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E-Book

Lebensräume - Lebensträume

Innovative Konzepte und Dienstleistungen für besondere Lebenssituationen

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl184 Seiten
ISBN9783170296015
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Ambient Assisted Living (AAL), Universal Design, Lifestyle, Ambiente: wohlklingende Begriffe, prickelnde Schlagworte - aber passen sie zu den besonderen Lebenssituationen, in denen zum Beispiel junge Familien, kranke Menschen, Menschen mit Behinderung oder Menschen im Alter ihr Wohn- und Lebensumfeld gestalten müssen? Die Autoren dieses Bandes meinen übereinstimmend und ganz klar - Ja! Architekten, Ingenieure, Marketingspezialisten, Journalisten, aber auch Theologen und Ethiker beschreiben, welche Chancen für Ambiente und Dienstleistungen in besonderen Lebenssituationen genutzt werden können, um die Lebensqualität für die Menschen deutlich zu erhöhen. Es werden innovative Konzepte vorgestellt und die gesammelten Erfahrungen konkret dargestellt - zum einen aus Sicht der Anbieter, zum anderen aus Sicht der 'Kunden'.

Dr. Markus Horneber ist Leitender Verwaltungsdirektor der Diakonie Neuendettelsau. Prof. Dr. h. c. Hermann Schoenauer ist Rektor des Evangelisch-Lutherischen Diakoniewerkes Neuendettelsau.

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Leseprobe

Kapitel 2 Lebensträume – Design- und Dienstleistungskonzepte


Gute Design- und Dienstleistungskonzepte für besondere Lebenssituationen berücksichtigen die Würde und auch die spezifischen Erfordernisse der jeweiligen Zielgruppen auf selbstverständliche Weise. Gute Gestaltung ist zugleich für jüngere und ältere Menschen, für Menschen mit und ohne Behinderung geeignet. Sie ist schön, attraktiv und fügt sich zwanglos in die normale Alltagswelt ein, ohne zu stigmatisieren. ‚Universal Design‘ oder ‚joy of use‘ zeigen Blickrichtungen und Haltungen von Entwicklern an, die die Lebensträume der Menschen respektieren.

Die Autoren von Kapitel 2 beschäftigen sich genau hiermit: Sie zeigen, wodurch überlegtes Design und hervorragende Architektur gekennzeichnet sind. Sie vermitteln aber auch, dass die Verwendung innovativer Systeme und Techniken aus ethischer Perspektive dort an ihre Grenzen stößt, wo sie zu Vereinzelung oder Vereinsamung durch ausbleibende persönliche Zuwendung führt.

Universal Design – Lebensräume für alle


Eckhard Feddersen

1. Gesellschaftliche Ausgangslage


Menschen in besonderen Lebenssituationen sind auf eine ihren Bedürfnissen angepasste Umgebung angewiesen. Bislang versuchte man oft, diesen Anforderungen durch spezielle Einrichtungen gerecht zu werden. Pflegeheime, Werkstätten, Wohnheime für Menschen mit Behinderungen und auch Krankenhäuser wurden nach besonderen Gestaltungsvorschriften und Normen errichtet. So entstanden spezielle Lösungen für einzelne Gruppen.

Die Nachteile dieser Herangehensweise liegen auf der Hand. Statt die Menschen zu integrieren, werden sie separiert, durch die gesonderte Behandlung an einem gesonderten Ort bisweilen sogar stigmatisiert. Ihr Aktionsradius ist nicht nur auf Grund körperlicher oder seelischer Einschränkungen oft sehr begrenzt. Auch vielfältige Barrieren in ihrer Umwelt schränken ihre Bewegungsfreiheit ein. Eine Teilhabe am öffentlichen Leben, an kulturellen Angeboten und die Nutzung von Dienstleistungen ist für sie nur schwer zu realisieren oder sogar unmöglich.

Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels stößt die Strategie spezieller Lösungen für einzelne Gruppen endgültig an ihre Grenzen. Der steigende Anteil Älterer verlangt nach einem umfassenden Konzept der Gestaltung der gebauten Umwelt, das möglichst allen Menschen unserer Gesellschaft zu Gute kommt.

2. Integrative Gestaltung im Universal Design


Universal Design bietet diesen ganzheitlichen Ansatz. Die Gestaltungsstrategie entstand in den 1970er Jahren in den USA. Hinter dem Begriff Design verbirgt sich keine formale Vorgabe der Formgebung oder eine Anleitung zu „universaler“ Gestaltung. Vielmehr versteht man unter Universal Design eine sublime Herangehensweise an einen Entwurf, vergleichbar mit der Grammatik einer Sprache: Durch das gemeinsame Anwenden von Regeln können selbst völlig fremde Menschen miteinander kommunizieren. Der Inhalt und die Wortwahl können variieren – das gegenseitige Verstehen ist trotzdem möglich.

Die selbstbestimmte Lebensführung eines Menschen steht beim Universal Design im Vordergrund, unabhängig von Alter, Bildungs- und Wohlstand. Es propagiert eine Formgebung von Alltagsgegenständen und der gebauten Umwelt, die für jedermann nutzbar ist, und zwar im Kleinen wie im Großen, von der Türklinke bis zum öffentlichen Stadtraum. Im engeren Sinn ist es als „das Entwerfen von Produkten, Informationsformen, Umgebungen und Systemen, die möglichst von allen Menschen, unabhängig vom Alter oder einer Behinderung, genutzt werden können“ definiert.5 Darüber hinaus wird es als „sozial verantwortlicher Entwurfsprozess, der auf demokratische Werte der Nicht-Diskriminierung, Chancengleichheit und gesellschaftliche Teilhabe des Einzelnen gegründet ist“ verstanden.6

Die Gestaltungsstrategie des Universal Designs lässt sich durch sieben Prinzipien charakterisieren:7

Erstes Prinzip: Breite Nutzbarkeit – Öffentliche Räume, Gebäude und Wohnungen sollen von allen Menschen genutzt werden können und keine Gruppe benachteiligen oder stigmatisieren. Rampen, stufenlose Eingänge und ausreichend groß dimensionierte Aufzüge sind Voraussetzungen für eine breite Nutzbarkeit.

Zweites Prinzip: Flexibilität der Nutzung – Das Wohn- und Lebensumfeld soll nicht nur eine große Vielfalt an individuellen Lebensformen ermöglichen, sondern auch den unterschiedlichen Fähigkeiten oder Einschränkungen vieler Menschen angepasst sein.

Drittes Prinzip: Einfache und intuitive Benutzung – Die gebaute Umwelt sollte unabhängig von Wissen, Erfahrung, Sprachkenntnissen oder Konzentrationsfähigkeit des Nutzers leicht verständlich sein. Wasserhähne, deren Handhabung sich selbst erklärt, sind ein Beispiel für Universal Design.

Viertes Prinzip: Sensorisch wahrnehmbare Information – Räume sollten so ausgestattet sein, dass alle Informationen eindeutig verfügbar sind, unabhängig von den Umgebungsbedingungen und den kognitiven oder sensorischen Fähigkeiten des Nutzers. Elektronische Geräte und Warnvorrichtungen verhindern mit akustischen und optischen Signalen gefährliche Situationen – auch wenn der Nutzer über eine eingeschränkte Seh- oder Hörfähigkeit verfügt oder wenn durch schlechte Lichtverhältnisse die Wahrnehmung beeinträchtigt ist.

Fünftes Prinzip: Fehlertoleranz – Räume sollten so gestaltet sein, dass Gefahren und negative Folgen unbeabsichtigter Handlungen minimiert werden. Ein schwellenfreier Zugang zum Balkon, der Stolpern oder Fallen vorbeugt, ist ebenso ein Beispiel für Universal Design wie Nischen zur Ablage von Schlüsseln am Wohnungseingang.

Sechstes Prinzip: Niedriger körperlicher Aufwand – Alle Menschen sollten Räume effizient, bequem und mit geringer körperlicher Anstrengung nutzen können. In Wohnungen reduziert sich für Nutzer mit eingeschränkter Mobilität der körperliche Aufwand, wenn alle wichtigen Funktionen und Utensilien des täglichen Lebens auf der Eingangsebene verfügbar sind, Stauraum ohne Bücken und Recken erreichbar ist.

Siebtes Prinzip: Großzügigkeit – Räume sollten so dimensioniert sein, dass Erreichbarkeit, Zugang, Bedienung und Nutzung unabhängig von Größe, Körperhaltung und möglichen Einschränkungen des Nutzers gewährleistet sind. Breite Türen und leicht zugängige Schränke in erreichbarer Höhe erlauben allen Nutzern maximale Bewegungsfreiheit und ungehinderten Zugriff.

Wie fließen diese Prinzipien in Architektur für Menschen in besonderen Lebenssituationen ein? Im Folgenden werde ich Lösungen anhand einiger Beispiele erläutern. Dabei handelt es sich nicht um feste Standards, die Mustergültigkeit für alle Bauaufgaben besitzen. Vielmehr verstehe ich meine Arbeit als einen Lernprozess, in dem sich immer wieder neue Blickwinkel ergeben.

Nach einer kurzen Einführung zum Wohnen im Alter werde ich anhand einzelner Bereiche aufzeigen, wie sich die Gestaltungsideen des Universal Designs umsetzen lassen. Der Aspekt der Wohnlichkeit steht dabei immer im Vordergrund. Die Beispiele stammen daher sowohl aus Pflegeeinrichtungen als auch aus dem Wohnungsbau. Neben dem Badezimmer und den (Gemeinschafts-)Küchen werden Flure, Foyers und die Bewohnerzimmer betrachtet. Ein Ausblick auf die Bedeutung des Universal Designs für das Wohnen der Zukunft wird den Beitrag abschließen.

3. Wohnen – ein lebenslanger Prozess


Wir alle wohnen ein Leben lang – auch wenn wir auf Unterstützung und Pflege angewiesen sind. Gerade wenn die körperlichen Kräfte nachlassen, werden die eigenen vier Wände mehr und mehr zum Lebensmittelpunkt. Ältere Menschen verbringen einen signifikant höheren Anteil ihrer Zeit zuhause als jüngere Menschen. Die vertraute Umgebung gibt Halt und ist Ausdruck der eigenen Identität. Möglichst lange in der eigenen Wohnung leben zu können, ist daher ein Wunsch, der von der großen Mehrheit der älteren Menschen vertreten wird.

Auch wenn im hohen Alter oder bei Kindern die intellektuellen Fähigkeiten nicht mehr bzw. noch nicht ausgeprägt sind, sollten im unmittelbaren Wohnumfeld für alle Menschen die Grundbedürfnisse Sicherheit, Orientierung, Intimität und Teilhabe sinnlich erfahrbar sein. Hier kann Universal Design unterstützend wirken.

Appartement im KWA Seniorenstift im Hohenzollernpark Berlin

Unabhängig von den Diskussionen über den demographischen Wandel steigt derzeit das Bewusstsein für eine Gestaltung, die den Alltag erleichtert, und damit auch das Komfortniveau allgemein. In Zukunft werden nicht nur ältere Menschen, sondern auch Familien, etwa solche, die einen Kinderwagen benötigen, von einer Gestaltung im Universal...

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