Kapitel 2: Authentisch sein im Führungsjob: Persönlichkeit und Stil
2 Führungsautorität und Selbstvertrauen
Führungsautorität und Selbstvertrauen beinhalten die Kenntnis und den Zugang zu den persönlichen Stärken und Wachstumspotenzialen, eigenen Vorlieben, Bedürfnissen und Abneigungen sowie eine möglichst bewusste Einschätzung und Bewertung der eigenen Gefühle, Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen.
Autorität und Selbstvertrauen gehören eng zusammen. Aus Selbstvertrauen erwächst Vertrauen und wirkt insoweit auf die Wahrnehmung Anderer in der Kommunikation. Dies führt dazu, dass wir Menschen, die mit großem Selbstvertrauen auftreten, zugleich mehr Kompetenz und Autorität zuweisen.
Menschen, die eine natürliche Autorität oder Charisma ausstrahlen, wirken vor allem glaubwürdig, ernsthaft und aufrichtig, und solches Authentisch-Sein gewinnt Sympathien und stärkt die eigene Position. Sie vertreten einen klaren Standpunkt und gleichwohl gehen sie mit Anderen empathisch und respektvoll um. Mangelndes Selbstbewusstsein ist oft der Ausdruck der unzulänglichen Bewertung der eigenen Stärken. Selbstsicherheit auf Basis der persönlichen Identität und hohem Selbstbewusstsein ergibt Souveränität, die sich als innere Stärke und nach außen in hoher Sozialkompetenz zeigt.
Als Autorität respektiert zu sein, ist - besonders im Führungsjob - eine durchaus erstrebenswerte »Position«; sie bringt indes nicht nur Anerkennung, sondern auch Verantwortung mit sich. Autorität und Charisma als psychische Eigenschaften der Persönlichkeit kommen von Innen. Eine Voraussetzung für Charisma ist, dass die eigene persönliche Identität entwickelt und (selbst-)bewusst ist. Das Gute: Jeder von uns besitzt natürliche Autorität und persönliches Charisma – wenn auch mit und in unterschiedlichen Verhaltenstendenzen und Orientierung.
2.1 Über Haltungen, Fähigkeiten, Verhalten und Lernen
Im Umgang mit Anderen merkt man, dass man nicht so einfach sein Verhalten verändern kann, ohne als Voraussetzung dafür «sich selbst» als Person zu verändern. Genau so bedeutsam, wenn nicht bedeutsamer wie die vorhandenen Verhaltensfähigkeiten einer Führungskraft sind ihre Haltungen, Einstellungen und Werte. Ihnen liegen die Konzepte und Vorstellungen zugrunde, an denen sich das Interaktionsverhalten - und damit das konkrete Führungshandeln - orientiert: das Menschenbild, das Selbstbild, das Selbstverständnis als Führungskraft, Vorstellungen zu Bedingungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, Annahmen über die Bedeutung der eigenen Person für eine erfolgreiche Unternehmenskultur, Ansichten darüber, wie Mitarbeiter motiviert werden müssen, Auffassungen über die Relevanz von Zielorientierung, Führungsinstrumenten, der Wirkung des persönlichen Kommunikationsverhaltens und vieles mehr.
Zusätzlich geht es natürlich auch um konkretes, kognitives Lernen und Erlernen bezogen auf Themen wie: Führungsinstrumente, Organisationsentwicklung, Führen mit Kenndaten, das Gestalten und Weiterentwickeln von Unternehmenskulturen, Leiten und Moderieren von Gruppenprozessen, Gesprächsführung, Konfliktmanagement, Changemanagement, Projektmanagement, Arbeitsorganisation, Mitarbeiterbeurteilung und -entwicklung und vieles mehr. Aber auch wenn diese Themen hauptsächlich mit dem Erwerb von Wissen zu tun haben, so müssen die konkreten Wege der Umsetzung und alle Instrumente und Techniken, auch zur Persönlichkeit passen und in den konkret-individuellen Kommunikations- und Führungsstil integriert werden.
Betrachtet man aus dieser Sicht die Haltungen und Einstellungen, die relevant sind für das Verhalten zum Funktionieren-lassen einer Organisation und der Menschenführung, so wird deutlich, dass sie sich auf Annahmen über die Wesensart des Menschen und die Wesensart zwischenmenschlicher Beziehung und Interaktion gründen. Und diesen Haltungen und Einstellungen liegen Annahmen über die Realität zugrunde, die nur partiell auf wirklichen Erfahrungen beruhen. Der größte Teil dieser grundsätzlichen Vorstellungen über den Menschen und seine Interaktion sind erstens gesammelte Erfahrungen im einem sehr spezifischen Kontext (Familie) und zweitens »erlebt« im zeitlichen Verlauf der individuellen persönlichen Geschichte in einem Zeitpunkt (frühe Kindheit), zu dem man noch nicht viele Fähigkeiten ausgebildet hatte. Die »Realitätskonzepte« und das »Setting der Beziehungs- und Interaktionsstrategien«, auf die man fortdauernd gleichwohl unbewusst irgendwie festgelegt ist, werden mithin von einer »tieferen« Ebene des Persönlichkeitssystems bestimmt und begrenzt. Wie man die »Realität« wahr-nimmt, wird zur Orientierung in der Realität zum einen bestimmt durch die Regeln und Interpretationsmodelle, die man in den Prozess solcher Betrachtungen hinein programmiert hat, zum anderen beinhalten sie Regeln für Aktion und Reaktion in dieser Realität (vgl. Lorenz 2009, S. 24 f).
Führungsseminare und eine große Anzahl von Managementratgebern sind deshalb nicht hilfreich, weil sie sich auf Verhalten beziehen. Hinzu kommt, dass sie in ihrer Verallgemeinerung die individuelle Realität der Führungskraft unberücksichtigt lassen und damit reduzieren und die Führungskraft mit dem doppelten Transferproblem alleine lassen. Doppelt, denn erstens müssen die neuen Betrachtungen auf die persönliche Führungsrealität »angepasst« werden und zweitens müssen die neuen Verhaltensstrategien und das damit einhergehende konkrete Verhalten, um authentisch zu sein, in die Persönlichkeit der Führungskraft - bzw. ihr Selbstbild - integriert werden. Für letzteres ergeben sich logischerweise zwei Möglichkeiten. Entweder ändert sich das Selbstbild oder die Verhaltensweisen werden abgewandelt, um dem Selbstbild zu entsprechen. Wegen dieser komplexen und sehr individuellen Zusammenhänge, auf die viele Führungsseminare ohne Coachingansatz nicht angemessen eingehen können, ergibt sich eine nachhaltige Veränderung von meist nur weniger als zehn Prozent (vgl. ebda, S 25).
Das heißt aber nicht, dass man eine kognitive Auseinandersetzung mit Theorien, Konzepten und Modellen nicht braucht - im Gegenteil. Selbstverständlich muss eine Führungskraft sich mit Kommunikationstheorie, Führungsstilen, -techniken usw. auch theoretisch auseinandergesetzt haben. Führen ist ein eigenes Wissensgebiet - wie jedes andere Fachgebiet auch.
2.2 Drei Orientierungsbereiche zum Selbstlernen: Führungsrolle, Selbstreflexion, Empathie
Um im Führungsjob zu einer ansehnlichen Qualität zu gelangen, erfordert es eine Reihe von Kompetenzen, einiges an Erfahrung, spezifisches Wissen und »persönliche Reife«. Führungsarbeit ist ein selbstständiger, anspruchsvoller und komplexer Fachbereich. Daher stellt sich die Frage, wie lässt sich dieser Lernprozess hin zu hoher Führungsqualität überhaupt eigenständig und vor allen Dingen effektiv und effizient bewerkstelligen?
Augenfällig existieren drei »Lern- oder Entwicklungsfelder«, die den gesamten Lernprozess erst ermöglichen und ihn bei erhöhter Konzentration auf die damit verbundenen Qualifikationen erheblich beschleunigen. Gleichzeitig stellen sie die notwendige Authentizität sicher. lm eigentlichen Sinne handelt es sich um drei Orientierungsbereiche oder »Navigationskompetenzen« (vgl. Lorenz 2009, S. 31 f):
1. Orientierung in der Rolle als Führungskraft:
Was genau sind die Anforderungen, die Erwartungen, die Möglichkeiten, Freiheiten, Pflichten und Ziele, die mit dieser Rolle verbunden sind? Wie kann ich in dieser Rolle meinen persönlichen Stil finden, wie kann ich in dieser Rolle mich authentisch verhalten?
2. Orientierung über »sich selbst« durch Selbstreflexion:
Wie lassen sich im persönlichen Handeln Beziehungen mit anderen Menschen (Mitarbeiter) verbessern und optimieren. Interaktionen sind das »Arbeitsfeld« der Führungskraft, gleichzeitig sind die Interaktionen das Werkzeug des Managers zum Funktionieren-lassen der Organisation. Damit in einer Organisation Resultate erzielt werden, müssen die in ihr arbeitenden Menschen etwas miteinander tun - und zwar das Richtige.
3. Orientierung zum Gegenüber und dessen Persönlichkeit durch Empathie:
Weil die Menschen oft ziemlich unterschiedlich sind und anders »funktionieren«, geht es zum Verstehen um die Fähigkeit, die internen kognitiven und emotionalen Prozesse anderer Menschen nachvollziehen zu können.
Die nachstehende Auflistung zeigt zusammengefasst, was Führungskräfte »wissen« müssen, damit sie erfolgreich eine Organisation »bewegen« können. Dabei ist der Begriff »Wissen« nicht bezogen auf faktisches Wissen, sondern meint genau diese Haltungen, Einstellungen, Bewertungen und...