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Menschen entschlüsseln

Ein Kriminalpsychologe erklärt, wie man spezielle Analyse- und Profilingtechniken im Alltag nutzt

AutorJens Hoffmann
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783864157394
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Wie gut kennen Sie Ihre Freunde und Kollegen? Ist der Mensch, mit dem Sie das Büro teilen, ein Fremder für Sie? Es ist gar nicht so leicht, andere Menschen richtig einzuschätzen. Denn viele der 15 bekannten Persönlichkeitsstile sind nicht gleich auf den ersten Blick zu erkennen, manche, wie der Narzissmus, fallen dagegen schnell auf. Aber was tut man, wenn der eigene Chef ein Narzisst ist? Oder sich der neue Flirt als hartnäckiger Querulant entpuppt? Dr. Jens Hoffmann ist Kriminalpsychologe und Experte für Profiling. In seinem Buch zeigt er die besten Tipps im Umgang mit Boss-Typen, Psychopathen, Narzissten, dramatischen Persönlichkeiten und anderen. Umrahmt von vielen Fallbeispielen aus seinem Berufsleben hat Dr. Jens Hoffmann sein Wissen so aufbereitet, dass jeder im Alltag davon profitiert und die Zeit der Täuschungen ein für alle Mal vorbei ist.

Dr. Jens Hoffmann ist Kriminalpsychologe und Experte für Profiling. Er leitet das Institut für Psychologie & Bedrohungsmanagement (I:P:Bm) und ist einer der Geschäftsführer des »Team Psychologie & Sicherheit«, einem Verbund von Kriminal- und ehemaligen Polizeipsychologen, die Unternehmen, Behörden und Personen des öffentlichen Lebens zum Thema Sicherheit beraten. Im Juni 2002 wurde er von EUROPOL in die Experten-Datenbank für europäische Polizeikräfte aufgenommen.

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Leseprobe

Kriminalpsychologie: Die Frage nach der Motivation des Menschen


Warum der Vampir von Düsseldorf und ein Diktator taten, was sie taten


Beginnen möchte ich mit einer Enttäuschung für diejenigen, die bei dem Begriff Kriminalpsychologe automatisch an einen Profiler denken: Letzterer ist durch Filme und Bücher zu einer fast schon mythischen Gestalt stilisiert worden – nur gibt es ihn in der Form so nicht. Selbst beim amerikanischen FBI mag und verwendet man den Begriff des Profilers nicht, da dadurch die hoch qualifizierte und methodische Arbeit dieser Profession trivialisiert wird. Das FBI spricht hier von einer Behavioral Analysis Unit, auf Deutsch Verhaltensanalyseeinheit. Was es in Deutschland tatsächlich gibt, das ist die operative Fallanalyse und damit eine Methode zur Erstellung eines Täterprofils, was wiederum grob gesagt dem entspricht, was viele Menschen unter Profiling verstehen.

Aber fangen wir vorne an, und zwar mit der Frage, was Kriminalpsychologie eigentlich ist und was sie tut. Grundsätzlich beschäftigt sich die Kriminalpsychologie mit kriminellem Verhalten und der Motivation von Menschen, dies an den Tag zu legen. Das macht sie nicht erst seit Kurzem, sondern sie hat damit schon vor langer Zeit begonnen. Interessanterweise hat die Kriminalpsychologie eine sehr reichhaltige Geschichte, die bereits im späten 19. Jahrhundert ihre Wurzeln hat. Damals schon gab es großartige Fallbeschreibungen, darunter solche von Menschen, die wir heute als Prominenten-Stalker bezeichnen würden. Verfasst wurden sie von dem Psychiater Richard von Krafft-Ebing, der von Frauen berichtete, die zu damaliger Zeit Schausteller und Sänger verehrten und mit Liebesbriefen überschütteten. In dieser Zeit entstand bereits eine sehr lebendige Form von angewandter Kriminalpsychologie. Erarbeitet wurde sie von Fachleuten, die über ein sehr feines Verständnis solcher Persönlichkeiten verfügten.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts arbeiteten einige Kriminalkommissare ebenfalls bereits mit Methoden, die auf kriminalpsychologischen Überlegungen beruhten, indem sie Täterprofile erstellten. Ein berühmt gewordenes Beispiel dafür ist der Fall des sogenannten Vampirs von Düsseldorf: Dessen Spitzname beruhte darauf, dass der Täter nach seiner Ergreifung erzählte, er habe einem Schwanenküken den Hals durchgeschnitten und das Blut des sterbenden Tieres getrunken. Vor allem aber tötete er zwischen 1929 und 1939 sieben Frauen und einen Mann, beging außerdem 30 Überfälle – meist ebenfalls in der Absicht, einen Menschen zu ermorden. Die Brutalität der Taten sorgte sogar international für Aufmerksamkeit und machte weltweit Schlagzeilen. In Düsseldorf breitete sich während der lange Zeit erfolglosen Tätersuche zudem eine regelrechte Hysterie aus.

Die erstellte Beschreibung des später als Peter Kürten identifizierten Täters stellte nicht weniger als das erste bekannte Täterprofil der deutschen Kriminalgeschichte dar.

Am 8. April 1930 wurde dieses Charakterbild des Vampirs von Düsseldorf in einer Sonderausgabe des Deutschen Kriminalpolizei-Blattes veröffentlicht. Kriminaldirektor W. Gacy legte auf 30 Seiten die Tatzusammenhänge ausführlich dar, ergänzt wurde dies durch Hypothesen über den möglichen Beruf des Mörders, seine kommunikativen Fähigkeiten oder auch seine Vorstrafen. Gacy beschrieb Peter Kürten als eine vermutlich hochintelligente Person, die sadistische Neigungen habe, auf ihre Mitmenschen aber durchaus gutherzig und nett wirke. Die gesamte Beschreibung und der Aufbau ähnelten bereits in den Grundzügen aktuellen Täterprofilen. Vor allem aber zeigte sich nach der Ergreifung Kürtens, dass sich tatsächlich Übereinstimmungen zwischen der Theorie und der Person finden ließen, für die erstmals überhaupt der Begriff des Serienmörders genutzt wurde. Dieser Fall war sozusagen der historische Beginn der Kriminalpsychologie.

Doch so vielversprechend das alles war, es ging schon wenige Jahre nach Peter Kürtens Hinrichtung im Juli 1931 mit dem Zweiten Weltkrieg wieder verloren. Danach gab es einen großen und bedauernswerten Wandel, weil die Idee des »wissenschaftlichen Verstehenwollens« beendet und ersetzt wurde durch eine einseitige Form des Erkenntnisgewinns, die besagt: Wissenschaft ist allein das, was wir zählen oder messen und was wir in statistischen Werten ausdrücken können.

Dies führte dazu, dass die Kriminalpsychologie erst einmal fast ein halbes Jahrhundert vom Erdboden verschwand. Die lange und reichhaltige Tradition kriminalpsychologischer Herangehensweisen wurde als unwissenschaftlich abqualifiziert, weil hier eben keine Statistiken oder Zahlen die Basis bildeten.

Heute wird der Begriff Profiling bekanntlich wieder sehr häufig verwendet, wenn es um das Entlarven von Straftätern beziehungsweise um deren Persönlichkeitsprofile geht. Das wiederum führt zu der Frage: Was bedeutet Profiling eigentlich wirklich? Tatsächlich hat das Profiling zwei Bedeutungen. Einmal ist Profiling die Ermittlung beziehungsweise Feststellung der Identität eines Täters, den man nicht kennt, und zwar aufgrund der Analyse des Verhaltens am Tatort. Man fragt sich also, was dort geschehen ist, und man rekonstruiert dieses Verhalten sehr ausführlich. Dabei geht es um eine ganze Reihe unterschiedlicher Faktoren beziehungsweise Fragen: Wie hat der Täter sein Opfer ausgesucht? Hat er dies vorbereitet und geplant gemacht? Hat er dem Opfer am Tatort aufgelauert, oder ist die Tat aus der Situation heraus geschehen? Wie hat er bei einem Sexual- oder Gewaltdelikt die Kontrolle über sein Opfer behalten? Wie impulsiv ist er in der Tatausführung gewesen?

Dieses Täterverhalten wird erst einmal sehr akribisch rekonstruiert und bildet am Ende dann die Grundlage für Ableitungen – für Hypothesen also, die helfen können, den Täter schließlich zu ermitteln. Insgesamt ist also Profiling oder korrekt ausgedrückt die operative Fallanalyse eine sehr pragmatische und damit sachbezogene Ermittlungsstrategie. Man fragt sich beispielsweise, wo der Täter wohnen könnte, ob Vorstrafen vorliegen und wenn ja welche, oder wo er eventuell schon einmal auffällig geworden sein könnte. Insgesamt versucht Profiling auf diese Weise, sehr konkrete Ermittlungshinweise zu geben. Das ist die eine Richtung des Profiling, die schon vor langer Zeit genutzt wurde, die aber nach dem Zweiten Weltkrieg erst in den Siebzigerjahren beim FBI in den Vereinigten Staaten wieder aufgenommen wurde. In den Neunzigerjahren wurde die Methodik in Europa unter anderem vom deutschen Bundeskriminalamt und von Polizeiexperten einzelner Bundesländer weiterentwickelt.

Eine andere Facette des Profiling ist das Persönlichkeits-Profiling. Dabei geht es um die psychologische Einschätzung einer Person. Und es muss sich hier nicht immer um Straftäter handeln. Manchmal geht es dabei auch um die Einschätzung einer bekannten Persönlichkeit, etwa die eines Politikers. Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse werden dann beispielsweise bei Verhandlungsführungen eingesetzt. Zudem kann das erlangte Wissen bei der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität von Nutzen sein. Gefordert wird in so einem Fall etwa eine Einschätzung des Persönlichkeitsstils dieses Menschen und eine Prognose, wie er sich im weiteren Verlauf verhalten wird, was also noch geschehen könnte.

Dieses Vorgehen wird auch als Distant Profiling bezeichnet oder als indirektes Persönlichkeits-Assessment. Hierzu gibt es ein klassisches Beispiel aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, also ausgerechnet jener Zeit, in der die Kriminalpsychologie ja eigentlich vom Radarschirm verschwunden war. Damals arbeitete in den Vereinigten Staaten die Vorgängerorganisation der heutigen CIA unter der ­Bezeichnung Office of Strategic Services (OSS) – übersetzt also Amt für strategische Dienste. Es handelte sich dabei um einen Nachrichtendienst des Kriegsministeriums, der unter anderem für psychologische Kriegsführung und für die Beschaffung von Informationen zuständig war.

Eines der großen Themen des OSS während des Zweiten Weltkriegs war: Man wollte wissen, wie die militärische Führung des sogenannten Dritten Reichs weiter vorgehen würde – und vor allem, wie sich Adolf Hitler weiter verhalten würde. Daher beauftragte das OSS den amerikanischen Psychoanalytiker Walter C. Langer mit einer psychologischen Studie über den Diktator. Langer begann damit mit einem Team im Frühjahr 1943 und befragte für das Distant Profiling Menschen, die zwar inzwischen in Kanada oder den USA lebten, die Hitler aber aus der Vergangenheit persönlich kannten. Auf diese Weise konnte man Beschreibungen Hitlers und zudem Berichte über ihn sammeln. Diese zusammengetragenen Informationen wurden dann ausgewertet von einem Team aus Psychologen und Psychoanalytikern. Am Ende entstand so im Auftrag des US-Geheimdienstes ein Profil des Diktators, das erklären sollte, wie dieser sich weiter verhalten würde, worin seine Motivation lag – und was passieren könnte, wenn die sich bereits abzeichnende militärische Niederlage Deutschlands wirklich eintrat.

Betrachtet man sich dieses Profil heute, sieht man einerseits, dass dort zwar noch eher altmodische psychoanalytische Konzepte eingesetzt werden, die wir heute in dieser Form nicht mehr verwenden. Andererseits ist dieses Profil vor dem Hintergrund unseres inzwischen erlangten Wissens erstaunlich präzise und immer noch sehr lesenswert. Unter Zeitdruck arbeitete das Team bis zum Herbst des Jahres 1943 das Profil eines Mannes aus, der sich selbst für die größte Führungsperson in Deutschland seit Jahrhunderten hielt und sich sogar auf eine Stufe mit Jesus Christus stellte. Gleichermaßen arbeitete Langer heraus, dass Hitler zwar in der...

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