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Kampf um Sinn

Kulturmächte der Moderne im Widerstreit

AutorMax Fuchs
VerlagHerbert Utz Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783831640720
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Offensichtlich ist in der Moderne Sinn zu einer knappen Ressource geworden. Denn viele Menschen, Berufe oder Institutionen versprechen, die Sehnsucht nach Sinn zu erfüllen. »Kultur« spielt in diesem Kontext eine wichtige Rolle. Denn diese ist es, die in zahlreichen Gesellschaftstheorien die Aufgabe der Sinnproduktion zugewiesen bekommen hat. Doch was ist das überhaupt, die »Kultur«? Das Buch führt in die inzwischen unüberschaubar gewordene Diskussion über geeignete Definitionen ein, stellt anschließend dar, wieso Wirtschaft, Politik, Religion und die Gemeinschaft als »Kultur« verstanden werden können und zeigt, dass und wie es aufgrund dieser Verständnisweise zu einer Konkurrenz um das beste Sinnstiftungsangebot kommt. Das Buch wendet sich an Studierende der Human- und Gesellschaftswissenschaften, die ihr Verständnis von »Kultur« und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung klären wollen.

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Leseprobe
Teil III Kulturmächte im Widerstreit (S. 173-174)

9. Der Streit um Sinn


Rüdiger Safranski (2007, S. 392 ff.) kommt am Ende seines Buches über die Romantik auf die Rolle des romantischen Denkens in der Politik zu sprechen. Dieses war von Anfang an in mehrfacher Hinsicht vorhanden:

“Die Romantik als Epoche ist vergangen, das Romantische als Geisteshaltung aber ist geblieben. Es ist fast immer im Spiel, wenn ein Unbehagen am Wirklichen und Gewöhnlichen nach Auswegen, Veränderungen und Möglichkeiten des Überschreitens sucht.“ Die Romantik arbeitet sich ab an einer vermeintlichen Dominanz des Rationalen, der Unterdrückung der Sinne, der Phantasie, der Individualität.

Man kann die Romantik einordnen nicht nur in die Geschichte der Moderne, sondern in die Geschichte der Selbstreflexion dieser Moderne, speziell: ihrer Ambivalenz und Dialektik. Die Moderne bedeutet durchaus Warenproduktion, Überfluss und Befreiung. All dies hat aber seinen Preis, den viele nicht zu zahlen bereit sind. Bereits im Vorwort habe ich auf die aktuelle Debatte über die Bewertung der mit der gegenwärtigen Etappe der Moderne verbundenen Wirtschaftsform, dem globalisierten Kapitalismus, hingewiesen. Harte Kritiker werfen ihm nicht nur eine höchst ungerechte Verteilung des Wohlstandes, sondern auch eine massenhafte Deformation des Menschen vor.

Gerade weil die Romantik hier ansetzt und Alternativen für die Künste, die Lebensweise die Politik vorschlägt, findet man viele ihrer Motive in der Postmoderne, dem vorläufig letzten großen Aufbäumen gegen die Zumutungen der Moderne. Ob allerdings gerade die politischen Vorschläge und Alternativen, die aus einem romantischen Denken heraus entwickelt werden, aus der Krise führen, darf bezweifelt werden. Denn neben der allseits bekannten und beschriebenen Dialektik der Aufklärung gibt es eine nicht minder gefährliche Dialektik der Romantik. So gibt es zwar – gerade bei ihren ersten Vertretern – gesellschaftskritische Vorstellungen, die auf eine Entwicklung in Richtung mehr Demokratie zielen.

Die einflussreichste Tendenz ist jedoch eher rückwärts gewandt. Die Konzentration auf den Einzelnen, der bestenfalls in einer „Gemeinschaft“ ein zu Hause findet, eine Ablehnung der Massengesellschaft – was auch heißt: der Massendemokratie –, die Pflege eines aristokratischen Ästhetizismus: all dies hat oft genug und gerade in der Weimarer Republik eine unheilvolle Rolle gespielt. Safranski kann – auch im Hinblick auf dieses Problem – auf einen der Gründerväter, nämlich Friedrich Schlegel, hinweisen. Dieser forderte die „Trennung der Sphären“, speziell: die Entlastung des Schönen von Wahrem und Sittlichem. Dies, so Safranski, war die Grundlage für die „Grandiose Entfesselung des Romantischen“ (393). In diesem Sinne fährt er fort:

„Das Romantische gehört zu einer lebendigen Kultur, romantische Politik aber ist gefährlich. Für die Romantik, die eine Fortsetzung der Religion mit ästhetischen Mitteln ist, gilt dasselbe wie für die Religion: Sie muss der Versuchung widerstehen, nach der politischen Macht zu greifen. Phantasie an die Macht! – das war wohl doch keine so gute Idee.“ (ebd.). Dieser Gedanke der Trennung der Sphären ist am strengsten in der funktionalen Soziologie in Anschluss an Talcot Parsons ausgearbeitet worden. Dieser unterscheidet im Anschluss an die Gründerväter der Soziologie in Deutschland und Frankreich gesellschaftliche Subsysteme (Politik, Wirtschaft, Gemeinschaft und Kultur) mit jeweils eigenen Aufgaben, Handlungslogiken und Kommunikationsformen.

Dem Subsystem Kultur (Religion, Kunst, Wissenschaften etc., Medium ist „Sinn“) bleibt es vorbehalten, über Sinndiskurse die Handlungen und Entwicklungen in den drei anderen Subsystemen zu reflektieren und zu bewerten. Aus diesem Grunde muss das Subsystem Kultur einen gewissen Schutzraum haben: Im Hinblick auf die Geschwindigkeit (eher langsam), die Ergebnisse (gerade nicht notwendig „effizient“), die Einheitlichkeit (Vielfalt), auf das Verfahren (diskursiv, Wiederholungen sind dabei unvermeidlich). Diese Gedanken des Schutzraums machen es dann auch möglich, das Romantische ohne negative Auswirkungen auf das Ganze der Gesellschaft auszuleben."
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhaltverzeichnis6
Vorwort8
1. Zur Einleitung: Was ist Kultur? Zehn Aspekte10
Teil I: Kulturelle Grundlagen der Gesellschaft24
2. Kultur oder Leitkultur?24
3. Zur Genese von Kultur: Quellen, Bereiche, Geschichte35
4. Eine Zwischenbilanz59
Teil II Kulturmächte70
5. Wirtschaft als Kultur70
6. Politik als Kultur112
7. Religion als Kultur Zur Relevanz des Religiösen132
8. Kulturmacht Gemeinschaft Vorbemerkung157
Teil III Kulturmächte im Widerstreit 9. Der Streit um Sinn176
9. Der Streit um Sinn176
10. Schlussbemerkung: Bildung und Erziehung als Kultur188
Literaturverzeichnis192
Liste der Abbildungen206

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