf ihr prangt das Post-it: »Ist fällig!« Der Chef später zu Kindler erbittert: »Ich möchte wissen, wer denn festlegt, wann etwas fällig ist. Ich habe schließlich Wichtigeres zu tun. Und zu Hause weiß ich auch was Besseres.« Kindler murmelt etwas vor sich hin und der Chef schwirrt mit der Akte in der Tasche ab. Am nächsten Morgen liegt sie fertig bearbeitet auf Kindlers Tisch.

Kommandos bringen hohen Status, wenn sie in einer geeigneten Form präsentiert werden. Oft sind kurze Anweisungen wirksam. Beim Militär, eine Expertenorganisation im Erteilen von Befehlen, heißt es: »Habt acht!« Eine Begründung wird nicht geliefert, sie hätte gegenteilige Wirkung und würde den Status untergraben. Beim Militär wird die Stimme am Ende des Kommandos nicht nur besonders laut, sondern auch erhöht, man hört gleichsam das Ausrufungszeichen. Hier geht es vor allem darum, gehört zu werden, unmissverständlich und möglichst über weite Strecken hinweg. Widerspruch ist nicht zu erwarten. Im zivilen Leben kann eine mildere Form des Kommandos auf die umgekehrte Art verstärkt werden: Die Stimme geht am Ende nach unten. Eine tiefe Stimme bringt hohen Status und die Stimme zu senken verleiht dem Satz Gewicht. Ein reines Kommando kann in der Firma immer auf Widerstand stoßen. Diese Gefahr kann die tiefe Stimme eher abbauen. Sie spricht stärker das Unbewusste an, weil sie eher mit den tieferen Frequenzen im Gehirn resoniert – den Alpha-Wellen mit ungefähr zehn Schlägen pro Sekunde. Die tiefe Stimme appelliert an das Gemeinsame und lässt daher potenzielle Widerstände gegen das Kommando gar nicht erst aufkommen. Außerhalb des Militärs ist diese Gefahr mit hoher Stimme größer.[2]

Der Name als Befehl


Anweisungen wirken stärker, wenn sie den Namen direkt enthalten: »Herr Fischer, übernehmen Sie das Protokoll?« Wie der Sprecher »Herr« oder »Fischer« betont, macht aus dem Satz eine Frage, eine Bitte oder einen Befehl – mit entscheidenden Konsequenzen für das Statusspiel. Aus jeder noch so einfachen Feststellung kann eine positionssteigernde Aussage gemacht werden, indem der Name des Adressaten voran- oder nachgestellt wird. Vergleichen wir den Effekt dieser drei Sätze:

»Das macht mir Sorgen.«

»Hans. Das macht mir Sorgen.«

»Das macht mir Sorgen, Hans.«

So positionieren sich manchmal auch Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen gegenüber Vorgesetzten hoch. Statt »Wir haben hier einen großen Fehler gemacht« – eher ein Eingeständnis an den Chef – klingt »Chef, wir haben hier einen großen Fehler gemacht« eher als Aufforderung, diese Tatsache anzuerkennen.

Mit dem Namen kann Status auch sehr subtil ausgedrückt werden. Die britischen Aristokraten sollen ja alle ihre Butler immer mit dem gleichen Namen angesprochen haben: »James, den Tee!«, egal wie der Butler tatsächlich hieß. Sie drückten damit unbeschränkte Verfügungsgewalt, aber auch ein Vertrauensverhältnis aus.

Die Chefsekretärin Elke Meier war in der Firma sehr angesehen. Bis auf einige Freunde, die sie »Elke« riefen, sprachen alle sie mit »Frau Meier« an. Nur der Chef rief aus seinem Büro: »Fischerin, kommen Sie mal ...!« Er nannte sie nicht nur bei ihrem Mädchennamen »Fischer«, sondern machte daraus noch die weibliche Form.

Der Chef signalisiert nicht nur eine besondere Vertrautheit mit »seiner« Sekretärin, sondern stellt sich nochmals über die anderen, weil er sich eine Form der »Anrede« herausnimmt, die nur ihm zusteht. Ähnliche »Fehlleistungen« wirken oft beleidigend, der Status sinkt. Ein Kollege grüßt Herrn Bruckmüller, den er nicht ausstehen kann, ständig...

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