Mit dem Zeitalter der Aufklärung, der Industrialisierung und Demokratisierung entstand eine sich schnell wandelnde wirtschaftliche, geistige und politische Realität. Kontinuierlich gab die Familie Produktions- und Dienstleistungsaufgaben bzw. Kompetenzen an so genannte „sekundäre Systeme“ wie: Industrielle Großbetriebe, kommunale und staatliche Verwaltung oder öffentliche Einrichtungen, ab (vgl.: Kardas, Langenmayr 1996, S.26).
Diese Funktionsverlagerung ist ein wesentlicher Bestandteil in Bezug auf die Veränderung in der Familie. Es entstand eine Reduktion des Familienverbandes, die das heutige Bild der modernen Familien bestimmt. Der Grund für die fortschreitende Minimierung der Großfamilien liegt nicht nur an der Umverteilung der Aufgaben, die einzelnen Kernfamilien selbst forderten die Autonomie, die seit dem frühen Bürgertum unverändert angestrebtes Ideal war (vgl.: Kardas, Langenmayr 1996, S.26f).
Durch die Prozesse der Individualisierung und Demokratisierung hat es während dieses Jahrhunderts einen bedeutende und relativ eindeutigen Wert- und Bedürfniswandel der früheren Kernfamilien gegeben (vgl.: Kardas, Langenmayr 1996, S.27 f).
Drei wesentliche Entwicklungspunkte sind nach Kardas, Langenmayr (1996) zu erwähnen:
1. Es entwickelte sich eine Abschwächung der männlichen Dominanz und einseitige Privilegierungen der Ehemann-Vaterrolle wurden aufgehoben. Analog wurden partnerschaftliche statt traditionell fixierte Modelle ehelicher Arbeitsteilung gefordert und umgesetzt.
2. Es stellte sich eine Machtangleichung zwischen Männer und Frauen ein, welche auch als eine Enthierarchisierung bezeichnet werden kann.
Sie wird als notwendige Voraussetzung für einen dauerhaft stabilen, emotionalen Austausch innerhalb der Familie angesehen.
3. Mit der Spezialisierung von Familien und Partnerbeziehungen auf emotionale Bedürfnislagen hat sich eine weitere wichtige Form des Bedeutungswandels von Ehe und Familie durchgesetzt
(vgl.: Kardas, Langenmayr 1996, S.27 f).
Bis Mitte der 1960er Jahre wurde die Motivation zur Eheschließung zwar auch durch eine emotionale Partnerbeziehung ausgelöst, aber häufig entstand die Ehe auf Grund gesellschaftlicher und ökonomischer Normen und Akzeptanzen. Die Eheschließungen vor der Industrialisierung war ein sorgfältig kalkulierter ökonomischer Akt und diente vorwiegend der Sicherung von Besitzgütern. Materielle Interessen standen häufig im Vordergrund. Die Brautwahl orientierte sich oft an der Höhe der Mitgift und dem Soziokulturellen Stand der Familie. Aber auch die Arbeits- und Gebärfähigkeit sowie die Gesundheit der Frau waren entscheidende Merkmale für oder gegen eine Eheschließung (vgl.: Narve-Herz 2004, S.18 ff).
Heute hat die Eheschließung an zwingender Notwendigkeit zur Erfüllung bestimmter elementarer Bedürfnisse oder als materielle Versorgungsinstitution, für Frauen und Männer, an Bedeutung verloren (vgl.: Narve-Herz 2004, S.19 f).
In der Bundesrepublik Deutschland wird aktuell überwiegend aus drei Gründen eine Eheschließung vollzogen (vgl.: Schneewind und Vaskovics 1992, Matthias-Bleck 1997 und Nave-Herz 2004).
A Auf Grund einer Schwangerschaft
B Ein Kinderwunsch
C Das Vorhandensein eines Kindes oder mehrerer Kinder
Die Ehe und die nichteheliche Lebensgemeinschaft unterscheiden sich in der Bundesrepublik Deutschland durch den Gründungsanlass: Eine partnerbezogene Emotionalität ist häufiger ein stärker Anlass für die Gründung einer Nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Die emotionale kinderorientierte Partnerbeziehung führt eher zu einer Eheschließung (vgl.: Kardas, Langenmayr 1996, S.29).
Der Trend der funktionalen Spezialisierung in Bezug auf die Partnerschaften schreitet weiter voran und die Entstehung der nichtehelichen Lebensgemeinschaften kann auf einen gesamt gesellschaftlichen Veränderungsprozess zurückgeführt werden (vgl.:Narve-Herz 2004, S. 19).
In zahlreichen Veröffentlichungen, z.B. von Beck-Gernsheim (1990) oder Barabas und Erler (2002) wurde in den letzten Jahren auf die gestiegene Instabilität von Ehe und Familie und auf ihre sinkende Verbindlichkeit hingewiesen und diese Entwicklung als De-Institutionalisierungsprozess der Familie gedeutet.
Barbas und Erler betonten den gestiegenen Traditionsverlust, beklagten aber die Auflösung fester Verbindlichkeiten nicht, sondern stellten den verbundenen Gewinn an Freiheit in den Vordergrund. Sie bewerten es als Chance, zwischen verschiedenen Formen menschlichen Zusammenlebens wählen zu können und benennen diese Entwicklung als Individualisierungsprozess (vgl.:Nave-Herz 2004, S.13).
Denkbar wäre dieser Wandel resultierend aus der ökonomischen Wohlstandssteigerung, dem sozial-staatlichen Absicherungssystem und dem gestiegenen Bildungsniveau (vgl.: Kardas, Langenmayr 1996, S.25).
Während der letzten Jahrzehnte haben in der Bundesrepublik Deutschland verschiedene Familienformen, die nicht dem „Normalitätsmuster“ entsprechen, zugenommen. Im Hinblick auf den Familienbildungsprozess und auf die Rollenzusammensetzung der nicht ehelichen Lebensgemeinschaften gab es eine deutliche Zunahme der Kindern, die in nicht ehelichen Lebensgemeinschaften aufwuchsen (vgl.: URL 1).
Des Weiteren ist ein stetiger Anstieg von Ein-Eltern-Familien und Stiefelternschaft beobachtet worden. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten westlichen Ländern haben in den letzten dreißig Jahren die nichtehelichen Lebensgemeinschaften stark zugenommen. Von (dem Jahr) 1995 bis 2005 hat sich die Zahl mehr als verdoppelt. 2005 lebten in Deutschland ca. 2,4 Millionen in der erwähnten Lebensform (vgl.: Narve-Herz 2004, S.18).
Die nichtehelichen Lebensgemeinschahhaften lösen keineswegs die Ehe ab, wie häufig vermutet wird, sondern diese Partnerschaft hat bewirkt, dass sich der Phasenablauf bis zur Ehegründung nach hinten verschiebt (vgl.: Kardas, Langenmayr 1996, S.26).
Laut des Gender Datenreport ist auch das durchschnittliche Heiratsalter von 1991 bis 2003 deutlich gestiegen.
Tabelle 1 Durchschnittliches Heiratsalter in Deutschland
1991 bis 2003 (in Altersjahren)
(vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Gender Datenreport 2005)
In den letzten 20 Jahren hat die traditionelle Kernfamilie mit ihren lang gültigen moralischen und sozialen Wertevorstellungen ausgedient.
Alternative Lebensstile haben sich entwickelt und die Scheidungsraten sind gestiegen (vgl.: URL 1).
Tabelle 2 Scheidungsraten in Deutschland
Die steigende Scheidungsrate führte zu einer großen Zahl von allein erziehenden Elternteilen, viele Kinder werden von Stiefeltern erzogen und Geschwister wachsen getrennt auf(vgl.: URL 1).
Nach der These der „Scheidungsspirale“ von Engelhardt 1998 gibt es Faktoren, die ähnlich eines Schneeballsystems wirken. Bestimmte Scheidungsrisiken können sich selbst verstärken.
Nach Engelhardt (1998) gibt es fünf Mechanismen zur Eigendynamik von Scheidungen.
1. Durch die steigende Anzahl von Scheidungen nimmt auch die Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft zu. Die Scheidung ist keine verhöhnte Ausnahme mehr, sondern gesellschaftlich akzeptiert. Diesen Entwicklungsschritt innerhalb der Gesellschaft hat unter anderem die Reform des Eherechts 1976 ausgelöst (vgl.: Engelhardt 1998, S.15), (vgl.: Puckert 2005, S.183 f).
2. Eine weitere These ist die so genannte „sich selbst erfüllende Prognose“ (Puckert 2005 S. 183). Je mehr Scheidungen im persönlichen Umfeld wahrgenommen werden, umso größer wird die Skepsis in Bezug auf die lebenslange Stabilität der eigenen ehelichen Paarbeziehung (vgl.: Engelhardt 1998, S.15), (vgl.: Puckert 2005, S. 183f).
3. In der Gesellschaft hat sich die Chance einer Wiederheirat oder auf eine neue emotionale Bindung erhöht. Die erneute Partnersuche wird auf Grund der steigenden Scheidungen erleichtert. (vgl.: Engelhardt 1998, S.15), (vgl.: Puckert 2005, S. 184).
4. Ein weiteres Merkmal zur Eigendynamik bezogen auf die Scheidungsraten entsteht durch die Erwerbstätigkeit der Frauen und Mütter. 1950 war jede vierte Mutter mit einem Kind unter 18 Jahren erwerbstätig. 1960 war es jede dritte Mutter und letztendlich 2010 ca. 2/3 aller Mütter mit Kindern unter 18 Jahren. Die Hälfte der Mütter sogar mit Kindern unter sechs Jahren. Die größte Gruppe der erwerbstätigen Frauen stellen die allein erziehenden Mütter dar (vgl.:...