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Kinder brauchen Seelenproviant

Was wir ihnen für ein glückliches Leben mitgeben können

AutorArmin Krenz
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783641032340
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Kinder für ihr Leben stärken
Kinder brauchen Seelenproviant. Ausgestattet mit Liebe, Zeit und Sicherheit sind sie bestens gerüstet für einen glücklichen und erfolgreichen Lebensweg. Mit vielen Beispielen zeigt Armin Krenz, wie Erwachsene emotionale Zuwendung schenken können.

Armin Krenz, Jg. 1952, derzeit Honorarprofessor für Entwicklungspsychologie und Elementarpädagogik et. Prof. h.c. Dr. h.c. (Landesuniversität Moskau), hat zunächst in einer Erziehungs- und Lebensberatungsstelle, dann als Fachbereichsleiter in einem Fort- und Weiterbildungsinstitut für ErzieherInnen und anschließend fast 30 Jahre als Wissenschaftsdozent am außeruniversitären Institut für angewandte Psychologie und Pädagogik in Kiel gearbeitet.

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Leseprobe
Kindheiten heute – Kinder zwischen Lust und Frust

Wenn Eltern zu viel fordern und erwarten


Kinder und Uhren dürfen nicht ständig aufgezogen werden, man muss sie auch gehen lassen.
Jean Paul
Eine Tag für Tag zu beobachtende Tatsache ist, dass das gesamte Kinderleben immer stärker einem Leben gleichkommt, das fast ausschließlich einer Aneinanderreihung von »pädagogischen Arrangements« entspricht. So wird das Kinder(er)leben immer stärker eingeschränkt, die Kinderzeiten werden immer häufiger zerteilt und die Kinderwelten immer stärker zerrissen. Es wird für Kinder gedacht und für sie geplant, es wird für Kinder arrangiert und für Kinder gehandelt, anstatt zu begreifen, dass eine »Pädagogik vom Kinde aus« eine lebendig erlebte Alltagspädagogik mit dem Kind ist.
Viele Eltern haben schon in frühen Jahren damit begonnen, ihren Kindern ihre eigenständige Kindheitszeit vorzuenthalten, indem sie die Kinder in »Arrangements« untergebracht haben. Mit dem Babyschwimmen, den Krabbelgruppen und frühkindlichen Förderprogrammen fing es an. Es folgten die ungezählten Kurse und Trainings (Montag: Ballett/Judo; Dienstag: Flöten-/Klavierunterricht; Mittwoch: Turnen/ Fußball; Donnerstag: Reiten/Handball; Freitag: Tennis/ frühes Leselernen; Samstag: Sportturniere; Sonntag: frei!?) schon während der Kindergartenzeit. Viele Kinder hatten und haben ein Tagesprogramm, das von der Zeitstruktur her betrachtet dem eines Managers ähnlich ist.
Indianerspiele haben daher längst ausgedient und für den Marterpfahl oder gar eine Friedenspfeife ist im normalen Alltagsgeschehen der Kinder kein Platz mehr. So weiß auch schon die zweieinhalbjährige Leonie sehr genau, was Zeit bedeutet. Wenn die Mutter jeweils am Dienstag- und Donnerstagvormittag die kleine Reisetasche packt, heißt das für Leonie: Es geht zum Rhythmikkurs. Dort bewegt sich die Kleine im rot-schwarzen, modisch-aktuellen Dress nach den Taktvorgaben und Mama schaut stolz auf ihr bewegungsbegabtes Kind. Am Mittwochnachmittag steht »Englisch für die Jüngsten« auf dem Programm und an den anderen Tagen wird per Handy ein Spieltreff arrangiert, damit möglichst viele »Zeitfenster« im Rahmen einer »guten Entwicklungsförderung« genutzt werden.
Schon vor Jahren sprach der Hildesheimer Pädagoge Ernst Cloer von einem Kinderalltag »im Zeittakt industrieller Fertigung« und der Würzburger Erziehungswissenschaftler Günther Bittner beklagte eine »Durchrationalisierung des Kinderlebens nach Schichtdienst und Stundenplan, eine ökonomische Zeitplanung bis in die Kinderstube hinein«. Bei genauerer, zeitaktueller Betrachtung zeigt sich, dass auch elementar- und sonderpädagogische Einrichtungen diese Vertreibung der Kindheiten (im familiären Bereich) zunehmend mitmachen, institutionell aktiv ausbauen und pädagogisch mit dem »neuen« Bildungsauftrag einer progressiven Frühpädagogik zu begründen versuchen. Sie wollen damit immer wieder kognitive Prozesse fördern, als ob es darum gehe, ein weitestgehend leeres Fass in möglichst kurzer Zeit zu füllen. Und schnell wird noch vor alle künstlich hergestellten Lernsituationen die inhaltsleere Worthülse »ganzheitlich« davorgesetzt, um das Ganze pädagogisch zu legitimieren – ohne allerdings diesen Begriff mit Leben zu füllen. Diese Realität kommt nicht selten einem »pädagogischen Aktionismus« gleich.
Ein Kind ist kein Lotterielos, um den ersten Preis zu gewinnen.
Dr. Janusz Korczak
Studiert man sorgfältig die Fachliteratur im Feld der Kindheitsforschung aus den letzten 15 Jahren, fallen immer wieder dieselben Warnungen auf: Wir haben es mit »gehetzten Kindern« zu tun, Kinder stehen »unter einem vermehrten Dauerstress« und die Zunahme der »Vertreibung von Kindlichkeit« nimmt außergewöhnliche Maße an. Kinder »leiden zunehmend an typischen Managerkrankheiten«, stecken »in dramatischen Beziehungsnöten« und das »Ende der Kindheit ist eingeläutet«. Kindheit ist zunehmend »organisiert und isoliert« und schon lange »kein Kinderspiel mehr«. Und so nahm und nimmt auch in Elternhäusern die didaktisierte Pädagogik ihren Lauf: Bewegungsfreudige Kinder erhalten die Möglichkeit, ihre Anspannungen und ungezügelten Kräfte im Sporttraining oder auf der »Bewegungsbaustelle« auszudrücken, für emotional irritierte Kinder werden in Volkshochschulkursen schon für die Jüngsten »meditative Entspannungsübungen und märchenhafte Bilderlebnisse« angeboten. »Feuererziehung« scheint sich bei der »Behandlung ängstlicher Kinder« besonders zu empfehlen und die Fülle einer erlebnisreichen »Tasterfahrungswelt« beschränkt sich nicht selten auf künstlich hergestellte Wahrnehmungsfelder wie Tastwände und Fühlstraßen. »Hörerlebnisse« zur Differenzierung von Geräuschen »erfahren« Kinder über CD- bzw. kassettengeprägte Geräuschquellen und ein frühes Lesenlernen wird Kindern über »kindgerechtes Frühleselernen« beigebracht – in Ausblendung der Ergebnisse der PISA-Studie 2000, bei der sich unter anderem zeigte, dass finnische Jugendliche vor allem deswegen eine so hohe Lesekompetenz besaßen, weil ihnen im Kindesalter regelmäßig und viel vorgelesen wurde, beispielsweise regelmäßig in Form von Gutenachtgeschichten.
Die lebensprägende Reise vom Kleinkind zum Erwachsenen wird dadurch immer kürzer, brüchiger, komplizierter und unübersichtlicher. Kinder können zwar in zunehmendem Maße theoretisch über viele Dinge dieser Welt reden, sind aber gleichzeitig immer weniger in der Lage, identisch und einfühlsam, sozial engagiert und auf der Grundlage verinnerlichter Werte ein kompetentes, ausgefülltes und glückliches Eigenleben zu führen und aktiv zu gestalten. Sie sind darüber hinaus immer weniger fähig, Konflikte mit Gleichaltrigen sorgsam auszutragen, Belastungen auszuhalten, Anstrengungsbereitschaft auf sich zu nehmen und in ihrem Tagesablauf selbstständigen Hobbys und Interessen nachzugehen.
Die Lösung aus dem beschriebenen Dilemma der Kinder und einer »förderwütigen« Frühpädagogik umfasst einige wesentliche Aspekte, die nur thesenartig skizziert werden sollen:
• Eltern müssen sich von der Vorstellung und damit dem Bild verabschieden, Kinder seien schon in den ersten sechs Lebensjahren zu perfektionieren.
• Eltern müssen die ersten Lebensjahre von Kindern als einen eigenen Entwicklungszeitraum »Kindheit« begreifen und ihre gesamten Erwartungen darauf abstimmen.
• Eltern müssen mit Kindern leben wollen, mit Kindern fühlen, mit ihnen planen – sie müssen sich dem Kind vor sich und dem eigenen Kindsein in sich direkt und unmittelbar zuwenden.
• Eltern müssen die Perspektive der Kinder achten und damit aufhören, Kinder in die Perspektive der Erwachsenen zu zerren.
• Kinder brauchen weniger eine didaktische Vielfalt an Programmen als vielmehr Bezugs- und Bindungspersonen, die sich selbst als den entscheidenden »didaktischen Mittelpunkt« begreifen. Sie brauchen staunende, mitfühlende, wissende, in sich ruhende, lebensfrohe und zuverlässige Menschen um sich herum – und keine gehetzten, erwartungsbesessenen, stets alles besser wissende Eltern, die sich hauptsächlich selbst über besondere Leistungen ihrer Kinder definieren wollen.
• Eltern sollten begreifen, dass Kinder weder »Demonstrationspüppchen« noch »vorzeigbare Leistungsträger« sind, die die (heimlichen) Hoffnungen ihrer Eltern zu erfüllen haben und deren Zuneigung wiederum hauptsächlich von ihren gezeigten Leistungen abhängig ist. In der Erziehungspsychologie wird ein solches Verhalten von Eltern als »Liebeszuneigung unter Bedingungen« bezeichnet. Dadurch fühlen sich Kinder in der Regel außergewöhnlich stark unter Druck gesetzt und entwickeln folgendes Selbstbild: »Ich bin nur dann ein geliebtes Kind, wenn ich gut bin und meine beste Leistung zeige.«
Die Angst vieler Eltern vor einem verkümmerten Genie ist anscheinend groß. Was würde wohl bei einem Vernissage-Treffen bildungsorientierter Eltern besser ankommen: der elterliche Bericht von einem gelungenen Konzert und dem Soloauftritt des Jüngsten (mit zweimaliger Zugabe) oder der Bericht, dass Larissa und Anton die Nachbarn mit Holunderbeeren beworfen haben und einen Heidenspaß dabei hatten?
Es ist die Zukunft, die für viele Eltern im Vordergrund der Pädagogik steht! Diese Vorstellung mag zunächst auch berechtigt und nachvollziehbar erscheinen. Doch die Folgen auf die kindlichen Entwicklungsprozesse sind aus Sicht der Entwicklungspsychologie nicht selten dramatisch. Warum?
1. Kindern wird immer stärker die Möglichkeit genommen, Kind zu sein. Dazu gehört ihr Spiel, ihr magisches Denken, ihre Welteroberung, ihr Träumen, ihr individuelles...
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